Kleiner Nachtrag, der gut zum Thema passt:
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Artikel:
GESTEUERTES VERHALTEN
Wie Vorurteile sich selbst erfüllen
Wer vor einem Bewerbungsgespräch sicher ist, dass etwas Peinliches passiert, wird in ein Fettnäpfchen treten: eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Auch die Vorurteile anderer Menschen verändern unser Verhalten. Je mehr es von ihnen gibt, desto stärker wirken sie.
Verändert sich das Verhalten eines Menschen, wenn andere eine falsche Meinung von ihm haben? Diese Frage beschäftigt Sozialpsychologen seit langem und wurde inzwischen mit Ja beantwortet. Die Forscher vermuteten auch, dass der Effekt stärker wird, je mehr Menschen die falsche Meinung teilen. Der Beweis gelang jetzt einem Team von Psychologen der Iowa State University unter der Leitung von Stephanie Madon. Die Forscher führten eine Studie mit Eltern und ihren Kindern durch, deren Ergebnisse sie in der Zeitschrift „Psychological Science“ veröffentlichten.
115 Elternpaare wurden gefragt, wie viel Alkoholkonsum sie bei ihrem Teenager-Nachwuchs vermuteten. Zugleich füllten die Kinder einen Fragebogen aus, der ihre Neigung zu Bier und Schnaps in der jüngeren Vergangenheit erfasste. Ein Jahr später wurden die Kinder erneut zu ihrem Trinkverhalten befragt. Das Ergebnis war eindeutig: Hatten die Eltern die Trinkneigung ihrer Kinder stark überschätzt, näherte sich deren Konsum im Laufe eines Jahres der Schätzung der Eltern an.
Mehr Überzeugte - größerer Effekt
Die Forscher kamen zu diesem Ergebnis, nachdem sie alle anderen Risikofaktoren für hohen Alkoholkonsum ausgeschlossen hatten. Der verstärkende Effekt trat am deutlichsten auf, wenn Mutter und Vater bei ihrer Schätzung deutlich zu hoch gegriffen hatten. Lag nur ein Elternteil falsch, fiel die Wirkung schwächer aus. Damit scheint die Vermutung bestätigt, dass die Kraft der Prophezeiung umso stärker ist, je mehr Menschen sie teilen.
Wenn die Eltern den Alkoholkonsum dagegen unterschätzten, hatte das keinen Einfluss. Die Forschergruppe um Stephanie Madon nimmt an, dass sich in diesem Ergebnis die Art spiegelt, wie Menschen - in diesem Fall Kinder - positive und negative Informationen über sich selbst verarbeiten. Generell werde den negativen Rückmeldungen zur eigenen Person größere Bedeutung beigemessen; sie beeinflussten Handlungen stärker.
Die Ergebnisse des Experiments aus Iowa sind wichtig für alle, die sich mit Vorurteilen beschäftigen. Wenn Stereotype wie „Frauen können nicht Autofahren“ oder „die Jugend von heute ist faul und aggressiv“ weit verbreitet sind und den Betroffenen immer wieder vorgehalten werden, können sie sich als sich selbst erfüllen, indem sie das Verhalten der Geschmähten beeinflussen.
Verteidigung gegen Vorurteile
Doch ganz wehrlos gegen die Meinung der anderen sind wir nicht: „Sich selbst erfüllende Prophezeiungen sind vor allem dann wirksam, wenn es den Betroffenen an Selbstsicherheit und einer gefestigten Persönlichkeit fehlt oder sie mit dem Bereich der Prophezeiung keine Erfahrungen haben“, sagte der Sozialpsychologe Hans-Werner Bierhoff von der Ruhr-Universität Bochum gegenüber SPIEGEL ONLINE.
„Vorurteile und sich selbst erfüllende Prophezeiungen sind nicht in einem luftleeren Raum aktiv, sie lösen auch Gegenprozesse aus, gerade bei erwachsenen, selbstsicheren Personen“, so Bierhoff. Die Gegenmaßnahme sei die so genannte Selbstverifikation. Ein selbstsicherer Jugendlicher, der immer wieder hört, er sei faul und aggressiv, werde sich dann vielleicht gerade im sozialen Bereich engagieren.
So dürfte es zu einem Tauziehen zwischen der Selbstsicherheit des Einzelnen und der Zahl der Träger von Fehlurteilen kommen. Bierhoff hält die Schlussfolgerung der Gruppe aus Iowa für plausibel: „In einem sozialen System, in dem Mehrere eine Prophezeiung teilen, wird die sich eher durchsetzen.“
Autoe: Mirko Herr
Viele Grüße
Micha