Schwejk / Spannungen zwischen den Nationalitäten der k.u.k.-Monarchie

Hallo,

in den Abenteuern des braven Soldaten Schwejk kann man ja auch allerhand historisches über den ersten Weltkrieg erfahren. Was mir immer wieder auffällt, ist die Schilderung der verschiedenen Nationalitäten in dem Roman bzw. die Stellung der Hauptfiguren zu ihnen.

So macht sich beispielsweise in dem Sappeur Woditschka ein fast grenzenloser Hass auf die Magyaren deutlich. Konflikte zwischen Tschechen und Ungarn werden als selbstverständlich dargestellt. Die Deutschen stehen als priviligiert da. Sie werden in dem Roman als kriegsbegeistert geschildert, aber auch deswegen, weil sie offenbar besser versorgt werden. Die Tschechen selbst (Schwejk und alle Hauptfiguren sind Tschechen) werden meines Erachtens so dargestellt, als habe man sie ungewollt in den Krieg mit einbezogen. Es gibt Simulanten, Deserteure usw.

Was ist an diesen Darstellungen eigentlich dran?

Dann noch eine Verständnisfrage: Wie ist folgender Ausschnitt zu verstehen (aus dem Kaiptel „Schwejks Missgeschick im Zug“):

Am Nebentisch sagte ein Soldat, dass die Magyaren, als das tschechische 28. Regiment nach Szegedin gekommen sei, mit aufgehobenen Händen auf sie gezeigt hatten. Das war die heilige Wahrheit, aber der Sprecher fühlte sich durch das, was später eine gewöhnliche Erscheinung bei allen tschechischen Soldaten war und was die Magyaren schließlich selbst taten, als die Balgerei im Interesse des ungarischen Königs ihnen zu gefallen aufhörte, offenbar beleidigt.

Was genau bedeutet das „mit aufgehobenen Händen auf sie zeigen“?
Gruß
Ultra

Hallo,

zunächst einmal wäre zu sagen,das der Gefreite eigentlich ein Böhmer wäre…:smile:

Denn praktisch gesehen gab es damals ja keine Tschechei…sondern nur Österreich
-Böhmen/Mähren/Schlesien

Vor diesem Hintergrund muß man die ganze Geschichte sehen.

zunächst einmal wäre zu sagen,das der Gefreite

Schwejk ist gewöhnlicher Infanterist und kein Gefreiter.

eigentlich ein Böhmer wäre…:smile:

Denn praktisch gesehen gab es damals ja keine
Tschechei…sondern nur Österreich
-Böhmen/Mähren/Schlesien

Praktisch gesehen sprechen sowohl der Autor in seinen Schilderungen als auch die Hauptpersonen selbst von Tschechen. Böhmen wird vielleicht zur regionalen Abgrenzung der Handlungsorte verwendet. Konflikte zwischen Tschechen unterschiedlicher regionaler Herkunft kommen in dem Roman nicht vor, dagegen zum Beispiel gegenüber den Magyaren.

Ob du den Roman gelesen hast, will ich nicht thematisieren, aber vielleicht gibt es noch jemanden, der etwas zum Verhältnis der Nationalitäten der k.u.k.-Monarchie im ersten Weltkrieg sagen kann.

Hallo,

auch wenn es dir nicht gefällt,aber Tschechen waren dort früher einmal die Minderheit…
Böhmen,Mähren und das Sudetenland waren deutschprachige Regionen.

Wobei man aber immer „Zweisprachig“ war,da durch die verwandtschaftlichen Beziehungen
es keine „reinrassigen“ Familien gab.

Servus,

Böhmen, Mähren und das Sudetenland waren deutschprachige Regionen.

das waren sie zu Zeiten der Habsburgermonarchie nicht, und auch nach Ausrufung des „Protektorats“ März 1939 ist es nicht gelungen, deutschsprachige Regionen zu schaffen - man kann sich die Besiedlung in der genannten Gegend in etwa so vorstellen wie in Lothringen und Schlesien (und ein wenig früher in der Oberlausitz): Einzelne rein deutschsprachige und rein tschechischsprachige Dörfer, im übrigen deutschsprachige und tschechischsprachige Familien.

Es ist nicht nützlich und trägt nicht zum Verständnis bei, wenn man mit Kriterien des Nationalstaates - die auch dort, wo es Nationalstaaten gab, hie und da die Realität ziemlich gewaltsam zurechtbogen, vgl. „einheitliche“ Sprachen in Frankreich und Deutschland - die kakanische Monarchie beschreiben will, die eben kein Nationalstaat war.

Das Thema des österreichisch-ungarischen „Vielvölkerstaates“ spielt bei Schwejk durchgehend eine Rolle, weil es illustriert, wie die k.u.k Monarchie im Zeitalter der Nationalstaaten zu einem obsoleten Popanz degeneriert war. Welche der kakanischen Völkerschaften gegenüber welchen anderen welche Animositäten im Einzelnen (Krawotn, Batschaken, Tschuschn usw. usw.) hegten, ist dabei weniger wichtig.

Schöne Grüße

MM

Servus,

Böhmen, Mähren und das Sudetenland waren deutschprachige Regionen.

das waren sie zu Zeiten der Habsburgermonarchie nicht, und
auch nach Ausrufung des „Protektorats“ März 1939 ist es nicht
gelungen, deutschsprachige Regionen zu schaffen - man kann
sich die Besiedlung in der genannten Gegend in etwa so
vorstellen wie in Lothringen und Schlesien (und ein wenig
früher in der Oberlausitz):

Was man allerdings konstatieren muß, daß es zu einer Erneuerung und eigentlichen Wiederbegründung der tschechischen Schriftsprache erst im frühen 19. Jahrhundert durch das Wirken von Hanka und Jungmann kam, insbesondere durch das Wörterbuch des letzteren.