Wolken machen!
Vergeßt Kyoto: Selbstbeschränkungen reichen nicht, der Mensch muß das Klima aktiv gestalten / Von Gregory Benford
Nach Bonn ist vor Kyoto: Für den amerikanischen Wissenschaftler Gregory Benford ist das Problem der globalen Erwärmung mit kurzoder mittelfristigen Selbstverpflichtungen zur Verringerung der Kohlendioxyd-Emissionen nicht zu lösen. Beim Klima zählt nur die lange Sicht. Aus dieser Perspektive heraus macht Benford, der an der University of California in Irvine Plasma- und Astrophysik lehrt, vor allem jedoch als Science-fiction-Autor bekannt geworden ist, sowohl einfache als auch visionäre Vorschläge, um die Folgen des Kohlendioxyd-Ausstoßes zu bekämpfen. Während hellere Straßenbeläge zur Erhöhung der Wärmeabstrahlung des Planeten noch als risikolos erscheinen, rät Benford der Menschheit zudem, sich an ein altes Phantasieprojekt zu wagen: das Wolkenmachen. Industrieansiedlungen auf abgelegenen Pazifik-Inseln könnten die Wolkenbildung über dem Meer und damit die Reflexion des Sonnenlichts erhöhen. Der Glaube, technische Interventionen könnten die Folgen technischer Eingriffe beheben, prägt Benfords Beitrag.
F.A.Z. Sind Europa und Amerika in der Lage, ihre Positionen zum Problem der globalen Erwärmung grundsätzlich zu überdenken? Diese Frage stellt sich nach dem Kompromiß auf dem Weltklimagipfel und der vorigen Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch die Vereinigten Staaten. Als Klimaforscher finde ich die Debatte samt dem zugehörigen Taktieren und Händeringen ärgerlich und phantasielos. Beide Seiten betrachten nur Teilprobleme und lassen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Zeitperspektive und zum prozessualen Charakter des Phänomens außer acht.
Betrachten wir zunächst die amerikanische Position. Es gab zwei gute Gründe, Kyoto links liegenzulassen und einen Neuanfang zu machen. Erstens konnte niemand erwarten, daß der Verbrauch fossiler Brennstoffe in den Vereinigten Staaten so stark eingeschränkt würde, wie es erforderlich wäre, um die geplante Reduzierung von sieben Prozent gegenüber 1990 zu verwirklichen. Die Kosten wären politisch nicht durchsetzbar. Deshalb lehnte der amerikanische Senat das Protokoll ab. Der ökonomische Beraterstab der Clinton-Administration schätzte die Kosten einer Verwirklichung der in Kyoto festgelegten Ziele auf achtzig bis hundert Milliarden Dollar. Das Kyoto-Abkommen für „effektiv tot“ zu erklären war daher nur realistisch; und das gilt nicht nur für die Vereinigten Staaten. Nur wenige Länder nähern sich den in Kyoto vorgegebenen Marken: Vor allem Großbritannien, Norwegen und Deutschland verdienen hier Anerkennung. Aber nur wenige haben sich ihnen bisher angeschlossen.
Zweitens wird der in Kyoto verfolgte Ansatz plötzlicher kurzfristiger Einsparungen ohne weitere Übereinkünfte hinsichtlich des längerfristigen Vorgehens dem eigentlichen Phänomen der globalen Erwärmung kaum gerecht. Die starke sofortige Verringerung des Ausstoßes schädlicher Treibhausgase sollte ein Zeichen setzen, aber dieser Versuch ist mißlungen. David Victor schreibt in „The Collapse of the Kyoto Protocol“, für Einsparungsprogramme sei es stets fatal, wenn man für die Kosten keine Obergrenzen festlege. Die Wirtschaft möchte ihre technischen Anlagen nicht vorzeitig ausmustern. Die Kosten sind gewaltig, die langfristigen Auswirkungen auf die schädlichen Treibhausgase dagegen minimal. Realistisch betrachtet, ist eine langsame Reduktion leichter zu erreichen und sehr viel billiger, so daß sich auch leichter Verbündete für solch eine Politik finden lassen.
