Schwerbehinderung und Kündigung

Liebe/-r Experte/-in,
Hallo, Sie hatten angegeben sich mit Arbeitsrecht eventuel auch mit Schwerbehinderung auszukennen. In diesem Zusammenhang hätte ich einmal eine Frage an Sie. Stellen Sie sich vor, ein Arbeitnehmer wird über eine Zeitarbeitsfirma (Arbeitnehmerüberlassung) eingestellt und er teilt seinen Arbeitgeber (Zeitarbeitsfirma und Entleihfirma) nicht mit, dass er Inhaber eines Schwerbehindertenausweises ist, da es für die auszuübende Arbeit nicht relevant ist. Der Arbeitnehmer arbeitet fast 2 Jahre ohne krankheitsbedingt auszufallen zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers (Zeitarbeitsfirma und Entleihfirma). Nach fast zwei Jahren wird die Auftragslage beim Entleiher knapper und der Arbeitnehmer wird betriebsbedingt gekündigt. Die Zeitarbeit hat aber keine vergleichbare Arbeit die sie dem Arbeitnehmer anbieten kann. Was könnte der schwerbehinderte Arbeitnehmer erreichen bzw. was ist möglich, wenn er der Zeitarbeitsfirma nach Erhalt der Kündigung seine Schwerbehinderung offenbart? Besitz der Arbeitnehmer trotzdem besonderen Kündigungsschutz? Könnte so ein Arbeitnehmer die Kündigung anfechten oder rückgängig machen? Müsste geprüft werden, ob nicht ein anderer Mitarbeiter die Firma verlassen müsste? Wie sollte könnte er vorgehen?

vielen Dank und viele Grüße aus Sachsen
Alx B

Guten Tag,
ein schwerbehinderter Arbeitnehmer besitzt einen besonderen Kündigungsschutz. Er muss seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht offenbaren, wenn sie für die Tätigkeit nicht relevant ist.

Die Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf der Zustimmung des Integrationsamtes. Holt der Arbeitgeber diese nicht ein, ist die Kündigung nicht wirksam. Allerdings muss der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung klagen. Dazu braucht er nicht unbedingt einen Anwalt. Er kann direkt dort die Klage zu Protokoll geben. Ein vernünftiger Arbeitgeber wird sich nicht verurteilen lassen, sondern schon vorher die unwirksame Kündigung zurücknehmen. Er kann allerdings erneut kündigen, wenn er zuvor das Integrationsamt ordnungsgemäß befasst hat.
Gruß
Martin

Diese sehr speziellen Fragen kann ich leider nicht beantworten. Es gibt aber in jedem Land Beratungsstellen für Schwerbehinderte.
Da Du wohl aus Sachsen kommst:
http://www.soziales.sachsen.de/4674.html
Viele Grüße
Ernesto

D.Tücken stecken hier im Detail
Bitte einen FA Arb.recht fragen.

Hallo,

der Arbeitnehmer muss zum Anwalt und sich vertreten lassen. Er hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung, bzw. auf eine erhöhte Abfindung.
Daher, aufpassen, dass die Frist zur Einreichung der Klage nicht anbrennt.
Viel Glück!

Hallo,

Schwerbehinderte und gleichgestellte(d.h. bei einem Grad der Behinderung ab 30%, aber noch keine 50%) behinderte Menschen haben einen besonderen Kündigungsschutz.Ihnen darf ordentlich oder außerordentlich nur gekündigt werden, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat. Eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Voraussetzung für den besonderen Kündigungsschutz ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits länger als sechs Monate andauert.
Die Schwerbehinderung oder die Gleichstellung muss bei Zugang der Kündigung bereits durch die zuständige Behörde festgestellt worden sein oder der entsprechende Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung muss bereits mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt worden sein .
Die Unwirksamkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung nichts wusste, sofern der Gekündigte den Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Kündigungszugang über seinen Behindertenstatus oder den gestellten Antrag informiert.

