Hallo Viktor!
Du bist mit keiner Silbe darauf eingegangen, was ich zu den beiden Formalismen gesagt habe. Es ist nicht so, dass der eine richtig ist und der andere falsch, sondern beide sind äquivalent. Ich habe einen anderen Formalismus gewählt als Du. Als Du in diesem Thread zum ersten Mal Deine Rechnung dargelegt hast, wurde mir das erst klar. Du hast Dich aber noch nicht darauf eingelassen.
Es geht hier nur um das System, und seine Kräfte darauf.
Das Bezugssystem (nicht das Stabsystem) ist eben hier
durch die Fixpunkte Wand und Boden
definiert.
Es gilt grundsätzlich:frowning:wir befinden uns auf der Erde)
Die Kräfte im System werden nie definiert durch
m*g sondern immer
durch m*(g-a), wobei ax und ay die Beschleunigungen des System
auf das Bezugssystem sind.
Kräfte sind definiert durch die Grundgleichung der Mechanik von Sir Isaac Newton:
F = ma
Da beißt die Maus keinen Faden ab!
Die Formel F = m*(g-a), die Du verwendest, kommt aus einer anderen Ecke, und zwar von
Fres = ΣFi + G + ΣZi = ma
= ΣFi + G + ΣZi - ma = 0
= ΣFi + ΣZi + m(g-a) = 0
(Fres: resultierende Kraft, Fi: äußere Kräfte, Zi: Zwangskräfte, G: Gewichtskraft. Alle Kräfte sind als Vektoren zu verstehen)
Wie Du siehst, wurde hier formal die Wirkung der Kraft (ma) auf die andere Seite des Gleichheitszeichens geschoben und dann wegen gleichem Vorfaktor mit der Gewichtskraft zusammengefasst.
Mathematisch darf man das tun, und es ist durchaus nicht unüblich (deswegen mein Hinweis auf d’Allembert), aber physikalisch bedeutet das, dass man -ma zu den Komponenten des Kräftegleichgewichts hinzunimmt. Man „erfindet“ also eine Kraft F* = -ma, so dass man trotzdem formal den Fall eines Kräftegleichgewichts herstellt. Diese Kraft hat keine Ursache! Es ist die Scheinkraft oder Trägheitskraft, die man sich durch die Wahl des Bezugssystems einhandelt. Wenn Du jetzt alles brav für den freien Fall durchrechnest, kommst Du nämlich zu a=g=0. Wir befinden uns also im frei fallenden Bezugssystem.
Zurück zur rutschenden Leiter…
Wie gesagt: Das kann man alles machen, das ist nicht falsch, aber ich habe es anders gemacht, und dadurch dass ich einen anderen (nach meinem Geschmack intuitiveren) Lösungsweg eingeschlagen habe, ist das nicht falsch. Ich habe ma auf der rechten Seite des Gleichheitszeichen stehen lassen und einfach die linke Seite untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Vektorsumme der äußeren Kräfte, der Gewichtskraft und der Zwangskräfte nicht verschwinden kann. Folglich ist a im Bezugssystem der ruhenden Wand und des ruhenden Bodens ungleich Null.
Das von Dir gewählte Bezugssystem ist kein
Inertialsystem.
Egal wie Du das nennst - es ist da.
Das ist nicht eine Frage der Nomenklatur. In Deinem Bezugssystem gibt es Trägheitskräfte, in meinem nicht. Deswegen sehen die Lösungswege so unterschiedlich aus. Du willst mich zwingen, auch in meinem Bezugssystem Trägheitskräfte einzurechnen, aber das wäre (in meinem Bezugsystem!) falsch.
Die
Leiter kann nicht stehen bleiben, weil sich kein
Kräftegleichgewicht einstellen kann.
Nur hast Du dies nicht dokumentiert.
In meinem ersten Posting, bevor Du Dich in die Diskussion eingeschaltet hast, schrieb ich:
„Damit die Leiter stehen bleibt, muss in x-Richtung und in y-Richtung jeweils Kräftegleichgewicht herrschen: […] Da [die Bodenreibung]=0 (laut Deiner Fragestellung), lassen sich diese Bedingungen nur erfüllen für [horizontale Wandkraft] = 0. Das ist dann und nur dann der Fall, wenn die Leiter senkrecht steht.“
In anderen Worten: Nur wenn die Leiter senkrecht steht, kann ein Kräftegleichgewicht herrschen. Sonst nicht, also rutscht die Leiter weg.
Wie Du siehst, sagte ich dies von Anfang an.
Für die Horizontalkräfte am System hast Du behauptet, daß die
Wandkraft Wh vom Boden Bh nicht kompensiert wird und deshalb
das System sich bewegt.Also Summe H nicht 0.
Diese Dokumentation war falsch, da am System immer Summe H=0
ist.
… wenn man (in Deiner Schreibweise!) die Trägheitskräfte mit einbezieht. Im wesentlichen sagst Du ja nur: Es gibt Trägheitskräfte, weil die Leiter beschleunigt wird. Ich sage hingegen: Die Leiter wird beschleunigt, denn (in dem Bezugssystem, in dem es keine Trägheitskräfte gibt) herrscht kein Kräftegleichgewicht. Diese beiden Aussagen sind äquivalent.
Es ist also kein Argument für oder gegen eine Systembewegung.
