Hallo Leseratten,
ich habe gerade das oben zitierte Buch mit gemischten Gefühlen gelesen. Wie schon bei anderen Büchern von McEwan fesselt mich seine Fähigkeit, Situationen und Gefühle von Personen unerhört plastisch zu beschreiben und eine komplexe Geschichte spannend zu erzählen. Aber irgend wie wird diese Geschichte am Ende nicht rund, oder McEwan wollte hier zu viel.
Hat jemand das Buch auch gelesen? Oder andere von McEwan und kann von seinen Erfahrungenberichten?
ich hatte das gleiche Gefühl wie Du, obwohl McEwan neben T.C. Boyle mein Lieblingsautor ist und ich alles von ihm gelesen habe. Welche Bücher haben Dir von ihm am besten gefallen?
Meine Favoriten sind Liebeswahn, Erste Liebe Letzte Riten, Unschuldige und Abbitte. Wobei Der Trost von Fremden auch ziemlich gut ist.
Na das tröstet ja immerhin! Das letzte Kapitel müsste doch eigentlich die Fäden zusammenführen, statt dessen entstehen unter seinen genialen unerschöpflichen Schriftstellerfingern wieder lauter neue Geschichten, die vorangegangenen Kapitel überdecken.
Also ich hätte die (gut erzählten) Aktion-Geschichten von der Todesgefahr im Kampf gegen die Hunde und der perversen Vergewaltigung im Gestapo-Quartier nicht gebraucht, die Psychologie von Bernhard und June, die nciht zu einander finden, aber auch nicht von einander lassen können fand ich eigentlich viel interessanter!
Welche Bücher haben Dir von ihm am besten gefallen?
Ich habe sonst nur Abbitte verschlungen und war fasziniert, dass ein Buch mich für ein so ausgelatschtes Thema wie Kriegserlebnisse im 2. Weltkrieg fesseln konnte!
Auch da fand ich übrigens das letzte Kapitel zwar interessant, aber auch dies fiel ein wenig gegenüber den vorhergehenden ab. Aber vielleicht hängt das damit zusammen, das McEwans Weltbild offen ist (weit weg vom Märchenschema so vieler durchschnittlicher Romane, was mir realistisch scheint).
Würdest du auch Abbitte für sein bestes Buch bisher halten?
Meine Favoriten sind Liebeswahn, Erste Liebe Letzte Riten,
Unschuldige und Abbitte. Wobei Der Trost von Fremden auch
ziemlich gut ist.
Würdest du auch Abbitte für sein bestes Buch bisher halten?
Das läßt sich so nicht beantworten. Mit jedem Buch spricht er etwas anderes in mir an. Anders zum Beispiel als Milan Kundera, den ich zwar auch unheimlich gern lese, aber der trifft bei mir irgendwie immer den gleichen Punkt.
An Abbitte fand ich gut, dass er Egozentrik, Scham, Totalität, die Extreme und die Verwirrtheit der Jugend ganz gut schildert. Auch die Irgendwie-Auflösung des Konflikts zwischen den Schwestern ist für mich plausibel.
Bei Liebeswahn kommt man einem Stalker so nah, dass man ihm als Leser am liebsten eine reinhauen möchte. Wer von den Beteiligten ist der Wahnsinnige? Keiner der Charaktere bleibt im Dunkeln, man ist allen nah, kann sich in jeden hineinversetzen.
Erste Liebe Letzte Riten sind bisweilen bizarre, verstörende und abstoßende Liebesgeschichten, ich könnte mir vorstellen, dass das nicht jedem Leser gefällt.
Unschuldige ist eine äußerst fesselnde Geschichte aus dem Nachkriegs-Berlin, wie Grass sein Danzig beschreibt McE die Stadt, die Zeit, eine Schlägerei unheimlich plastisch.
Ebenso greifbar ist Venedig in Der Trost von Fremden. Aber im Gegensatz zu Liebeswahn werden die Charaktere hier nicht so klar beschrieben, der Leser konstruiert sich viel davon selbst. Gut, aber anders. Dafür wird die Handlung kontinuierlich beklemmender bis zum Show Down. Keine Längen, die eine Verschnaufpause verschaffen.
Wovon ich enttäuscht war: Amsterdam.
Berechenbare und vordergründige Charaktere und Handlung.
Aber hierfür hat er den Booker-Preis erhalten.
Deshalb solltest Du Dir von den Sachen ein eigenes Bild machen, ich habe Dir nur eilig zusammen geschrieben, was mir zu den Büchern einfiel. Ich bin aber nur Fan, kein Experte.
Schönes Lesen!
Andrea
P.S.: Ich freue mich auch immer über Empfehlungen.
Danke für die farbigen und klaren Anmerkungen! Das soetwas immer subjektiv ist, ist klar! Werde mir auch einmal die beiden anderen Autoren vornehmen, die du erwähntest.
Gruß!
Karl