Schuldfrage: Unfall auf Parkplatz

Hallo!

Auf einem Supermarktparkplatz parke ich gerade rückwärts ein. Da daneben der frequentierte Fahrradständer ist, recht vorsichtig und langsam. Ich hatte daher v.a. die rechte Seite im Blick, auf zwei Seiten gleichzeitig lässt sich schwer schauen.

In dem Moment fährt offenbar von links hinten kommend (das ist für mich an der Stelle ziemlich verdeckt durch das ganze Grünzeugs) ein Auto in meinen „Einparkhalbkreis“, so dass ich den dann vorne links noch leicht touchiere.
Als ich den Parkvorgang gestartet habe, war er aber mit Sicherheit noch nicht da gestanden. Danach habe ich ihn schlicht und einfach in den Spiegeln nicht gesehen.

Wie ist da denn die Schuldfrage?° Klar, ich bin ihm wohl reingefahren, nicht er mir. Andererseits denke ich mir, dass der Unfallgegner auf einem Parkplatz doch nun wirklich mit einparkenden Autos rechnen muss, und deshalb eine erhöhte Sorgfaltspflicht hat. Zumal er aus seiner Perspektive die Situation sehr geht überblicken konnte.

° Meine Versicherung hat das geregelt ohne mir Näheres mitzuteilen. Auch die SF-Klasse blieb unverändert, wohl weil der Schaden so gering war.

Reine Interessensfrage von mir. Ist ja schon lange rum ums Eck.

Gruß
F.

Hallo!

Du verlangst also vom anderen eine „höhere Aufmerksamkeit“ als Du sie selbst gewähren kannst ?
Nein, umgekehrt. Du fährst rückwärts und setzt damit eine (höhere) Gefahr und musst entsprechend umsichtig handeln (notfalls einweisen lassen oder sogar den Vorgang ganz aufgeben !)

Grundsätzlich sprichst Du auf den § 1 der StVO an der „gegenseitige Rücksichtnahme“ verlangt. Das ist sicher richtig, auch andere müssen bei erkennbarem Fehlverhalten ihr Vorhaben ggf. abbrechen eben damit es nicht zum Zusammenstoß kommt.

Ob nun ein hälftige Haftung heraus käme ? Aus meiner Sicht hätte immer noch der Rückwärtsfahrer mehr „Schuld“, eben weil er ein per se gefährliches Manöver beginnt was nur bei eindeutiger Sicht usw. beginnen und durchgeführt werden darf.

Sei froh, das Du nicht zurückgestuft wurdest. Es wird m.E. weniger an der Schadenshöhe sondern mehr an deinem (hohen) SF-Rabatt liegen.
Stichwort „Rabattretter“.

MfG
duck313

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Das ist eben mein Grund zur Frage gewesen: Auf einem Supermarktplatz kann man mehr oder minder gar nicht anders, denn rückwärts fahren und damit eine Gefahrensituation heraufbeschwören.
Ich frage mich halt, ob auf Parkplätzen der andere nicht selbst einer erhöhten Sorgfalts- oder Aufmerksamkeitspflicht unterliegt, weil er er wissen kann und muss, dass hier durch die unvermeidlichen Ein- und Ausparkvorgängen gehäuft solche Gefahrensituatioen auftreten.

Ok

Gruß
F.

Wahrscheinlich hat der andere Fahrer genau wie Du in dem Moment andere Dinge im Auge - z.B. einen freien Parkplatz, ein Kind mit Einkaufswagen ganz nah am eigenen Auto oder eine Blondine mit kurzem Rock. So oder so hätte der Unfall auch durch den anderen Fahrer vermieden werden können (z.B. durch Zurücksetzen oder Betätigung des Signalhorns), was uns zu dem hier führt:

" Wer ein Fahrzeug führt, muss die nötigen Maßnahmen treffen, um Unfälle oder Verkehrsstörungen zu vermeiden (…)" (§ 14 Abs. 2 StVO). Aber - da beißt die Maus keinen Faden ab - liegt die Hauptschuld unzweifelhaft bei Dir, denn für Rückwärtsfahrer hat der Gesetzgeber § 9 Abs. 5 StVO geschaffen:
„(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.“

Mit anderen Worten: wenn es beim Rückwärtsfahren kracht, hat praktisch immer der Rückwärtsfahrer die Hauptschuld (außer natürlich, vorne fährt einer aktiv in die Karre rein). Man hätte sich ja einweisen lassen können.