Für die Vertikalkräfte hast Du Bv=m*g angesetzt, was nur im
statisch ruhenden Zustand zutrifft.
Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass ich einen solchen statisch ruhenden Zustand nur probeweise angenommen habe, um zu zeigen, dass er physikalisch unmöglich ist. Das sage ich nicht zum ersten Mal, aber viellicht höhlt der stete Tropfen ja den Stein…
Nur beweist Kh=-Wh allein nicht, daß das System ruht. Es muß
auch
noch Momentengleichgewicht herrschen.
Das ist richtig und ich hatte es ebenfalls in meinem allerersten Posting als Fußnote eingeräumt. Allerdings war meine Argumentation nicht, dass ein System ruht, wenn es im Kräftegleichgewicht ist, sondern dass es nicht ruht, wenn es nicht im Kräftegleichgewicht ist. Das sind so Nuancen…
Du hast weder verbal noch vom Kraftvergleich her irgend etwas
belegt.
Doch, und Du verstehst das auch, wenn Du Dich mal bereitwillig auf die von mir verwendete Schreibweise einlässt. (Nur deswegen habe ich so ausführlich den Unterschied zwischen unseren beiden Formalismen erklärt).
Es ist also grundsätzlich falsch, an einem sich
beschleunigenden
System, egal wodurch dies Beschleunigung bewirkt wird, eine
„Kraft“
einzubringen, welche durch m*g definiert ist.
Erstens ist es nicht falsch, sondern - wie inzwischen deutlich sein sollte - nur eine andere (und wie ich meine anschaulichere und verbreitetere) Herangehensweise. Zweitens (nun zum 147. Mal): Ich habe probeweise den statischen Fall untersucht, um zu zeigen, dass er unmöglich ist. In dem von mir untersuchten Fall wäre die Beschleunigung gleich Null, wenn es ihn gäbe.
Ich weiß nicht ob Du jetzt das Prinzip verstanden hast - ist
nicht
zynisch gemeint - sondern weil ich dies in meinen erläuternden
Beispielen (im anderen Thread) auch so eingebracht habe und Du
da „Kopfschüttel“ demonstriert hast.
Du hast im anderen Thread keine Rechenwege gezeigt. Deswegen ging ich fälschlich und stillschweigend davon aus, dass Du denselben Formalismus verwendest wie ich. In diesem gibt es keine Trägheitskräfte. Deswegen hatte ich Dich mehrmals, immer deutlicher werdend dazu gedrängt, endlich Farbe zu bekennen und die Kräfte zu benennen, die es nach meinem Formalismus gar nicht gibt (weil es Scheinkräfte sind).
Glaub mir: Ich habe das Prinzip verstanden und zwar auf beide verschiedene Wege. Deswegen bin ich - wie Dir vielleicht nicht entgangen ist - inzwischen viel entspannter und versuche Dir nach Kräften Brücken zu bauen, damit Du meine, äquivalente Sichtweise auch nachvollziehen kannst, so dass endlich Frieden herrscht.
Die nach „oben“ gerichtete Beschleunigungskraft (s.oben)
entsteht
durch die Wechselwirkung von System und Masse.
Ich weiß schon, wo die Trägheitskräfte herkommen, aber sie haben keine Reactio. Das dritte Newtonsche Axiom verlangt aber, dass zu jeder Actio auch eine Reactio gehört. Das belegt, dass die Kraft (F* = -ma) eine Scheinkraft ist, die keine reale Ursache hat, sondern nur formal dadurch entstanden ist, dass man ein Nicht-Inertialsystem aufgesucht hat. Es ist die gleiche „Kraft“, die einen bei der Vollbremsung in die Sicherheitsgurte presst.
Was soll ich denken über Dein „Verständnis“ wenn Du dies noch
hinterfragst ?
Du missverstehst mich: Ich hinterfrage gar nichts. Mir ist die Fragestellung klar. Mir ist die Lösung klar (und war es von Anfang an). Mir ist inzwischen Deine Herangehensweise klar. Ich halte sie ausdrücklich für richtig. Mir ist auch klar, warum sich unsere Lösungswege unterscheiden, nicht aber unsere Ergebnisse. (Ich gebe zu, dass Deines ausführlicher für die Bewegung des Gesamtsystems ist; für die Beantwortung der Ausgangsfrage ist aber auch meine Lösung vollkommen vollständig). Und schließlich ist mir klar, wie es zu den Missverständnissen im anderen Thread gekommen ist.
Für mich bleiben keine Fragen offen.
Dies war eines der längsten Postings, die ich je geschrieben habe, und ich möchte Dich bitten, es sorgfältig und ausführlich zu lesen. Wenn Du etwas nicht verstehst, kannst Du gerne nachfragen. Danach sollten sich aber auch bei Dir die Wolken gelichtet haben und Du solltest in der Lage sein, meinen Lösungsweg nachzuvollziehen. Vielleicht siehst Du dann auch ein, dass alles gar nicht so schlimm ist, und bringst ein wenig Verständnis für mein energisches Auftreten auf (Bei Dir hatte es nämlich ganz genau den selben Grund wie bei mir: Du bist fälschlich davon ausgegangen, dass ich denselben Formalismus verwenden würde wie Du).
Mit freundlichem Gruß,
Michael