Schulrecht NRW, rechtliche Lage bei möglichem Täuschungsversuch

Guten Tag,
ich bitte Sie um Beurteilung folgenden Sachverhaltes.

Schüler A bereitet sich folgendermaßen auf eine Klassenklausur im Fach Latein vor:
Lehrer L gibt vor der Klassenarbeit bekannt, dass der in der Arbeit zu bearbeitende Text eine der Philippinischen Reden sein wird.
A lernt daraufhin zwei der Reden auswendig, bei denen er glaubt, sie können am ehesten in der Klassenarbeit vorkommen.

A hat auch Glück und einer des auswendig gelernten Reden ist Text der Klausur.
Daraufhin schreibt A eine fehlerfreie Arbeit. L verdächtigt A der Täuschung; der einzige Anhaltspunkt dafür ist, dass Übersetzungen, die in der auswendig gelernten Lösung vorkamen nicht im Unterricht behandelt wurden.
A gibt auch zu die Lösung gefunden und auswendig gelernt zu haben.

L ist daraufhin der Meinung, dass A dennoch bei der Klausur getäuscht hat, eben indem A die Übersetzung auswendig gelernt hat, schließlich sei die Übersetzung an sich, auf die es bei der Klausur gerade ankam nicht die eigene Leistung des Schülers, sondern eben eine fremde - auch wenn der Schüler in der Klausur weder einen Spickzettel, noch ein Handy zur Recherche der Lösung parat hatte.

Zudem ist L der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit, A habe zufällig gerade die gefragte Rede von mehreren möglichen auswendig gelernt so gering sei, dass damit eine Täuschung so gut wie nachgewiesen sei.

Die Fragen, die sich nun ergeben sind folgende:

I. Angenommen, A sagt die Wahrheit und hat die oben genannte Rede auswendig gelernt und das gelernte ohne weitere Hilfsmittel in der Klausur geschrieben: Begründet das bereits einen Täuschungsversuch im Sinne des Schulrechtes des Landes NRW?

II. Reicht bereits die Annahme, die Wahrscheinlichkeit zufällig die richtige Rede auswendig gelernt zu haben sei sehr gering, als Nachweis für den Täuschungsversuch im Sinne des Schulrechtes des Landes NRW?

Ich Danke schon jetzt für Ihre Antworten und hoffe auf einen angeregten Austausch der möglichen Positionen,
Mit freundlichen Grüßen.

Hi, ich bin kein Anwalt, dies stellt keine Rechtsberatung, sondern nur meine persönliche Meinung/Einschätzung dar:

Ad I: Nein, denn Prüfungen unterliegen dem Gebot der Chancengleichheit. Wenn der Lehrer zur Klausurvorbereitung angesagt hat, welche Themen (hier speziell eine Auswahl von Reden in der Übersetzung) in der Klausur abgeprüft werden, hätte jeder Schüler diese zur Vorbereitung auswendig lernen können.
Wurden keine unerlaubten Hilfsmittel verwendet wie etwa Spickzettel o.ä., liegt kein Täuschungsversuch vor. komplett Auswendig lernen ist legitim, wenn auch nicht persönlich zielführend.
Ad II: Ebenfalls nein. Und zur Not kann der Schüler das ja nachweisen, indem er die auswendig gelernte Rede einfach aufsagt… Am besten in Anwesenheit des Fachbereichsleiters oder ggf. der Schulleitung.

Hier muss sich der Lehrer an die eigene Nase fassen, dass er nicht eine Klausur konzipiert hat, die eben zweifelsfrei die Kompetenzen abprüft, die zu erlernen waren ohne, dass ein derartiges „workaround“ möglich ist. Zur Not durch einen selbst erstellten Text…

Grüße,
Grünblatt

Dazu wäre die Definition eines „unerlaubten Hilfsmittels“ zu bestimmen. Das Gedächtnis kann es nicht sein, da ohne Gedächtnis keinem Schüler das Ablegen einer Prüfung möglich wäre… Ich hatte auch mal den Fall, daß eine Lateinlehrerin im Vorfeld zuviel über den drankommenden Text sagte. Ich fand die entsprechende Stelle, bereitete mich gezielt drauf vor und gab sie auch an zwei Freunde weiter. Außer daß die Dame ihre Schllüsse für spätere Klausuren zog passierte nichts weiter als eine 1 zu bekommen.

Hallo!