Die Kündigung gilt als von Anfang an rechtswirksam, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hat. Die Frist läuft aber erst ab Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer. Hat der Arbeitgeber keine Zustimmung beantragt oder erhalten, läuft die Frist also nicht.

Viele Grüße

Hallo,
Dazu müsste man den Arbeitsvertrag kennen. In vielen Fällen werden wahrheitsgemäße Angaben verlangt. Der AN kann nicht davon ausgehen, schon gar nicht bei einer Zeitarbeitsfirma, dass es unrelevant ist, ob er behindert ist oder nicht, es sei denn, dies ist ausdrücklich im Arbeitsvertrag festgehalten.
Es gibt jetzt mehrere Varianten bei einer fristgemäßen Kündigung.
Wenn der AG keine Arbeit für den AN mehr hat, bleibt ihm nichts weiter als die Kündigung übrig, womit er durchkommt, denn offiziell ist der AN nicht mehr einsetzbar und eine Verantwortung seitens des AG kann ausgeschlossen werden. Eine Behinderung liegt nicht vor, da dieses in dem Arbeitsvertrag nicht steht und der AG nichts davon weiß.
Natürlich kann man gegen eine Kündigung vorgehen, egal ob die gekündigte Person behindert ist, oder nicht. Frage ist aber, ob das Sinn macht?!
LG

Hallo Alx B,
der Kündigungsschutz für SchwB greift eigentlich nur dann, wenn die Kündigung mit der SchwB zu tun hat. Soll heißen: wenn wirklich keine andere Arbeit da ist, wird das Integrationsamt seine Zustimmung zur Kündigung geben.
Das ein anderer gehen müsste, könnte sein. Aber ich habe es so verstanden, dass keine vergleichbare Arbeit da ist?!
Risiko, wenn Sie jetzt Ihre SchwB offenbaren liegt darin, dass dieser Arbeitgeber Sie nicht mehr einstellen wird, sollte wieder Arbeit da sein.
Übrigens ist der Kündigunsschutz erst ab 50% Grad der Behinderung.
Was ich an Ihrer Stelle machen würde: Kontakt zum Integrationsamt aufnehmen und denen die Situation schildern. Dann sind Sie auf der sicheren Seite!
Viel Erfolg!
Gruß Brigitte

Kenne mich da nicht so gut aus. Frage mich warum der status nicht offenbart wurde.

Bei einer jetzigen Offenbarung würde ich als Arbeitgeber arglistige Täuschung ins Feld holen.

Gruß

HAllo,

hierzu ein paar Infos wirklich ganz auf die Schnelle (Bitte hierzu selbst pruefen, ob die genannten Urteile „noch“ aktuell sind, bzw. nicht revidiert wurden.)!

http://www.ftd.de/karriere/recht-steuern/:urteil-der…

http://www.t-online.de/wirtschaft/jobs/id_47849190/a…

http://www.juraforum.de/arbeitsrecht/verschweigen-ei…

Ausserdem kannst du beim Integrationsamt und wenn orhanden beim Betriebsrat weitere Informationen einholen. Dort gibt es oftmals einen Schwerbehindertenbeauftragten!

Gruss
Andreas

Der Mitarbeiter muß seinem Arbeitgeber unmittelbar nach Erhalt der Kündigung mitteilen, daß er schwerbehindert ist und seinen Schwerbehindertenausweis vorlegen. Der Arbeitgeber muß dann zunächst noch das Integrationsamt zur geplanten Kündigung anhören und darlegen, daß die Kündigung nichts mit der Schwerbehinderung zu tun hat. Erst nach Zustimmung des Integrationsamtes kann er kündigen. Und der Arbeitgeber muß natürlich prüfen, ob ein anderer Arbeitnehmer evtl. weniger schutzwürdig ist.

Wie soll der Arbeitgeber den Kündigungschutz einhalten, wenn er nichts von der Schwerbehinderung weiß? Die Hauptfürsorgestelle muss dann vom Arbeitgeber angeschrieben werden. Ohne deren Zustimmung darf ein Schwerbehinderter nicht gekündigt werden.

