Scheitern der Revolution 1848

Dieter Hein, Die Revolution von 1848/49. Original-Ausgabe, 4. Auflage. München : Beck, 2007 (Beck’sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2019), S. 139:

„Dagegen verfügte die revolutionäre Bewegung […] über kein schlüssiges Konzept, wie sie in der Hohenzollern- und der Habsburgermonarchie die auf den weithin agrarisch strukturierten östlichen Gebieten beruhende Machtstellung der alten adligen Eliten erschüttern, die konservativen Gegenkräfte in Bürokratie und Militär überwinden und die widerstrebenden Monrarchen auf ihre Seite herüberziehen könnte. Ihre kommunale Basis war schwach, die nationale Orientierung selbst in demokratischen Kreisen durch einen ausgeprägten Partikularismus begrenzt, und in den beiden revolutionären Zentren, den Metropolen Berlin und Wien, die zudem relativ isoliert blieben, verhinderten scharfe soziale Konflikte im Grunde von Anfang an jede übergreifende revolutionäre Einheit. Nicht nur mit Österreich, sondern auch mit Preußen war ein deutscher Nationalstaat nach liberalem Verständnis nicht zu erreichen. Gegen sie jedoch auch nicht. Das war das Dilemma der Revolution von 1848/48. Nicht zuletzt daran ist sie gescheitert.“

Ich möchte folgende Formulierungen bitte konkreter erläutert haben:

„kein schlüssiges Konzept“

"die auf den weithin agrarisch strukturierten östlichen Gebieten beruhende Machtstellung der alten adligen Eliten "

„kommunale Basis war schwach“

„verhinderten scharfe soziale Konflikte im Grunde von Anfang an jede übergreifende revolutionäre Einheit“

Was waren das für „scharfe soziale Konflikte“?

„Gegen sie jedoch auch nicht.“

Weiterhin schreibt Hein, dass
in dem Kernraum der Revolution (die Mitte, der Westen und der Süden Deutschlands) die Revolution gelingen können hätte, denn dort gab es „lange zurückreichende Traditionen kommunaler Partizipation“ und „begünstigende gesellschaftliche Strukturen“.

Vielleicht kann jemand in einfachen Worten sagen, was Dieter Hein damit konkret gemeint hat.

Ante Sriptum: Auch wenn es gelegentlich so scheint, handelt es sich bei w-w-w nicht um eine Beantwortungsmaschine, die man am besten stichwortartig füttert.

Hallo Honeyman,

Weiterhin schreibt Hein, dass

in dem Kernraum der Revolution (die Mitte, der Westen und der
Süden Deutschlands) die Revolution gelingen können hätte, denn
dort gab es „lange zurückreichende Traditionen kommunaler
Partizipation“ und „begünstigende gesellschaftliche
Strukturen“.

Gemeint ist wohl die reichstädtische Tradition.

Gruß,
Andreas

Hallo!

„kein schlüssiges Konzept“

… keine konkreten, umsetzbaren, wirksamen Pläne, Überlegungen…

"die auf den weithin agrarisch strukturierten östlichen
Gebieten beruhende Machtstellung der alten adligen Eliten "

gemeint ist z.B. der Adel Ostpreußens, die Großgrundbesitzer waren und von Landwirtschaft im großen Stil lebten. Die Bauern dort waren immer noch von ihnen wirtschaftlich abhängig. agrarisch strukturiert heißt, dass es z.B. in Ostpreußen kaum bis keine Industrie gab, sondern das Gebiet von der Landwirtschaft lebte.

„kommunale Basis war schwach“

Der Rückhalt der revolutionären Bewegung (politisch gesehen Liberale, Demokraten; sozial gesehen Arbeiter, Handwerker, Mitglieder der Unterschichten, Bauern zu Anfang usw.) in den Gemeinden war schwach, vermutlich hatten sie eher in den Städten Rückhalt, wo es Industrie und damit Arbeiter gab, und v.a. gebildetes Bürgertum in größerer Zahl, und die vielen Leute, die schon aus Not in die Städte gezogen waren (Pauperismus, vorindustrielle Krise).

„verhinderten scharfe soziale Konflikte im Grunde von Anfang
an jede übergreifende revolutionäre Einheit“

Die revolutionäre Bewegung war gespalten. Beteiligt waren zuerst v.a. Bürgerliche, Arbeiter und auch Bauern. Sie hatten manche gemeinsamen Interessen, aber wohl mehr Unterschiede/Gegensätze. Vielen ging es darum, Neues zu verhindern (den Umbruch durch die Industrialisierung zum Beispiel und Veränderungen in der Arbeitswelt, die viele Leute um ihre Existenz brachten), andere wollten Neues erreichen (Verfassungen, die Einheit Dtlds, eine Republik usw, verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für ihre Unternehmen, Ende der Standesunterschiede…). Ein Teil wollte Reformen (modernisierte Monarchie), andere eine echte Revolution (Republik, Volkssouveränität) usw. Die Zeitgenossen sahen jedenfalls 1848 insgesamt eher ökonomisch motiviert. Manche Historiker gehen heute auch wieder in die Richtung. Es gab eben Krisen auf vier Ebenen: Hunger u. Teuerungen, wirtschaftlich (Konjunkturkrise), sozioökonomisch (Wandel der Arbeitswelt- s.o.) und politisch und deshalb so viele verschiedene Interessen der Beteiligten.

Was waren das für „scharfe soziale Konflikte“?

Bin zwar gerade eingelesen ins Thema, aber so genau nicht. Welche echten sozialen Konflikte zwischen den einzelnen Gruppen innerhalb der rev. Bewegung gerade in Wien und Berlin es konkret gab, weiß ich nicht.

„Gegen sie jedoch auch nicht.“

Na, Ö und P waren geführt von Herrschern, die zutiefst vom Gottesgnadentum überzeugt waren und von liberalen Ideen nix hielten . deshlab ging es nicht mit ihnen. Gegen sie ging es nicht, weil sie die mächstigsten Staaten Deutschlands regierten und da auch fest im Sattel saßen. Dtl. ohne Ö war vielleicht gerade noch denkbar, aber D ohne Preußen?? Nee.

in dem Kernraum der Revolution (die Mitte, der Westen und der
Süden Deutschlands) die Revolution gelingen können hätte, denn
dort gab es „lange zurückreichende Traditionen kommunaler
Partizipation“ und „begünstigende gesellschaftliche
Strukturen“.

kommunale Partizipation = Mitspracherecht der Bewohner (Bürger, Bauern) in der Gemeinde. Konkrete Beispiele muss dir ein Experte geben, aber z.B. wählten in manchen Orten die Bauern eine Art Bauernmeister/Bürgermeister.
Was er mit „begünstigende gesellschaftliche Strukturen“ meint, bin ich nicht sicher. Baden ist nah an Frankreich, da waren die Ideen der Frz. Revolution sehr weit verbreitet und beliebt, es war recht liberal, es gab in beiden Ländern eine Verfassung, es gab wirtschaftlichen Aufschwung; vielleicht waren die sozialen Nöte und Gegensätze nicht so kraß wie woanders (?).Les dich mal in die Geschichte Badens oder Württembergs ein bzw. lies zum Vergleich mit Hein mal die Wikipedia oder ein anderes Buch - vielleicht verstehst du manches besser.
Grüße
m.

Servus,

Gemeint ist wohl die reichstädtische Tradition.

eventuell (ergänzend) die in Württemberg trotz aller Karl-Alexanderei (etc.) relativ bedeutenden Landstände?

Schöne Grüße

MM

Vielen, vielen Dank für die Antworten!