Hallo liebe Wissenden!
Im Zusammenhang mit Klaus Manns Roman ‚Mephisto‘ taucht immer wieder der Begriff des Schluesselromans auf. Ich weiss, was in diesem Zusammenhang mit Schluesselroman gemeint ist, schließlich entzuendete sich u.a. an diesem Begriff die beruehmte Diskussion um diesen Roman, so daß er in den 60-iger Jahren in Westdeutschland zunächst verboten wurde. Dass der Held des ROMANs unweigerlich mit der Person Gustaf Gründgens verknüpft ist, ob nun berechtigt oder unberechtigt, bestreitet heute niemand mehr. Meine Frage ist aber die: 1.Wie genau, wird eigentlich ein Schluesselroman definiert. Mir ist dieser Begriff auch in keinem anderen Zusammenhang ausser bei Mephisto jemals wieder begegnet.
Und daran anschliessend meine 2. Frage: Kennst Ihr ueberhaupt einen (anderen) Roman auf den diese Bezeichnung des Schlüsselromans passt, und eventuell micht vom Autor bestritten wird? Danke schon mal fuer Eure Hilfe.
Hallo,
Der Schlüsselroman ist ein Roman, in dem Person, Ort oder Vorkommnis so weit verschlüsselt, d.h. verschleiert, dargestellt werden dass der Leser imstande ist, die Anspielung zu entschlüsseln. Die Verschlüsselung erfolgt meist aus äußerlichen Gründen, z. B. wegen Zensur oder Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Eindringen in Privatsphäre.
Diese Definition entnahm ich dem Buch: Horst Best: Handbuch literarischer Fachbegriffe. Frankfurt: Fischer 1994
Dort stehen folgende Beispielbücher:
Opitz: Johann Barclayens Argenis (1626)
H. Mann: Die Jagd nach Liebe (1903)
O. J. Bierbaum: Prinz Kuckuck (1906)
F. Werfel: Barbara oder die Frömmigkeit (1929)
Jünger: Auf den Marmorklippen (1939)
Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung die Marmorklippen von Ernst Jünger empfehlen. Der Roman kann als Allegorie auf den Terror der Naziherrschaft verstanden werden. Jüngers Roman wurde sogar während des Nationalsozialimus veröffentlicht, da der Autor ein prominenter Vertreter der sogenannten „konservativen Revolution“ war. Jünger hat den Begriff Schlüsselroman, welcher auf die Marmorklippen angewendet wurde, nie abgelehnt. Der Roman ist in seiner Verfremdung sehr komplex, deswegen auch nicht leicht verdaulich, aber idealtypisch für den Begriff Schlüsselroman. Als vor- oder nachbereitende Lektüreempfehlung: Jünger: Der Oberförster, aus: Das abenteuerliche Herz. Zweite Fassung.
Die Kurzerzählung dreht sich im Prinzip um denselben Themenkomplex.
Ansonsten erfüllen eine Menge Romane bestimmte Aspekte des Schlüsselromans, d.h., dass beispielsweise bestimmte Romanfiguren auf reale Personen zurückzuführen sind, etc. Bei Grass und Thomas Mann findet man dies haufenweise. Allerdings spricht man hier nicht mehr von Schlüsselromanen, da es sich nur um Randerscheinungen des Romans handelt.
Gruß
Mario
1.Wie genau,
wird eigentlich ein Schluesselroman definiert. Mir ist dieser
Begriff auch in keinem anderen Zusammenhang ausser bei
Mephisto jemals wieder begegnet.
Und daran anschliessend meine 2. Frage: Kennst Ihr ueberhaupt
einen (anderen) Roman auf den diese Bezeichnung des
Schlüsselromans passt, und eventuell micht vom Autor
bestritten wird? Danke schon mal fuer Eure Hilfe.
Optimaler, fast schon „penetrant
schlüsselromaniger“ als Jüngers
„Marmorklippen“ ist SdBeauvoirs
„Mandarins von Paris“. An diesem
(Goncourt-gepriesenem) Text lassen
sich beispielhaft die Vorzüge und
Nachteile des Genres studieren.
Denn: Wer sich nicht für den fran-
zösischen Existentialismus als Le-
bensform begeistert, Camus Sartre
vorzieht und keine Nerven hat für
ein namedroppin´-Feuerwerk, der
kommt weder textästhetische noch
auf handlungsbegründete Kosten.
Wer jedoch wissen will, was das
Cafe de Flore atmosphärisch von
deren Imitationen (Szene-Kneipen)
unterscheidet, wer das peiliche
„Auch-nur-mit-Wasser-kochen“ ei-
ner Avantgarde jenseits ihrer The-
oreme kennenlernen will, wird um-
fänglich bedient.
Die Grenze zwischen Tratsch, wie
ihn Beauvoir oder aktueller: Kara-
seck („Das Magazin“) und Poetik,
wie sie etwa in ThManns „Bbrooks“
oder Grass „Treffen in Telgte“ zur
Dominanz kommt, ist im Genre ange-
legt.
Der Schlüsselroman ist heute eher
ein journalistisches Genre, da die
Stoffe solcher Texte natürliche Ne-
benprodukte der Recherche (oder eben
Insider-outings)sind.
Der bestverkaufte Schlüsselroman der
letzten Jahre heißt übrigens in der
deutschen Übersetzung „Mit aller Macht“
und hatte einige Auflagen lang den Au-
torennamen „Anounymus“. Das Rätselraten,
wer denn so gut über Clintons inner cir-
cle schreiben konnte - aus ihm heraus oder
doch nur halbspekulativ -, klärte sich
meines Wissens erst zwei Jahre nach er-
scheinen des Buches. Da hatte Hollywood
schon lange Angefangen, mit JTravolta als
Clinton, sich den Text anzueignen.
(Daß sie sich mit Szabos Adaption des Mann´-
schen „Mephisto“ nicht messen kann…)
Ich hoffe weitere Anstöße gegeben zu haben.
x-nada
Es muss ja nicht immer große Literatur sein. Sehr beliebt ist
auch der politische Schlüsselroman. Es gibt einen über US-Präsident
Bill Clinton, der, glaube ich, Mit aller Macht, heißt. Und
Hans Zach beschreibt in „Monrepos oder Die Kälte der Macht“
die baden-württembergische Landesregierung unter Lothar Späth.
uba
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