Scheinselbstständig - Sozialversicherungspflicht

Hallo Wissensgemeinde,

falls im falschen Brett, bitte verschieben, betrifft aber offensichtlich doch Arbeitsrecht.
Folgende Thematik wird derzeit diskutiert:
Eine 22jährige, ohne Berufsabschluß lernt einen 15 Jahren Älteren kennen und bekommt aus dieser Beziehung eine Tochter.
Der Freund/Kindesvater arbeitet im einem IT und verkauft gebührenpflichtige Einträge; Einkommen 4-6 T€ mtl… Er ist vorbestraft, ca. 100 T€ schulden und der Arbeitgeber „behilflich“ gewesen, dass trotz des Einkommens keine Pfändungen abgeführt werden mussten.
Er überredet die Freundi, auf ihren Namen ein Gewerbe anzumelden, ihn bei sich soz.versicherungspflichtig anzustellen, wobei er weiterhin in dem IT-Unternehmen arbeitet, aber seine Freundin nunmehr dem IT mtl. Rechnungen stellt. Er lernt eine andere Frau kennen, die Beziehung mit der Kindesmutter geht in die Brüche, sie wird in Unkenntnis ihrer rechtlichen Möglichkeiten wohnungs- und obdachlos, meldet „ihn“ als Arbeitnehmer jedoch ab.
Er ist immer noch im IT-Unternehmen tätig, offensichtlich über die neue Freundin.
(Wohnungs- u. Obdachlosigkeit konnte beendet werden.)

Er verlangt nun von ihr über 30 T€, weil sie angeblich keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat, wobei sie davon ausgeht, dass er sie „unter Druck“ zu Geldzahlungen nötigt.
Im Beisein von Dritten erhebt er keine Forderungen, bei Telefonaten merkt er sofort, dass Lautsprecher an ist und fordert das Abschalten des Lautsprechers.

Frage: Wie ist dieses „Gesamtarbeitsverhältnis“ von ihm zu würdigen?
Wie ist insbesondere zu werten, dass er beim AG beschäftigt ist, obwohl seine FReundin als „Gewerbetreibende“ dem Unternehmen Rechnungen stellt? Konflikt mit Zeitarbeit/Arbeitnehmerüberlassung?
Der IT-AG ist offensichtlich bereit, jegliche Art der Arbeitsvergütung mitzutragen, um seinen „guten Verkäufer“ nicht zu verlieren.
Etwas kompliziert, dann bitte nachfragen, §§Hinweise und Links werden auch gerne dankbar akzeptiert.
LG

Hallo Xenia,

das Ganze ist etwas undurchsichtig formuliert.

Sei X die 22jaehrige.
Seit F der (ex)Freund bzw. Freiberufler
Sei IT die Firma, fuer die F tatsaechlich Auftraege bearbeitet.
Sei PF die Firma, die X gegruendet hat und die F als soz. Versicherungspflichtigen angestellt hat.

Ist es richtig, dass PF die Leistungen des F gegenueber IT fakturiert hat, demzufolge auch Einnahmen verbuchen konnte?

Frage 1: Sind dafuer USt, EK-Steuer und ggf. Gewerbesteuer entrichtet worden?

Frage 2: Sind alle Abgaben fuer F entrichtet worden, die fuer Angestellte entrichtet werden muessen?

Er verlangt nun von ihr über 30 T€, weil sie angeblich keine
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat,

Ist die Antwort auf 2 ein klares Ja, wieso sollte dann hier eine Scheinselbstaendigkeit vorliegen? Sind keine Abgaben entrichtet worden, so wuerde man sich ja zudem auch mal das Verhaeltnis zwischen IT und F genauer anschauen muessen.

Viel wichtiger ist aber die Antwort auf 1. Wenn naemlich PF zwar alles fakturiert und eingenommen hat, aber keine Steuern entrichtet hat und das Geld nun auf dem Konto von F liegt, dann koennte auf X ein weitaus groesseres Problem zukommen.

Gruss
n.

Hallo Xenia,

das Ganze ist etwas undurchsichtig formuliert.

Sei X die 22jaehrige.
Seit F der (ex)Freund bzw. Freiberufler

***Ja, ob er aber vor der Freundschaft mit X bei der IT Freiberufler oder Angestellter war, ist nicht klar…

Sei IT die Firma, fuer die F tatsaechlich Auftraege
bearbeitet.
Sei PF die Firma, die X gegruendet hat und die F als soz.
Versicherungspflichtigen angestellt hat.

*** JA

Ist es richtig, dass PF die Leistungen des F gegenueber IT
fakturiert hat, demzufolge auch Einnahmen verbuchen konnte?