Auf lange Sicht - und beim Klima zählt nur die lange Sicht - kann ein Vertrag, der achtzig Prozent der Welt ausspart, keinen Bestand haben. Schon in wenigen Jahrzehnten werden China und Indien bei den Emissionen mit Europa gleichgezogen haben. Nach einer plausiblen neueren Studie über die wahrscheinlichen (und nicht nur möglichen) Auswirkungen wird die mittlere Temperatur um 2,5 Grad Celsius steigen, wenn wir nichts tun. Ein sicherer Weg dorthin ist die Neigung, auf einem engen Spektrum an Handlungsmöglichkeiten zu bestehen und Andersdenkende im Tonfall einer rigiden Moral abzukanzeln.
Manche Wissenschaftler glauben wie ich, daß es einfachere und billigere Lösungsmöglichkeiten gibt, aber in der Diskussion finden diese Ideen angesichts des moralisierenden Tons keinen Niederschlag. „Der einzige Weg, den Klimawandel zu verlangsamen, ist die Senkung des Treibstoffverbrauchs“, behauptet Bill McKibben in „Das Ende der Natur“ und bringt damit die Überzeugung der Umweltschützer zum Ausdruck. Tatsächlich halten viele Ökologen und sonstige Wissenschaftler teure, drastische Maßnahmen für die einzige Möglichkeit. Ross Gelbspan spricht sich in „Der Klima-GAU“ sogar für eine Verstaatlichung des Energiesektors und für massive Aufklärungskampagnen aus - ein puritanisches Programm nach dem Muster: „Sünder, laß ab von deinem frevelhaften Tun!“
Doch ein wenig beachtetes Gutachten der amerikanischen National Academy of Science aus dem Jahr 1992 geht nach Erörterung der wissenschaftlichen Grundlagen einen Schritt weiter und fragt, ob wir die Erwärmung verhindern können oder ob wir die Zunahme der Treibhausgase hinnehmen und nach Kompensationsmöglichkeiten suchen sollten.
Wenn wir allein auf die Quellen der Treibhausgase schauen und nicht auch Möglichkeiten eines nachträglichen Abbaus ins Auge fassen, verbauen wir uns viele neue Ansätze. Weil man in Kyoto diese Möglichkeiten ausblendete und die Debatte schloß, besiegelte man ihr Schicksal möglicherweise auf Jahre hinaus. Erstaunlicherweise kann man aber einige neue Ideen schon heute zu ganz erträglichen Kosten verwirklichen. Sie ließen sich rasch in Angriff nehmen und ebenso rasch wieder beenden, falls unerwünschte Folgen aufträten.
Der einfachste Weg, Kohlendioxyd (CO2) aus der Luft zu entfernen, ist der Anbau von Pflanzen und insbesondere die Aufforstung. Weltweit wird alle paar Sekunden ein Hektar Wald zerstört. Schon um diese Verluste auszugleichen, bedarf es eines gewaltigen Aufforstungsprogramms. Etwa die Hälfte der amerikanischen CO2-Emissionen ließe sich in Pflanzen binden, wenn wir ungenutzte Flächen und Weideland aufforsteten. Die Kosten lägen bei etwa fünf Milliarden Dollar pro Jahr. In der Werbung könnten Unternehmen dann auf ihr „ökologisches Verantwortungsbewußtsein“ verweisen: „Kaufen Sie einen Wagen, und pflanzen Sie damit gleich einen ganzen Wald!“ Dadurch würden die Menschen auf positive Weise in ihrem unmittelbaren Lebensbereich angesprochen und müßten sich nicht wieder einmal mit dem Boykott einer Ölgesellschaft begnügen, deren Werbung ihnen nicht gefällt. Für die nachträgliche Bindung des weltweiten CO2-Zuwachses wäre die Aufforstung eines ganzen Kontinents von der Größe Australiens erforderlich. Dadurch würde das Kohlendioxyd natürlich nur einige Jahrzehnte aus der Luft geholt, nämlich solange die Bäume wachsen. Aber so könnte man Energien für spätere härtere Maßnahmen mobilisieren.
