Hi Maximilian,
Ich würde als Einstieg ein wenig über die normale Situation der
Salonmusik im 19. Jh. (speziell die 2. Hälfte) erzählen:
Jede gutbürgerliche deutsche Wohnung oder Haus hatte einen Salon
vorzuweisen, für Empfänge usw. In Deutschland und Österreich kam das
erst in der 2. Hälfte so richtig in Mode, wurde von der frz. und
engl. Adelstradition abgeschaut. Die Adligen hatten v.a. in der 1.
Hälfte des 19. Jh. für Empfänge einen Salon. Die Gesellschaften, die
dort gegeben wurden, hießen ebenfalls „Salon“.
Die Adligen und reiche Bürger luden in diese Salons immer berühmte
oder vielversprechende Künstler, meistens Pianisten, aber auch
Harfenisten, Violinisten usw.
in diesem Sinne war der künstlerische Vortrag eine Art Konzert. Den
Nutzen davon hatten sowohl die Adligen (über deren ach so
berauschende Veranstaltung noch lange gesprochen wurde), wie auch der
Künstler, der in den Salons Schüler anwerben, und zu seinen nächsten
Konzerten einladen konnte.
(Künstler, die durch die Salonkultur berühmt wurden, waren z.B. Franz
Liszt (als „Wunderkind“) und Frederic Chopin.)
In Deutschland in der 2. Hälfte des 19.Jh. hatte der Adel weniger zu
sagen, und war auch nicht mehr so reich. Die vermögenden, und
allmählich auch die weniger vermögenden Bürger leisteten sich
ebenfalls Salons, aber sie konnten sich nicht unbedingt renommierte
Künstler leisten. Es bildete sich eine neue Kultur heraus: Die
klavierspielenden Frauen.
Das Klavierspiel war jetzt weniger ein Konzert, als vielmehr
Unterhaltung (man unterhielt sich dabei ruhig weiter), und diente den
jungen, unverheirateten Damen des Hauses außerdem dazu, auf ihre
Qualitäten hinzuweisen.
(Eine Frau galt ja als gute Partie, wenn sie vermögend und gebildet
war. Dass die Familie nicht arm war, wurde daran gezeigt, dass sie
der Tochter Klavierunterricht angedeihen ließen. Und zur weiblichen
Bildung zählten Handarbeit, Fremdsprachen und die Künste, also malen
und musizieren).
Waren die Frauen erst einmal verheiratet, spielten sie kaum noch -
der Sinn und Zweck war ja erfüllt.
Die Literatur, die diese Frauen spielten, war sehr kitschig, ist
heute kaum noch erhalten (da nicht unbedingt wertvoll), und hatte so
klangvolle Namen wie „Träumerei“, „Sektlaune“, „Gebet einer
Jungfrau“.
Reichere Bürger luden aber trotzdem Künstler ein. Schumann, Clara
Schumann, Brahms usw. spielten alle ab und an in Salons, waren jedoch
nicht so vollkommene „Salon-Profis“ wie Chopin und Liszt. Auch, weil
es mittlerweile mehr öffentliche Konzerthäuser gab, als in der ersten
Hälfte des 19. Jh.
Und nun zu Schubert:
Schubert hatte mit dieser Art Salons, die sonst im deutschen und
österreichischen Bürgertum vorkam, zwar Kontakt, sonderte sich aber
doch ein wenig ab davon.
Er hatte seine eigenen Salons, die von seinen Freunden verantstaltet
wurden (die einfach mehr Geld für sowas übrig hatten als Schubert
selber (als freier Musiker, wie Schubert einer war, verdient man halt
nicht viel).
Diese Salons hießen „Schubertiaden“ und fanden regelmäßig in dem
Hause eines von Schuberts Freunden statt. Dabei spielte Schubert viel
eigene Kompositionen, und v.a. viele Lieder für Gesang und Klavier
wurden vorgetragen, es war gleichzeitig eine Kammermusikprobe, wie
auch ein Konzert.
Schubert hatte einen großen und illustren Freundeskreis, viele
Künstler. Nur ein paar Namen: Josef von Spaun (Dichter), Moritz von
Schwind (Maler), Johannes Mayrhofer (Dichter). Die brachten alle
immer neue Kunstbegeisterte mit, und so wurden es richtige Konzerte.
Heute finden in österreich immer noch diese „Schubertiaden“ statt,
natürlich in größerem und anonymeren Konzert-Rahmen.
Zur (künstlerisch anspruchsvollen) Salon-Literatur (im Vergleich zu
dem Kitsch für die „höheren Töchter“): Die Stücke, die vorgetragen
wurden, waren alle eher kurz. Die Klavierstücke der Klassik sind
meistens 3-4sätzige Sonaten, bei den Komponisten des 19. Jh. findet
man das immer weniger. Dafür eben jene kürzeren Stücke, die alle sehr
poetische Titel haben (Schumanns „Kinderszenen“ sind sehr typisch
dafür, auch Liszts Etüden), und sind vergleichsweise unterhaltsam,
regen (auch durch die Titel) die Phantasie des Zuhörers an, während
Mozart-Sonaten beispielsweise eher eine Zelebration dessen waren, was
man mit Mozarts tollen Einfällen alles aus der Form „Sonate“
rausholen kann.
Internet-Literatur wüsste ich jetzt keine, aber es lohnt sich sicher
mal, zu lesen: Peter Härtling: Schubert.
Das ist ein Roman, keine reine Biografie.
Liebe Grüße
Judith