***Ja, Rechnungen gestellt, Zahlungen erhalten, Soz.Vers.Beiträge abgeführt,…
ABER: kann denn eine Firma PF einen eigenen Angestellten an eine andere Firma „ausleihen“? Arbeitnehmerüberlassungsgesetz etc.???

Frage 1: Sind dafuer USt, EK-Steuer und ggf. Gewerbesteuer
entrichtet worden?

*** ja

Frage 2: Sind alle Abgaben fuer F entrichtet worden, die fuer
Angestellte entrichtet werden muessen?

***JA

Er verlangt nun von ihr über 30 T€, weil sie angeblich keine
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat,

Ist die Antwort auf 2 ein klares Ja, wieso sollte dann hier
eine Scheinselbstaendigkeit vorliegen?

***LOGIK? Man gründet Firma, stellt soz.vers.pflichtige Mitarbeiter ein und diese arbeiten dann in einer anderen Firma??? Kann das denn Jeder oder ist dies nicht eine Art „Leiharbeit“???

Sind keine Abgaben

entrichtet worden, so wuerde man sich ja zudem auch mal das
Verhaeltnis zwischen IT und F genauer anschauen muessen.

Danke

Hallo Xenia,

kann denn eine Firma PF einen eigenen Angestellten an
eine andere Firma „ausleihen“? Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
etc.???

in der IT Branche ist es ueblich, dass es (mindestens) zwei Arten von externen Mitarbeitern gibt: Zum einen Freiberufler, zum anderen Mitarbeiter anderer Firmen, die zum jeweiligen Kunden geschickt werden.

Inwieweit hier Meldungen gemaess AÜG gemacht werden müssen, müssten andere hier im Forum beantworten.

***LOGIK? Man gründet Firma, stellt soz.vers.pflichtige
Mitarbeiter ein und diese arbeiten dann in einer anderen
Firma??? Kann das denn Jeder oder ist dies nicht eine Art
„Leiharbeit“???

Ich fasse zusammen: F war angestellt und steht auch nicht gegenueber IT als Selbstaendiger da. Alle Soz-Versicherungsbeitraege wurden korrekt gezahlt. Wieso sollte also hier eine Schein selbstaendigkeit vorliegen? Und wieso sollte PF nun nochmal solche Beitraege zahlen muessen?

Mir fehlt hier noch ein Teil des Puzzles…

Gruss
n.

Etwas zum AÜG
Hallöchen,

was Arbeitnehmerüberlassung ist, ist in § 1 AÜG definiert:

Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen der Erlaubnis.

Früher hieß es mal „gewerbsmäßige Tätigkeit“, der Begriff wurde durch Gesetzesänderung nun mehr wesentlich weiter gefasst. Nach EuGH Rechtsprechung liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit dann vor, wenn Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt angeboten werden.

Hierbei kommt es u.a. nicht darauf an, dass es der Hauptzweck des Unternehmens ist, Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben.

Es wesentlich bunterer Strauß ist dann das Thema „zur Arbeitsleistung überlassen“. Die letztliche Verfügungsgewalt über den AN bei einem Leiharbeitsverhältnis obliegt dem Verleiher. Er kann bestimmen wo er eingesetzt wird, mit ihm besteht das Arbeitsverhältnis, er muss seinen arbeitsrechtlichen Pflichten nachkommen, gegen ihn besteht der Gehaltsanspruch, etc. Der Entleiher ist aber trotzdem nicht ganz außen vor bei der Beurteilung. Der Leiharbeitnehmer wird bei ihm wie eine eigene Arbeitskraft eingesetzt. D.h. der Leiharbeitnehmer muss sich in einem gewissen Umfang bspw. seinen Arbeitsabläufen eingliedern, Weisungen befolgen, etc.

Erst wenn man diese Voraussetzungen geprüft und bejaht hat, kommt man erst zu dem Ergebnis, ob überhaupt Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG vorliegt. Dann muss man prüfen, ob das mit oder ohne Genehmigung gemacht wird oder nicht.

Das hat vorrangig Auswirkungen auf das Thema Haftung.

Bei erlaubter Arbeitnehmerüberlassung ist Arbeitgeber und damit auch Schuldner von SV-Beiträge grundsätzlich der Verleiher. Aber der Entleiher haftet trotzdem mit als selbstschuldnerischer Bürge. Zahlt der Verleiher nicht, kann die Krankenkasse an den Entleiher heran treten und von ihm die Kohle verlangen.

Haben wir den Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mangels entsprechender Erlaubnis durch die BA, dann gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen. Vorrangig haftet damit der „Entleiher“, wenn er dem Leiharbeitnehmer das Entgelt zahlt. Zahlt der „Verleiher“ in diesem Fällen aber dem Leiharbeitnehmer (teilweise) Entgelt, dann gelten beide gegenüber der Krankenkasse als Arbeitgeber und haften gesamtschuldnerisch.

Soviel erstmal dazu.

LG
S_E