Einen anderen Ansatz habe ich zusammen mit Robert Metzger von Georgia Tech beschrieben. Bei der Zersetzung pflanzlicher Abfälle - Stroh, Blätter et cetera - gelangt viel Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre. Wenn man diese Pflanzenabfälle sammelte und in der Tiefsee versenkte, bliebe der Kohlenstoff für viele Jahrhunderte gefangen. Die im Kyoto-Protokoll festgelegten Ziele ließen sich auf diesem Wege mit einem Kostenaufwand von etwa zwanzig Milliarden Dollar erreichen. Aber natürlich zählen solche Maßnahmen bei den Zielen des Kyoto-Protokolls gar nicht. Dasselbe gilt für die Bemühungen der norwegischen Ölindustrie, die das aus den Ölquellen in der Nordsee ausströmende Kohlendioxyd vor dem Abfackeln des Erdgases auffängt und zu Millionen Tonnen in unterirdischen Kammern speichert. Die norwegische Statoil plant, auf diese Weise jedes Jahr drei Prozent der jährlichen CO2-Emission des Landes zu deponieren. Es ist widersinnig, daß solche Bemühungen nach dem Kyoto-Protokoll gar keine Anerkennung finden.
Andere Ansätze versprechen noch direktere Einsparungen. Was könnte näher liegen, als dafür zu sorgen, daß ein größerer Anteil des Sonnenlichts in den Weltraum zurückgeworfen wird, bevor es in Wärmestrahlung umgewandelt und als solche von den Treibhausgasen absorbiert wird? Jeder weiß aus eigener Erfahrung, daß schwarze Kleidung im Sommer wärmer ist als weiße. Wenn wir ein Gebäude weiß streichen, heizt es sich in der Sonne nicht so stark auf. Um die Wirkung aller seit der industriellen Revolution emittierten Treibhausgase auszugleichen, müßten wir dafür sorgen, daß ein Prozent mehr Sonnenlicht reflektiert wird. Schon eine Erhöhung der Reflexion um ein halbes Prozent würde all unsere Probleme mit dem Treibhauseffekt lösen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Weltmeere, die mehr als siebzig Prozent der Erde bedecken und mehr Licht absorbieren als die Landflächen, weil sie dunkler sind. Die Gesamtreflexion der Erde wird zu einem erheblichen Teil von den Wolken beeinflußt. Eine vierprozentige Zunahme der Stratocumulus-Wolken über den Weltmeeren könnte die gesamte CO2-Emission ausgleichen, ohne die Landwirtschaft zu beeinträchtigen.
Das Wolkenmachen ist ein altes, aber immer noch umstrittenes Handwerk. Wolken kondensieren an mikroskopisch kleinen Keimen, zum Beispiel an den Schwefelsäuretröpfchen, die bei der Zersetzung von Algen im Meer entstehen, wobei deren natürliche Produktionsrate der Wolkenbildung über den Meeren Grenzen setzt. Rund dreißig Prozent der Erdoberfläche sind von Wolken bedeckt, so daß eine Erhöhung um vier Prozent nicht unbedingt schlechteres Wetter für Sie und mich bedeutete, vor allem wenn diese Erhöhung weit draußen über dem Meer erfolgte.
In so gewaltige Naturprozesse einzugreifen mag gewagt erscheinen, aber schon vierhundert mittelgroße Kohlekraftwerke setzen jährlich genug Schwefel frei, um diese Aufgabe zu bewältigen. (Das zeigt im übrigen, wie stark wir schon heute in die natürlichen Prozesse unseres Planeten eingreifen.) Allerdings läßt sich der Gedanke, daß noch mehr Luftverschmutzung gut für Mutter Erde sei, auf dem Markt der für Autoaufkleber tauglichen Ideen schlecht verkaufen. Ein Problem ist auch die Tatsache, daß die Kohlekraftwerke an Land stehen, während wir Wolken über dem Meer brauchen. Dort könnten sie die flaschengrüne Wasserfläche mit einer flaumigen Decke überziehen, die das Sonnenlicht reduziert und keine Ablehnung nach dem Motto „Nur nicht vor meiner Haustür“ provoziert.
