Schleudersitz, zivil vs militärisch

Hello again!

Bei militärischen Projekten ist es in der Luft- und Raumfahrt üblich einen Schleudersitz in der Testphase einzubauen. Hingegen in der Zivilluftfahrt nicht. Woher rührt das?

Nun wissen wir alle, dass es Schleudersitze in erster Linie aus dem Grund gibt, weil die Piloten eben recht teuer sind, bzw deren Ausbildung es gewesen ist. Aber ich denke mal, dass auch die Ausbildung eines Testpiloten der den neusten Airbus „Einfliegt“ auch nicht billiger zu haben ist als die eines Militärpiloten - oder? Trotzdem wird hier kein Schleudersitz eingebaut.

Klar, dass ein mil. Luftfahrzeug anderen Aufgabenbereichen zu dienen hat und alleine wegen den Umständen es sinnvoll ist einen Schleudersitz einzubauen.
Anders wäre es wohl für jeden Passagier einer Linienmaschine ein ungutes Gefühl wenn man wüsste, dass sich der Pilot eh rausschießen könnte :smile:.

Um nochmal zurück zu kommen zu meiner eigentlichen Frage: im Space Shuttle wurde zB während der Tests Schleudersitze verbaut. Warum nicht auch im zivilen Bereich?

Danke,
Luggi

Hi,

einen Schleudersitz kann man nicht in einen Airliner einbauen wie man einen Dachgepäckträger ans Auto schrauben kann, sondern die ganze Struktur des Cockpits müßte so ausgelegt werden daß man das Kabinendach wegsprengen und die Piloten im Schleudersitz herausschiessen könnte.
Airliner-Kabinen sind aber normalerweise nicht so gebaut daß das funktionieren kann weil das im späteren Betrieb ja auch nicht vorgesehen ist.

Der neue Airbus hat(te) natürlich auch Evakuierungs-Vorrichtungen an Bord, aber die Piloten wären „im Falle eines Falles“ mit Fallschirmen aus einer vorbereiteten Tür gesprungen.

Der Schleudersitz soll ja auch bei überzogenen extremen Flugmanövern und in niedriger Höhe Sicherheit bringen - das sind aber Bereiche, in denen sich Linienflugzeuge eher nicht aufhalten. Die Fallschirm-Lösung reicht sollte deswegen normalerweise immer ausreichen, wobei es sowieso sehr unwahrscheinlich ist daß man davon Gebrauch machen muß, denn man kann Flugzeuge heute so exakt designen daß es fast unmöglich ist daß sie in der Praxis vollkommen anders reagieren als in der Theorie geplant.

Gruß,

MecFleih

Der Schleudersitz soll ja auch bei überzogenen extremen
Flugmanövern und in niedriger Höhe Sicherheit bringen - das
sind aber Bereiche, in denen sich Linienflugzeuge eher nicht
aufhalten. Die Fallschirm-Lösung reicht sollte deswegen
normalerweise immer ausreichen, wobei es sowieso sehr
unwahrscheinlich ist daß man davon Gebrauch machen muß, denn
man kann Flugzeuge heute so exakt designen daß es fast
unmöglich ist daß sie in der Praxis vollkommen anders
reagieren als in der Theorie geplant.

Dennoch hat Airbus einen A330 samt siebenköpfiger Besatzung verloren, als man einen Start mit einem Triebwerk versuchte. Die Rettung der Besatzung ist also eher graue Theorie und nur bei Schönwetterflügen überhaupt denkbar.

Roland Wilkens
Dipl.-Ing. Luft- und Raumfahrttechnik
(arbeitet beim größten Zivilflugzeug-Hersteller der Welt)

Hallo MecFleih!

einen Schleudersitz kann man nicht in einen Airliner einbauen
wie man einen Dachgepäckträger ans Auto schrauben kann,
sondern die ganze Struktur des Cockpits müßte so ausgelegt
werden daß man das Kabinendach wegsprengen und die Piloten im
Schleudersitz herausschiessen könnte.
Airliner-Kabinen sind aber normalerweise nicht so gebaut daß
das funktionieren kann weil das im späteren Betrieb ja auch
nicht vorgesehen ist.

Das ist mir natürlich alles klar, dass das nicht so einfach geht. Trotzdem, es geht und beim Space Shuttle ist es auch gegangen, trotz struktureller Änderungen.

Der neue Airbus hat(te) natürlich auch
Evakuierungs-Vorrichtungen an Bord, aber die Piloten wären „im
Falle eines Falles“ mit Fallschirmen aus einer vorbereiteten
Tür gesprungen.

Ja, die hatten sogar rails die zu den exits führten. Es sei mal dahingestellt, ob man auch wirklich noch rauskommt, wenn die Steuerung versagt und der Airliner in einer Steilspirale runterkommt.

