Nehmen wir folgenden Sachverhalt an:
A arbeitet auf freiberuflicher Basis für das Unternehmen X und bestreitet aus diesem Vertragsverhältnis den Großteil seines Einkommens. Nach den arbeitsrechtlichen Regelungen würde dies den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit erfüllen. Die Frage ist: Wer hat ein Interesse daran, diese Scheinselbstständigkeit rechtlich / gerichtlich feststellen zu lassen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen?
Wichtig hierzu:
Freiberufler A will den aktuellen Zustand beibehalten. Steuern und Sozialversicherungsbeträge werden von ihm korrekt und vollständig bezahlt.
Wer könnte gegen die Scheinselbstständigkeit gerichtlich vorgehen und aus welchem Grund?
Freiberufler A will den Zustand erhalten.
Unternehmen X? Mit dem Risiko, SV-Beiträge für die Vergangenheit nachzuzahlen?
Das Finanzamt? Obwohl es alle Steuern korrekt bekommen hat?
Die Krankenkasse? Obwohl auch hier alle Beiträge vollständig gezahlt worden sind?
Die Rentenversicherung? Auch wenn die Beiträge komplett von Freiberufler A bezahlt worden sind?
Wer hat ein Interesse, die Scheinselbstständigkeit arbeitsgerichtlich festzustellen mit den entsprechenden Folgen für Freiberufler A (Verlust des Auftrages) und für das Unternehmen X (Nachzahlung der AG-Anteile für die SV - obwohl die Beiträge bereits durch Freiberufler X gezahlt worden sind?).
das Problem mit der Scheinselbstständigkeit ist in der Praxis, dass sich die Bezahlung an einem Angestellten orientiert und der „Arbeitnehmer“ faktisch gar nicht die Möglichkeit hat alle Sozialabgaben korrekt zu zahlen, Krank zu sein, mal in den Urlaub zu fahren.
Daher kommen diese „Arbeitnehmer“ früher oder später auf die Idee ihre fehlende soziale Absicherung einzufordern.
Diese „Arbeitnehmer“ melden sich nach ihrer „Kündigung“ dann auch ganz selbstverständlich beim Arbeitsamt und beantragen ALG I.
…und das bekommen Sie auch, nachdem der „Arbeitgeber“ die Beiträge nachgezahlt hat.
Sollte der Freiberufler allerdings tatsächlich wie ein solcher agieren/bezahlt werden und nur zufällig 100% dauerhafte Auslastung mit nur einem Kunden haben, wird das vermutlich nie ein Problem.
Zum Fallbeispiel:
Der Freiberufler A zahlt seine Steuern korrekt, er zahlt seine Krankenkasse korrekt (um es zu verdeutlichen: Er zahlt in eine Private Krankenkasse inkl. Pflegeversicherung ein), er zahlt einen mit der Rentenversicherung fest vereinbarten Beitrag zur Rentenversicherung ein. Der Freiberufler hat nicht vor, seinen Status zu verändern.
Wer hat ein Interesse daran, hier arbeitsrechtlich einzugreifen? Der Arbeitgeber, um sich abzusichern (was eine Beendigung des Auftragsverhältnisses nach sich ziehen würde)? Die Sozialversicherungen (obwohl sie die vollen Beiträge bekommen)? Das Finanzamt?
„Die Frage nach der sozial- und arbeitsrechtlichen Einordnung eines Erwerbstätigen ist oft nicht leicht zu beantworten und kann daher ein Streitpunkt sein. Sie wird regelmäßig erst im Konfliktfall gestellt, beispielsweise bei einer Kündigung oder wenn die Krankenkasse im Rahmen einer Betriebsprüfung auf Anhaltspunkte für ein Beschäftigungsverhältnis stößt und daher ein Feststellungsverfahren einleitet.“
Hier sind noch zwei wichtige Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufgeführt, und die Tatsache, dass der Scheinselbständige auch zu seinem Glück gezwungen werden kann:
„Ist der vermeintlich freie Mitarbeiter in Wahrheit in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert und verrichtet er nach dessen Weisungen seine Arbeit , liegt ein Arbeitsverhältnis und ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch dann vor, wenn die Vertragsparteien das nicht wollen“
Wer hat ein Interesse daran, hier arbeitsrechtlich einzugreifen?
Ich stelle mir vor: In erster Linie der Arbeitgeber, dem es ziemlich viel Ärger einbringen kann. Und vielleicht irgendein übereifriger Bürokrat, wenn ihm was auffällt.
Ansonsten gilt natürlich: Wo kein Kläger, da kein Richter.