Hallo, lieber Fritz,
Im September 1947 wurde ich eingeschult. Ja natürlich hatte ich eine Schiefertafel und zwar eine richtige, nicht nur so eine aus schwarzer Pappe, wie sie viele hatten, damals in der schlechten Zeit. Nagelneu war sie, auf der einen Seite mit roten Schreiblinien und auf der anderen mit Karos. Das Zubehör: Tafellappen und Schwamm, eine Griffelschachtel und Schiefergriffel (dünn, lang, mit buntem Papier umwickelt) einen Griffelspitzer.
Hefte gabe es nicht in unserer Dorfschule, wo die Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse in einem Schulraum unterrichtet wurden. Die „Milchgriffel“ - bleistiftartig mit Holz gefaßte weiche Schreibstifte für die Schiefertafel - wurden für die Papptafeln verwendet. Mit ihnen wurde aber auch die Schiefertafel dann nicht mehr so sehr „zermeißelt“ wie mit den richtigen Schiefergriffeln.
Die Tafeln waren Wertobjekte, die sehr sorgfältig behandelt wurden. Mir ist - soweit ich mich erinnere - keine kaputt gegangen. Die Griffel hielten ja sehr lange, wenn sie auch zerbrachen, konnte man ja mit den Teilen weiterschreiben.
Mit Tinte lernten wir erst im dritten Schuljahr umzugehen - welche Schweinerei das war! Die Brause-Feder im Federhalter, das Tintenfaß in der Schulbank mit dem Klappdeckel und den Klappsitzen, die so herrlich klapperten, wenn man aufstand. Einen Füllfederhalter bekam ich erst, als ich schon im zweiten Jahr auf dem Gymnasium war. Da brauchte ich ihn auch! Es gab damals (1951/52) ja kaum Schulbücher. Alle Lateinvokabeln und die Grammatikregeln wurden uns diktiert und wir mußten sie ins Heft schreiben.
Als wir im vergangenen Jahr in Thüringen Urlaub machten, holte mich die Nostalgie der Schiefertafelzeit wieder voll ein: An der thüringisch-fränkischen Schieferstraße gibt es eine Reihe kleiner Museen, die Erinnerungen an eine heute fast vergessene, aber jahrhundertelange Fabrikation von Schiefertafeln (Ludwigsstadt-Probstzella) und Griffelherstellung (Steinach/Thür.) bewahren. Besonders die Griffelherstellung war ein mühseliges Gewerbe, das meist in Heimarbeit betrieben wurde.
Wer sich selbst ein Bild machen möchte:
Deutsches Schiefermuseum in Steinach/Thür. das ehemalige Zentrum der Griffelherstellung
Öffnungszeiten: 14:00 - 17:00 täglich oder nach Anmeldung (Tel 036762-30619)
Schiefermuseum in Ludwigsstadt/Obfr. mit dem Schwerpunkt Schultafelherstellung
Meine Frau, Lehrerin an einer Grundschule, berichtet mir immer wieder, mit welcher Begeisterung ihre Schulkinder heute noch auf der Schiefertafel, die sie in ihrer Schulklasse als Demonstrationsobjekt hat, schreiben. Sie sind fasziniert davon, wie man damit schreiben - und vor allem das Geschriebene mit dem Spuckefinger wieder auslöschen kann.
Greisenhafte Grüße
Eckard