Die Fallschirm-Lösung reicht sollte deswegen
normalerweise immer ausreichen,

Okay, ich glaubs mal :smile:.

unwahrscheinlich ist daß man davon Gebrauch machen muß, denn
man kann Flugzeuge heute so exakt designen daß es fast
unmöglich ist daß sie in der Praxis vollkommen anders
reagieren als in der Theorie geplant.

Schon richtig… das Space Shuttle hat man ja auch berechnet - trotzdem Schleudersitze. Weniger das Problem ist das aerodynamische verhalten, sondern das Zusammenspiel einzelner komplexer Systeme. Stichwort Steuerung oä.

Da fällt mir gleich ein, warum kommt es bei modernen Militärjets häufig zu Fehlern in der „Steuerungssoftware“ (FlyByWire), hingegen bei Airlinern nicht?

Danke,
Luggi

Das ist mir natürlich alles klar, dass das nicht so einfach
geht. Trotzdem, es geht und beim Space Shuttle ist es auch
gegangen, trotz struktureller Änderungen.

Hallo Luggi,

der Unterschied ist eigentlich ganz einfach: Militärflugzeuge sind DAZU DA, abgeschossen zu werden. Die Situation, aussteigen zu müssen, ist im „Ernstfall“ um Grössenordnungen höher als bei einem Zivilflugzeug.

Ausserdem werden sowohl bei der Konstruktion als auch beim Fliegen viel grössere Risiken eingegangen. Wenn ein Luft-Luft-Rakete hinter dir her wäre, würdest du auch die technischen Grenzen bis zum letzten ausreizen.

Zivil- und Militärflugzeuge sind eigentlich nicht vergleichbar, ebensowenig wie Autos und Panzer.

Gruss Reinhard

2 Like

Hi Reinhard!

der Unterschied ist eigentlich ganz einfach: Militärflugzeuge
sind DAZU DA, abgeschossen zu werden.

Um nochmals meine eigentliche Frage zu untermauern: NATÜRLICH ist ein Militärflugzeug anders ausgelegt für den Einsatz - logo!

ABER auf was ich hinaus will ist die Erprobungsphase des Militärflugzeuges. Da wird noch nichts abgeschossen, sondern eben das Flugzeug erprobt und auf die Sicherheit hin überprüft. Es gilt die letzten Probleme auszumerzen, SO WIE AUCH bei zivilen Flugzeugen.

Trotzdem findet man im militärischen Bereich eigentlich fast immer Schleudersitze, auch, wenn diese dann später nicht im Serienflugzeug drin sind (als Beispiel diene hier wieder das Space Shuttle). Warum ist das im zivilen Bereich nicht so? Die Kosten für einen zivilen Testpiloten sind doch sicherlich gleich hoch wie im militärischen Bereich - und um Kosten geht es hier letztendlich.

mfg,
Luggi

Hi,

Um nochmals meine eigentliche Frage zu untermauern: NATÜRLICH
ist ein Militärflugzeug anders ausgelegt für den Einsatz -
logo!

ABER auf was ich hinaus will ist die Erprobungsphase des
Militärflugzeuges. Da wird noch nichts abgeschossen, sondern
eben das Flugzeug erprobt und auf die Sicherheit hin
überprüft. Es gilt die letzten Probleme auszumerzen, SO WIE
AUCH bei zivilen Flugzeugen.

Trotzdem findet man im militärischen Bereich eigentlich fast
immer Schleudersitze, auch, wenn diese dann später nicht im
Serienflugzeug drin sind (als Beispiel diene hier wieder das
Space Shuttle). Warum ist das im zivilen Bereich nicht so?
Die Kosten für einen zivilen Testpiloten sind doch sicherlich
gleich hoch wie im militärischen Bereich - und um Kosten geht
es hier letztendlich.

Ein Space Shuttle ist kein Militärjet und das wiederum kein Linienflugzeug. Vergleiche kann man einfach nicht ziehen weil das völlig unterschiedliche Konstruktionen mit unterschiedlichen Einsatzzwecken und unterschiedlicher technischer Auslegung sind.

Wer sagt Dir eigentlich daß es hier nur um Geld geht? Es geht vor allem um Menschenleben.

Ansonsten wurden Dir inzwischen Erklärungen angeboten. Wenn Du sie nicht haben willst - OK. Aber was erwartest Du soll man jetzt weiter dazu schreiben?

Gruß,

MecFleih

Hi!

Na gut, vielleicht war mein Vergleich etwas komsich. Lassen wir es so stehen.

Wer sagt Dir eigentlich daß es hier nur um Geld geht? Es geht
vor allem um Menschenleben.

Da muss ich aber wiedersprechen. In erster Linie geht es darum, dass ein qualifizierter Pilot in einem Militärflugzeug heil raus kommt, um möglichst schnell wieder gegen den Feind fliegen zu können. Piloten sind rar und man steckt eben ungern viele hunderttausende Euro in jemanden rein, der dann ab/angeschossen wird und sirbt.