Auch ich kann dir keine rechtliche Antwort geben.

Allerdings bewegt sich der Lehrer an einigen Stellen auf ganz dünnem Eis.

Wenn ich den Lehrer richtig verstehe, dürfen die Schüler also nicht zu Hause üben, denn dann würden sie ja Dinge außerhalb des Unterrichts lernen. Es bringt mich immer wieder in Rage, wenn Schüler sagen „Das hatten wir nicht, das kann ich nicht“. Wenn Lehrer das unterstützen, frage ich mich, wie die durchs Studium kamen.

Was will er daran denn zugeben? Er hat nicht die Lösung gefunden, sondern irgendeinen Text gelernt, von dem er glaubte, daß das der dran kommen könnte. Daß es tatsächlich so war, war reiner Zufall.
Hätte er sich auf den Rechner des Lehrers gehackt, und von dort die Klausur kopiert, DANN hätte er etwas verbrochen, was er zugeben könnte.

Naja, es stimmt schon, daß der Schüler den Text nicht wie vorgesehen selbst übersetzt hat. Daß das dem Lehrer gegen den Strich geht, ist auch klar.
Allerdings ist es bei den lateinischen Werken völlig normal, daß man ne deutsche Übersetzung dazu hat, und wenn man sich eingehend mit einigen Kapiteln darin auseinandergesetzt hat, dann bekommt man es hin, selbst eine Übersetzung zu schreiben, die extrem nahe an der anderen ist. Dazu muß man den Text nicht mal auswendig gelernt haben.

Es gibt… 14 Philippinische Reden. Die Texte sind nicht ganz so kurz, aber auch nicht so lang, daß man sich nicht ausgiebig mit ihnen befassen könnte.
Wenn man zufällig zwei Reden lernt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß eine davon dran kommt, 14,3%. Wer das als zu gering empfindet, der hat noch kein Mensch ärgere dich gespielt, denn die Chance auf ne bestimmte Augenzahl ist mit 16,7% nicht viel höher.
Dazu kommt, daß man - wir du auch schreibst - häufig schon eine Idee hat, welche Rede denn dran kommen könnte, und damit steigen die Chancen, die richtige zu lernen, drastisch an.

Übrigens, wir haben damals Cäsars Bello Gallico in Latein gelesen. Den gibt es als Reclam-Büchlein mit 648 Seiten, jeweils links Latein, rechts Deutsch. Und natürlich hatten das alle.
Für die Klausuren bekamen wir meistens eine Liste mit Vokabeln, die wir lernen sollten (zu Hause! Auswendig!!1!!ELF!), und natürlich hat man auch das Reclam-Büchlein nach Passagen mit diesen Vokabeln durchsucht, und meistens auch was gefunden.
Einmal hatten wir vor ner Klausur ne Freistunde, und ich habe mir das Büchlein geschnappt, irgendwo aufgeschlagen, und einfach mal zwei Seiten gelesen, dann aber wieder die Lust verloren. Wohlgemerkt, das war irgendeine beliebige Stelle im Buch. Und jetzt rate, was in der Klausur dran kam! Die Chance dafür liegen bei 0,15%! (Ausgehend davon, daß ein Abschnitt eine Doppelseite beansprucht, und dem Umfang einer Klausur entspricht.) DAS nenne ich mal so gut wie ausgeschlossen!

Die rechtliche Lage ist ganz einfach: es gibt genau gar keine Täuschung und erst recht keinerlei Beweis dafür. Da kann sich der Lehrer auf den kopf stellen und mit den Füssen wackeln, da wird ihme NIEMAND in irgendeiner Weise auch nur ein wenig Recht geben. Kein Direktro, kein Schulamt, schon gar kein Richter.

Aber: 50% der Note besteht aus purer Laberei, also persönlichen Gefühlen des Lehrers. Also hübsch langsam mit den jungen Pferden, den Ball flach halten und so mit diesem Menschen umgehen, dass er nicht das Gesicht verliert. Er ist als Lehrer nicht geeignet, aber das darf man ihm natürlich nicht sagen. Er ist im Unrecht, das muss man ihm sagen - aber vorsichtig und einfühlsam und in einem Gespräch möglichst ohne unabhängige Zeugen. Wenn das gut klappt, kann man sogar Kapital draus schlagen. Wenn nicht, macht man sich einen Feind für den Rest der Schulzeit.
Gruß
anf