Als Lösung bietet sich hier eine internationale Strategie an: Man könnte auf abgelegenen Inseln im Pazifik Industrien mit hohem Stromverbrauch ansiedeln und stark schwefelhaltige Kohle dorthin liefern. Die Abgase würden vom Wind aufs Meer getrieben und für eine Abkühlung des Ozeans in diesen Regionen sorgen. Dank der produzierten Güter erlebten die Staaten Ozeaniens einen wirtschaftlichen Aufschwung, der gleichsam der Lohn für ihre Dienste am weltweiten Klima wäre. Die reichen Staaten könnten die von ihnen verursachten Probleme fern von ihren Landesgrenzen und ohne Rücksicht auf lästige Bürgerinitiativen unter Einsatz billiger Arbeitskräfte lösen lassen. Und niemand wäre gezwungen, die Kraftwerke aufzunehmen; der Preis übernähme die Vermittlung.
Natürlich bleiben große Unsicherheiten, weil vieles wissenschaftlich noch nicht geklärt ist. Man müßte zunächst regionale Experimente durchführen, um ein brauchbares Modell für die Reaktionsweise des aus Wolken und Meer gebildeten Systems zu entwickeln. Erste Ansätze finden sich in Studien, die nach den Auswirkungen von Abgasen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf der windabgewandten Seite tropischer Städte suchen. Der Übergang von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung zur großtechnischen Realisierung könnte Jahrzehnte dauern. Dabei dürften die Kosten dieser Lowtech-Methode sich auf wenige Milliarden Dollar pro Jahr beschränken, weil das Verfahren sich über den erzeugten Strom weitgehend selbst finanziert.
Diese Bemühungen ließen sich durch weitere positive und leichtverständliche Maßnahmen ergänzen, die den Menschen ein Gefühl der Beteiligung verleihen. Schließlich ist die Reflexion von Sonnenlicht technisch keine sonderlich schwierige Angelegenheit. Setzt man dem herkömmlichen Asphalt Sand oder Glas zu („Glasphalt“), verdoppelt sich dessen Reflexionsvermögen. Und jeder könnte es sehen - eine saubere, passive Möglichkeit, „etwas zu tun“.
Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 1997 ist es in Los Angeles knapp drei Grad Celsius wärmer als in der Umgebung der Stadt. Autos und Kraftwerke tragen zu dieser Erwärmung bei, aber ihr Anteil beschränkt sich auf einige Prozent; um die Mittagszeit entspricht die Sonneneinstrahlung einer elektrischen Leistung von nahezu vierhundert Millionen Watt pro Quadratkilometer. Solche städtischen Wärmeinseln sind weit verbreitet. Durch weiße Dächer, eine entsprechend gefärbte Pflasterung und unzählige neugepflanzte schattenspendende Bäume könnte die Temperatur in der Stadt unter die des umgebenden Landes gesenkt werden; dadurch ließen sich die Kosten für die Klimatisierung der Räume um achtzehn Prozent senken. Auf kälteren Straßenbelägen verringert sich außerdem der Abrieb der Autoreifen. In den Vereinigten Staaten ist gut ein Prozent der Fläche mit menschlichen Bauwerken bedeckt, zum größten Teil mit Straßen und sonstigen Pflasterungen, so daß allein darüber schon genügend Fläche zur Verfügung stünde.
Die Studie der National Academy kommt zu dem Schluß, es sei erstaunlich, mit wie geringen Kosten sich einige vielversprechende Programme verwirklichen ließen. Möglicherweise wären nur wenige Milliarden Dollar aufzuwenden, um einen Ausgleich für die CO2-Emission der Vereinigten Staaten zu schaffen. Verglichen mit den Kosten einer nachhaltigen Senkung des CO2-Ausstoßes, ist das gar nichts.
