Hallo,
danke für Deine Zeilen!
Aber ich möchte Folgendes zu denken geben:
Mir fallen spontan drei mögliche Ursachen für das Verhalten
der Mutter des Mädchens ein.
Eine davon ist natürlich, dass sie ihre älteste Tochter
ausnutzt. Ich weiß nicht, ob du nun andeuten wolltest, dass
sie ihre Tochter zudem gezielt „mästet“ und außerdem
erniedrigt und herabwürdigt. Wenn dem so ist, und du das
weißt, solltest du das vielleicht noch erwähnen.
Nein, sie wird nicht gezielt gemästet und gedemütigt (das war nur in dem beschriebenen Film so, was mich dazu veranlasst hat über diesen Fall zu grübeln). In der Familie sind alle übergewichtig - liegt also am gesamten Haushalt.
Bisher wirkt auf mich jedenfalls die Beschreibung der
Situation so, als wäre hier Ursache und Wirkung vertauscht.
Das Mädchen hat doch offensichtlich ein gutes Abitur
hinbekommen, und zwar doch in eben diesem Haushalt. Dann aber
plötzlich hat sie ihr Studium abgbrochen und nun arbeitet sie
überhaupt nicht mehr offiziell.
Nein. Sie hat vorher beim Vater gelebt. Dort war es auch schwierig und sie lebte mit noch einer weiteren (älteren) Schwester zusammen, die gewalttätig war. Das Haus war stark heruntergekommen und der Vater hat es gerade so geschafft sich um die Kinder zu kümmern. Dort hat sie den Schulabschluss gemacht und danach ist sie vom Vater (auf dem Land) zur Mutter (in die Stadt) gezogen und dort zur Uni zu gehen. Das ging aber nicht lange gut, da sie sich um den Haushalt und den kleineren Halbgeschwistern kümmern musste.
Kann es nicht sein, dass da eine Entwicklung bei dem Mädchen,
eine Situation auf der Uni oder im Freundeskreis dazu geführt
hat, dass sie - ganz freiwillig - das Studium abbrach und auch
nicht mehr putzen wollte? Vielleicht hatte sie ohnehin ein
mangelndes Selbstbewusstsein, eventuell durch ihr Übergewicht,
die Trennung ihrer leiblichen Eltern, Liebeskummer… was
weiß ich. Das fällt an der Schule meist gar nicht so auf, man
ist ja schon jahrelang mit den Leuten dort „befreundet“ und
kennt sich halt. Aber an der Uni ist das eben nicht mehr so.
Da ist alles neu und fremd. Vielleicht sah sie sich selbst den
Anfordrungen dort nicht gewachsen, was ihr ohnehin nicht
ausgeprägtes Selbstbewusstsein weiter drückt, so dass sie sich
immer weiter zurückzieht?
In ihrem Umfeld (Familie) sind alle stark übergewichtig, sie hatte nie Freunde und sie hatte nie einen Freund. Die Eltern haben sich getrennt da war sie noch kein Jahr alt und sie ist beim Vater groß geworden, da sie Mutter nicht so richtig Mutter sein wollte - das will sie heute mit den zwei kleinen Nachzüglern (1,2) auch nicht sein - dafür hat sie ihre ältere Tochter als Kindermagd.
Und nun? Nun ist sie zu Hause, die Eltern sind beruflich sehr
eingespannt, es gibt Kleinkinder und einen Haushalt zu
versorgen. Wenn nun die älteste Tochter zu nichts außerhalb
des Hauses zu bewegen ist (sei es aufgrund akuter Unlust oder
aufgrund eines psychologischen Problems), was liegt da näher,
als um ein bisschen Hilfe daheim zu ersuchen?
Die Mutter könnte dies meiner Meinung nach aus rein
pragmatischen Gründen verlangen, eben weil sie viel arbeitet
und sich auch selbst ausgenutzt vorkommt. (Soll sie auch noch
kochen abends um 6, wenn doch die erwachsene Tochter daheim
ist?)
Die Kausalkette ist anders: sie kann nicht, sie hat kein Geld, sie hat keine Möglichkeiten sich einen Job zu suchen - da sie sich um die Geschwister kümmern muss. Der Stiefvater schafft es noch nicht einmal sich morgens einen Wecker zu stellen - das ist ihre Aufgabe: wecken, Hund rausführen (nicht ihr Hund!! sie mag Hunde noch nicht einmal), Frühstück machen, danach Kinder wegbringen, einkaufen, Haushalt machen, vorkochen für das Mittagessen mit den Kindern und für das Abendessen mit den „Eltern“ und die Kinder ins Bett bringen.
Oder aber sie handelt sogar aus pädagogischen Gründen. Zeiten
der Arbeitslosigkeit erleben nämlich viele Betroffene als sehr
quälend, weil sie sich „nichtsnutzig“ fühlen, denn sie leisten
ja offiziell nichts. Vielleicht möchte sie also eher das
Selbstbewusstsein des Mädchens stärken, indem sie ihr wichtige
Aufgaben zuweist - natürlich auch positiv bemerkt, wenn sie
gut erledigt wurden - und sie vor allem auch so aus dem Haus
und unter Menschen bringt.
Denn was macht die Tochter denn sonst den ganzen Tag lang ganz
konkret?
Sie würde gern studieren und sie ist sehr gerne putzen gegangen. Die Mutter hatte zeitweise den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen, da sie in eine andere Welt abtauchte (Sekte, Drogen, ständig wechselnde Partnerschaften). Jetzt lebt sie mit dem Vater der beiden kleinen zusammen - er ist Drogenberater (einer von denen, die es aus eigener Erfahrung geworden ist). Selbstbewusstsein stärken? Die Eltern liegen nach der Arbeit auf dem Sofa und sie bekocht und bedient sie. Sie kennt es nicht anders.
Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob das auch nur im Ansatz
zutreffen könnte. Aber vielleicht benutzt hier ein
verunsichertes, ängstliches Mädchen diese vermeindliche
Sicherheit daheim auch nur als Anlass, um sich nicht den
eigenen Problemen (Übergewicht, berufliche Zukunft, wenig
Selbstbewusstsein) stellen zu müssen?
Mag sein, aber sie hat keine Chance. Sie wird in meinen (und auch in Augen der Verwandschaft) gefangen gehalten. Sagen traut sich aber keiner etwas, denn dann wird der Kontakt abgebrochen. Der Kontakt besteht auch nur zur Mutter. Nicht zum Vater (habe ich nie getroffen) und zum Kind (sie redet nicht).
Das fiel mir ganz spontan ein. Vielleicht hast du ja aber
konkrete Anhaltspunkte, dass es so ganz sicher nicht sein
kann. Dann ignorier mein posting einfach. 
Ich habe mir überlegt ihr ein Flugticket nach London zu schenken, mit einer Unterkunft um ein wenig Wind in die Nase zu bekommen. Vielleicht eine blöde Ideee, aber etwas besseres fällt mir nicht ein.
Viele Grüße