Ist traurig, aber die Leute die mit dem Thema zu tun haben werden es dir bestätigen.

Ciao,
Luggi

Hi,

Dennoch hat Airbus einen A330 samt siebenköpfiger Besatzung
verloren, als man einen Start mit einem Triebwerk versuchte.
Die Rettung der Besatzung ist also eher graue Theorie und nur
bei Schönwetterflügen überhaupt denkbar.

Naja, die Frage ist: Warum ist das Flugzeug abgestürzt? Normalerweise sollte es doch gerade bei Airbus eigentlich unmöglich sein das Flugzeug in einen Stall zu fliegen, jedenfalls wenn die Flight Envelope Protection und das Law „mitspielen“…

Wenn man das System natürlich „überlistet“ - so wie auch beim A320-Absturz in Habsheim 1989, nützt auch eine an sich gute Sicherheitsausrüstung nix mehr. Wenn Du mit 200 km/h gegen eine Betonwand krachst rettet Dich z. B. auch im Auto selbst der beste Airbag nicht.

Ich gebe zu daß ich den Untersuchungsbericht zu diesem A330-Absturz nicht kenne und deswegen nicht in eine tiefere Diskussion zu dem Thema einsteigen kann. Ich habe aber dunkel im Hinterkopf daß damals irgendein Pilotenfehler in geringer Höhe ursächlich war. Fragt sich eben ob sich die Maschine innerhalb der beabsichtigten Grenzen des Testprogramms befand oder ob man „aus Übermut“ noch mehr als sowieso schon geplant überzogen hat - dann könnte man nämlich nicht mehr von mangelnden Sicherheitsvorrichtungen reden…

Gruß,

MecFleih

Hallo Luggi,

Das ist mir natürlich alles klar, dass das nicht so einfach
geht. Trotzdem, es geht und beim Space Shuttle ist es auch
gegangen, trotz struktureller Änderungen.

Schau die einmal ein Cockpit in einem Linienflieger und im Shuttle an.
Im Linienflieger sind alle Bedienungselemente und Anzeigen direkt um den Sitz rumgebaut. Vieles ist auch über Kopf installiert und das wäre dann beim AUsteigen mit dem SChleudersitz etwas im Wege. Im Shuttle ist das Flightdeck eher geräumig.

Da fällt mir gleich ein, warum kommt es bei modernen
Militärjets häufig zu Fehlern in der „Steuerungssoftware“
(FlyByWire), hingegen bei Airlinern nicht?

Die Voraussetzungen sind ganz anders.

Bei einem zivilen Flugzeug muss auch noch eine Oma mitfliegen können. Daher muss die Software nur Fluglagen in einem begrenzten physikalischen Bereich beherrschen, zudem darf die Software Fluglagen verhindern.

Militärische Fluggeräte werden in der Regel auch in Fluglagen betrieben, welche an technisch machbaren Limiten sind. Im militärischen Flugbetrieb ist es nicht ungewöhnlich, dass Unten und Oben auch mal vertauscht sind, was in der zivilen Luftfahrt nicht gerade an der Tagesordnung ist.
Hinzu kommt noch die kleinere Masse, die höhere Geschwindigkeit und die „Übermotorisierung“ bei militärischen Flugzeugen. Alles Dinge, welche eine präzisere Steuerung abverlangen, dazu noch in kürzerer Zeit.

Bei einer zivilen Maschine gibt es keinen Modus um mit Mach 1 30m über dem Boden zu fliegen und dabei noch Häusern auszuweichen. Die Software ist also wesentlich komplizierter.

MfG Peter(TOO)

Im Shuttle ist das Flightdeck
eher geräumig.

Hi,
sicher? Ich finde eher nicht (zumindest im Vergleich mit einem Airliner Cockpit).
http://www.panoscan.com/Shuttle/FlightDeck/Small.mov

Grüße,
Felix

Hallo Felix,

sicher? Ich finde eher nicht (zumindest im Vergleich mit einem
Airliner Cockpit).
http://www.panoscan.com/Shuttle/FlightDeck/Small.mov

Also beim Start sind da doch 4 oder 5 Sitze …

MfG Peter(TOO)

Hello again!

Bei militärischen Projekten ist es in der Luft- und Raumfahrt
üblich einen Schleudersitz in der Testphase einzubauen.
Hingegen in der Zivilluftfahrt nicht. Woher rührt das?

Hallo,

noch was zur Ergänzung:

die Testflüge dienen ja hauptsächlich der Zulassung durch die Behörden, und müssen daher zwingend mit der Serienausführung durchgeführt werden. Würde man ein Loch ins Cockpitdach sägen (etwas vereinfacht), könnte man keine gültige Zulassung bekommen.

Vorhergehende Tests, ob das Ding überhaupt fliegt, gibt es heute nicht mehr, wie am neuen Airbus sehr schön gezeigt wurde.

Gruss Reinhard