Entscheidend für jede Lösung wird sein, daß die Kompensationsmaßnahmen nicht als von einer Elite erlassene Zwangsverordnungen daherkommen, wie es bei einer drakonischen Einschränkung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs zu erwarten wäre, mit Kontrolleuren, die stirnrunzelnd unseren Kraftstoffverbrauch für die tägliche Fahrt zur Arbeit berechnen und unsere Thermostate einstellen. Bei Kompensationsmaßnahmen brauchte niemand seine Nase in die Angelegenheiten anderer zu stecken. Hier gibt es technische Lösungen, die ihr Werk fern von den meisten Menschen verrichten, weit draußen auf dem Meer oder hoch oben in der Luft. Bessere und weithin anerkannte Kompensationsstrategien könnten die Erhöhung des Reflexionsvermögens sogar als schick erscheinen lassen: weiße Dächer, mediterranes Flair, silbrige Autos, helle Kleidung als neueste Mode. Tatsächlich wäre jeder kleine Schritt eine Hilfe.
Alle Einsparungen sind von wesentlicher Bedeutung, aber auch nach der Einigung auf dem Klimagipfel werden frische, neue Ansätze entscheidend sein. Kompensation verlangt klare, einfache Maßnahmen, mit denen jeder einzelne bei sich selbst beginnen kann. Dabei sollte man sich von Anfang an um eine möglichst weitgehende Beteiligung bemühen.
Jede Antwort auf das Problem der globalen Erwärmung sollte berücksichtigen, daß unser Wohlstand auf billiger, leicht verfügbarer Energie beruht. Die Entwicklungsländer werden darauf nicht verzichten, und auch die Industrieländer haben ihre Grenzen. Hier wie dort werden Vorwürfe und Verdammungsurteile letztlich auf taube Ohren stoßen. Sie kommen nicht einmal bei denen an, die sich von Kampagnen gegen das Rauchen, zur Rettung der Wale oder gegen die Luftverschmutzung in den Städten ansonsten durchaus angesprochen fühlen. Sonst würden die meisten Industriestaaten ihre Kyoto-Ziele nicht still und heimlich ignorieren.
Aber auch in den Staaten, die fähig und bereit sind, nach Lösungen zu suchen, zeigt sich in der politischen Klasse ein seltsamer Widerwille. Ralph Cicerone, der Klimaforscher, der maßgeblich an Bushs jüngster Studie zur globalen Erwärmung beteiligt war, sagte mir dazu: „Viele, die sich mit Umweltproblemen befassen, sehen schlimme Zeiten auf uns zukommen und haben wenig Zutrauen zur Technologie, so daß sie für eine deutliche Einschränkung der Industrialisierung eintreten, während die meisten Optimisten gar nicht glauben wollen, daß es überhaupt Umweltprobleme gibt.“
So könnte man auch die heutigen Positionen Europas und Amerikas charakterisieren, die gegenwärtig aneinander vorbeireden. Da wir Mutter Natur unwissentlich Schaden zugefügt haben, sind viele nun nicht zu bewußten Eingriffen bereit. Der Nobelpreisträger Sherwood Rowland von der University of California in Irvine, der einst zusammen mit Mario Molina die Zerstörung der schützenden Ozonschicht vorausgesagt hat, erklärt heute: „Ich bin entschieden gegen globale Kompensationsmaßnahmen.“ Letztlich halten wir uns selbst für das Problem; nur Demut und eine möglichst geringe Belastung der Erde können weiterhelfen. Darin sind sich zumindest im Augenblick die meisten Naturwissenschaftler mit den Theologen einig. Aber auch die aktive Reparatur des angerichteten Schadens könnte hilfreich sein.
Ich glaube, wenn das Klima sich weiter verschlechtert, werden wir in diesem Jahrhundert einen verschärften Kampf zwischen den Anhängern einer Intervention („Wir sollten nicht jammern, sondern die Probleme angehen“) und den Moralisten erleben, die jede großangelegte Aktion für schädlich halten. Schon heute hört man oft das Argument, der Gedanke an globale technische Lösungen ermuntere nur zu weiteren Exzessen, weil die Menschen dann glaubten, die Wissenschaft werde schon eine Lösung finden. Darauf werden manche jedoch ruhig und gelassen erwidern: Vielleicht findet sie ja wirklich eine Lösung. Wir sollten es immerhin versuchen.
Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.07.2001, Nr. 169 / Seite 52