Gruß
C.

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Ok.
Ist es dann auch irrelevant, dass es nicht beispielsweise beim Parken an der Straße geschehen ist, sondern eben auf einem gekennzeichneten Parkplatz, auf dem diese Art der Gefahrensituation nicht Ausnahme-, sondern Regelfall ist?

Gruß
F.

Der große Manitou sagt:
Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

Kurzfassung:
Wenn man dem Unfallgegner keinen heftigen Verstoß nachweisen kann, bekommt der Rückwärtsfahrer immer die Schuld.

EDIT 16.11.19 15:41Uhr:
Heute morgen habe ich einen Artikel gelesen, der meine Meinung korrigiert. Demnach gibt es auf Parkplätzen tatsächlich eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht für alle und nur aus der Tatsache des Rückwärtsfahrens alleine ergibt sich keine 100%-Schuld.

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ich hatte mal selber einen Unfall auf einem Parkplatz. Mein Anwalt für Verkehrsrecht teilte mir mit, dass ich eine Teilschuld immer auf einem Parkplatz von einem 1/3 habe, da von einem fahrenden Auto unter diesen Bedingungen IMMER eine Gefährdung ausginge

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Danke!
Das ist eine sehr interessante Information.

Gruß
F.

Das ist Unsinn, wie dir schon die Logik und der zweite Satzteil sagen sollten:

Fährt jedes Auto auf einem Parkplatz?

Und, weiter Möglichkeiten ausgedacht:

  • fährt jedes Auto vorwärts?
  • fährt jedes Auto langsam?
  • ist jeder Autofahrer aufmerksam?
  • ist jeder Richter gleich?

Entweder hat der Anwalt Unsinn erzählt oder du hast ihn falsch verstanden oder du unterschlägst, dass es bei seiner Äußerung nur um bestimmte Fälle ging.

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Sehr oft wird Schuld mit Haftung, die v.a. alleinig aus der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges entsteht, verwechselt.
Das ist leider ein gravierender Unterschied.

Das ist in dieser Pauschalität und Höhe falsch.

Richtig ist, dass auf Parkplätzen kein normaler Straßenverkehr gilt und viele Regeln der StVO bestenfalls in Auslegung anwendbar sind.

So zum Beispiel das Rückwärtsfahren mit der besonderen Gefahrneigung und Vorsicht. Dieses Gebot solle vor allem den fließenden Verkehr schützen, auf Parkflächen findet der aber kaum statt. Da hat man meist nur einen breiten Fahrweg, von dem links und rechts die Rangier- und Parkflächen abzweigen. Wenn der Fahrweg Straßencharakter hat, hat der übrigens Vorrang vor den Einmündungen der Rangierwege. Rechts-vor-Links gilt nur bei Straßenkreuzungen - diese gibt es auf kaum einen Parkplatz. Die von Gerichten als angemessen betrachtete Geschwindigkeit ist übrigens die Schrittgeschwindigkeit. Ein 45km/h Fahrender bekam die volle Schuld, als er einen rückwärts setzenden PKW rammte.

Die Haftungsquote (nicht Schuld!) aus der Gefährdungshaftung wird bei 20-25% liegen. Alles weitere wird dann nach der Höhe des individuellen Verschuldens aufgeteilt.

Ich habe da heute morgen einen sehr ausführlichen Artikel eines auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalts gelesen, den ich jetzt nicht mehr finde.
Ich suche aber nochmal!

EDIT: Gefunden! Wie doch eine minimale Änderung der Suchbegriffe wirken kann!

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Danke euch allen Beitragenden für die vielen Informationen!

Hier aus deinem Link speziell für meine Fragestellung:
Die gesteigerten Sorgfaltspflichten aus § 9 StVO beim Rückwärtsfahren gelten erneut nur gegenüber dem fließenden Verkehr. Klassisch ist das rückwärts Ausparken. Es muss auch hier geprüft werden, ob der querende rückwärtige Verkehr Straßencharakter hat. Das Rückwärtsfahren an sich ist besonders gefahrenträchtig. Demnach erhöht sich in aller Regel die Betriebsgefahr des rückwärts Ausparkenden gegenüber dem hinter ihm querenden Verkehr.
Zumeist kommt es zu einer Mithaftung des dahinter querenden Verkehrs aus einfacher Betriebsgefahr in Höhe von zirka 20 bis 25 Prozent.

Gruß
F.