Arbeitnehmer wird über eine Zeitarbeitsfirma
(Arbeitnehmerüberlassung) eingestellt und er teilt seinen Arbeitgeber (Zeitarbeitsfirma und Entleihfirma) nicht mit,dass er Inhaber eines Schwerbehindertenausweises ist, da es
für die auszuübende Arbeit nicht relevant ist. Der
Arbeitnehmer arbeitet fast 2 Jahre ohne krankheitsbedingt auszufallen zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers

(Zeitarbeitsfirma und Entleihfirma). Nach fast zwei Jahren wird die Auftragslage beim Entleiher knapper und der Arbeitnehmer wird betriebsbedingt gekündigt.

  1. Was könnte der schwerbehinderte Arbeitnehmer
    erreichen bzw. was ist möglich, wenn er der Zeitarbeitsfirma nach Erhalt der Kündigung seine Schwerbehinderung offenbart?
    2)Besitz der Arbeitnehmer trotzdem besonderen Kündigungsschutz?
    3)Könnte so ein Arbeitnehmer die Kündigung anfechten oder rückgängig machen?
  2. Müsste geprüft werden, ob nicht ein anderer
    Mitarbeiter die Firma verlassen müsste? Wie sollte könnte er vorgehen?

Guten Tag,

  1. in der Tat muss der AN sofort die Behinderteneigenschaft gegenüber dem AG (das ist nur die Zeitarbeitsfirma) nachweisen
  2. der Kündigungsschutz des § 85 SGB IX setzt nur das objektive Bestehen einer Behinderteneigenschaft ab MdE 50% oder Gleichstellung voraus; es reicht also wenn jetzt sofort offenbart wird
  3. wenn der AG nach dem Nachweis nicht von selbst die Kündigung für unwirksam erklärt, muss binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage eingereicht werden
  4. Mit der Kündigungsschutzklage werden alle Punkte der Kündigung angriffen. Dazu gehört bei der betriebsbedingten Kündigung immer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit und die Sozialauswahl

Durch den Nachweis der Behinderteneigenschaft ist die Kündigung bereits formal unwirksam, weil die Zustimmung des Integrationsamtes fehlt.
Aber nur wenn binnen 3 Wochen die Klage erhoben ist, kann das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen. Andernfalls wird auch ein „falsche“ Kündigung wirksam.

Alles Gute

Mal unterstellt es ist keine hypothetische Frage, so antworte ich gerne…
Der besondere Kündigungsschutz von Schwerbehinderten besagt nicht, dass diese nicht kuendbar sind. Rein praktisch bedeutet das zunächst „nur“ dass das zustaendige Integrationsamt eingeschaltet werden muss. Dieses muss dann binnen vier Wochen zu einer Entscheidung kommen.
Es ist denkbar, dass andere Arbeitnehmer - sofern vergleichbar - bei einer Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung vorgezogen werden muessten. Sicher ist dies jedoch nicht, insbesondere im Umfeld der Arbeitnehmerüberlassung. Dies kann aus der Distanz und ohne Details nicht beurteilt werden.

Die Notwendigkeit der Einschaltung des Integrationsamtes bringt fuer den Arbeitnehmer zunächst vor allem einen gewissen Zeitgewinn mit sich (+1-2 Monate), alles weitere waere Spekulation.

Hallo,

sorry erst einmal wegen der urlaubsbedingten späten Antwort.

M.E. muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber mitteilen, dass er schwerbehindert ist. Schwerbehindert ist, wer einen GdB von mindestens 50 hat.

Wenn er das verschweigt bin ich nicht sicher, ob es nicht auch ein Kündigungsgrund ist, da diese Dinge ja für den Arbeitgeber relevant sind.

Ein Kündigung anfechten, wenn man seine Behinderung verschwiegen hat halte ich für aussichtslos. Jedoch ist das eine komplizierte Situation wo ein Rechtsanwalt eigentlich nur eine 100% Aussage tätigen sollte.

Gruß

Michael