Hallo Thomas,
in WWV und schon vorher in der Diss. charakterisiert Sch. den
intellig. Charakter als außerhalb der Zeit liegend, als Ding
an sich. Der empirische Charakter ist daher unfrei, der
intelligible frei.
Ok; da hatte ich Dein knappes Ausgangsposting nur missverstanden.
Der intellible Charakter wird durch
Induktion erkannt, ist aber selbst nie Objekt.
… weshalb er eben auch nie als solcher erkannt wird, es sei denn als empirischer intelligibler Charakter.
die Vorgehensweise Schopenhauers nennt man „induktive
Metaphysik“, wie man sie auch später bei Lotze etc. findet:
Von Erscheinungen wird auf deren Grund geschlossen.
Soweit ich die induktive Metaphysik bei Lotze, Fechner, etc. kenne, geht es dort darum, aus beobachtbaren Aussagen (deren Geltung auf Induktionsschlüssen ruht) metaphysische Aussagen „herzuleiten“; dieses Herleiten hat natürlich nichts mit Induktion zu tun, sondern mit Analogisierung, Probabilismen, etc. Ein solches Vorgehen erkenne ich bei Schopenhauer nicht, weil bei ihm klar ist, dass wenn „von Erscheinungen auf deren Grund geschlossen wird“, dieser Grund der Grund der Erscheinung ist, und das im doppelten Sinne; der Grund also selbst nur Erscheinung ist, erscheinender Grund.
Die von Dir angeführte Schopenhauersche „Begründung“ halte ich
nun also nicht für „empirischer“ als die Kantsche Trennung von
Ding an sich und Erscheinung.
Das verstehe ich nicht ganz. Worauf beziehst du dich?
Schopenhauers Begründung ist nicht empirisch.
Da habe ich Dich auch missverstanden. Ich wollte damit auch nur ausdrücken, dass Schopenhauers Willensfreiheitsproblem eben genau der Kantschen Leitlinie von Ding an sich/Erscheinung entlang strukturiert ist.
Um aber noch einmal auf Schopenhauer zurückzukommen: Seine
Verlagerung des Dinges an sich auf den (freien und wilden)
Willen ist die eigentlich Crux aus meiner Sicht, jedenfalls in
Bezug auf die Problematik der Willensfreiheit.
Stimme ich völlig zu, wobei ich diese Crux nicht nur in Bezug auf die Willensfreiheit sehen würde (übigens ist „frei“ und „wild“ natürlich zu viel ausgesagt über den Willen; er ist ja nicht frei i.S. von nicht-notwendig, sondern frei i.S. von nicht-notwendig/frei)
Ich bin
übrigens weit davon entfernt, den freien Willen für beweisbar
zu halten.
Schopenhauer hat ja gerade die Unbeweisbarkeit der Freiheit des Willens gezeigt, ohne dabei aber zugleich dessen Unfreiheit beweisen zu wollen
Schopenhauer hat insofern Recht, als er das Tun im
Rahmen des Wollens für frei hält, das Wollen selbst (im
empirischen Sinn) aber nicht. Daraus folgt aber gerade bei ihm
eigentlich, dass auch der intelligible Charakter unfrei sein
müsste, was er aber ja bestreitet (s. o.). Denn wenn schon der
Wille bloß induktiv erkannt wird, dann natürlich dessen
Freiheit sowieso. Oder siehst du das anders?
Hier verstehe ich Deinen leider Punkt nicht ganz. Sehr knapp gesagt: Schopenhauer erkennt die Unfreiheit des (erscheinenden) Willens in dessen Unterworfenheit unter den Satz vom Grunde (=Erscheinung); die Schlußfolgerung, dass der Wille (an sich) frei wäre, ergibt sich aus der Erkenntnis, dass dieser dem Satz vom Grunde nicht unterworfen ist, damit aber „frei“ ist im Sinne von non-frei/notwendig, nicht im Sinne von non-notwendig. (der Gegenbegriff ist also das entscheidende)
Wenn Du sagst, dass eigentlich der intelligible Charakter unfrei sein müsse, dann wäre dies aus meiner Sicht richtig, wenn Schopenhauer tatsächlich an dieser Stelle induktive Metaphysik à la Lotze, etc. betrieben hätte; darum geht es meines Erachtens hier aber nicht.
Viele Grüße
franz
P.S. Ich vermute stark, dass unser Dissens hier in erster Linie meinem Missverstehen Deines Ausgangspostings geschuldet war/ist