Hallo,
immer wieder springt mir so etwas ins Auge:
„Speedreading: schneller Lesen - besser Verstehen“
Ich habe mir ein paar Gedanken dazu gemacht. Falls man es denn wirklich schafft, die Informationen in den einzelnen Sätzen schneller aufzunehmen, zu behalten und zu kombinieren, verbessert sich somit auch das Verständnis. Darunter verstehe ich eine Art von inhaltlicher Zusammenfassung des Gelesenen im eigenen Kopf.
Meiner Meinung nach hat die „Sprachbetrachtung“ aber auch eine Daseinsberechtigung. Ließt man so schnell, gewöhnt man sich an die rasche „Umwandlung“ der Wörter in ihre Bedeutung und an die daraus folgende „Verwerfung“ jener Wörter. Was ist aber, wenn man seinen aktiven Wortschatz vergrößern oder seinen Stil verbessern möchte?
Ein opulenter Wortschatz folgt wahrscheinlich aus der Benutzung von im passiven Wortschatz sitzenden Wörtern, die gerade erst gehört wurden. Sie werden damit wiederholt und gefestigt. Wie ist das bei so einer gewaltigen Informationsflut, die sich aus dem Schnelllesen ergibt, möglich? Hier kommt es darauf an, schnell zusammenzufassen, und nicht, den in den aktiven Wortschatz zu übertragenden Wörtern Beachtung zu schenken.
Genauso kann auch ein besonderes Augenmerk auf den konkreten Satz gelegt werden, der zur Verbalisierung eines Sachverhalts benutzt wird. Wie würde ich das beschreiben? Was hat der Autor da anders gemacht als ich? Ist die Wirkung besser, die Beschreibung klarer?
Natürlich ergibt sich aus dem vielen Lesen irgendwann allen Umständlichkeiten zum Trotz ein größerer Wortschatz und eine bessere Sprache. Wären aber eine genaue Betrachtung und eine vielleicht auch aktive Verwendung der vorkommenden Wörter in einem Text zwecks der Wortschatzvergrößerung und der Stilverbesserung nicht der direktere Weg?
Lest ihr lieber langsam oder schnell?
Was denkt ihr darüber?
ich lese so, wie es mir für den entsprechenden Text und meine Absicht passend erscheint.
Ein Gedicht oder schöne Prosa lese ich gründlich, Wort für Wort - und erfreue mich an den schönen Formulierungen.
Sachtexte überfliege ich, bis ich die für mich wichtigen Stellen finde, die ich dann genauer lese.
Techniken zum „Schnelllesen“, z.B. eine Seite kompett aufnehmen in wenigen Sekunden, halte ich für Quatsch. Entweder man überfliegt, das geht schnell, aber man nimmt nicht alles auf.
Oder man liest gründlich, dann dauert es länger.
Alles andere ist Augenwischerei.
man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wenn man „nur eben schnell“ in die Zeitung schauen kann, weil man keine Zeit für große Lektüre hat, ist das etwas anderes, als wenn man gemütlich mit einem Glas Wein und einem guten Buch einen ganzen Abend auf dem Sofa sitzen kann. Wenn man im Internet recherchiert, und auf massenhaft seitenlange Artikel stößt, aber nur eine Detailinformation dringend braucht, ist es von massivem Vorteil, wenn man nicht Wort für Wort lesen und verstehen muss, sondern es schafft die Masse an Text einfach nur „durchlaufen“ zu lassen, und erst bei spannenden Dingen hängen bleibt.
Oder ganz konkret: Ich habe im letzten Jahr über 20.000 Seiten Ausschreibungsunterlagen gelesen und die rechtlichen Knackpunkte bewertet. Dabei stehen für 700-1000 Seiten oft nur wenige Tage zur Verfügung, in denen nicht nur gelesen, sondern auch noch kommentiert und bewertet werden muss, ggf. sogar alternative Formulierungen auszuarbeiten sind. Wenn man es da nicht schafft, sehr schnell zu erfassen, wo es „spannend“ wird, und was (in meiner Rolle) unwichtige Dinge sind, die man einfach nur kurz optisch erfasst, dann hätte man keine Chance in der Zeit durch zu kommen. Und da das alles andere als literarisch interessante und bedeutende Texte sind, erleidet man da sicherlich keinerlei Nachteil für die Fortentwicklung der eigenen Sprache.