Seifen-Literatur

Hallo liebes Forum,

ich bin auf der Suche nach Textpassagen, Zitaten, Literaturstellen wo Seife, Hygiene, Reinlichkeit, Sauberkeit eine wesentliche Rolle spielen. Seien es Passagen von Klassikern aber auch zeitgenössisches wie Max Goldt, Thomas Bernhard oä.

Hat wer eine Idee dazu?

Danke fürs Lesen und herzlichen Dank fürs Antworten
R

Servus,

Joachim Ringelnatz

Morgenwonne

Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich „Euer Gnaden“.

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.

Gruß, jenny

Servus,

dazu noch:

Erich Kästner

Monolog in der Badewanne

Da liegt man nun, so nackt, wie man nur kann,
hat Seife in den Augen, welche stört,
und merkt, aufs Haar genau: Man ist ein Mann.
Mit allem, was dazugehört.

Es scheint, die jungen Mädchen haben recht,
wenn sie - bevor sie die Gewohnheit packt -
der Meinung sind, das männliche Geschlecht
sei kaum im Hemd erträglich. Und gar nackt!

Glücklicherweise steht´s in ihrer Hand,
das, was sie stört, erfolgreich zu verstecken.
So früh am Tag, und schon soviel Verstand!
Genug, mein Herr! Es gilt, sich auszustrecken.

Da liegt man, ohne Portemonnaie und Hemd
und hat am ganzen Leibe keine Taschen.
Ganz ohne Anzug wird der Mensch sich fremd…
Da träumt man nun, anstatt den Hals zu waschen.

Der nackte Mensch kennt keine Klassenfrage.
Man könnte, falls man Tinte hätte, schreiben:
»Ich kündige. Auf meine alten Tage
will ich in meiner Badewanne bleiben.«

Da klingelt es. Das ist die Morgenzeitung.
Und weil man nicht, was nach dem Tod kommt, kennt,
schreibt man am besten in sein Testament:
»Legt mir ins kühle Grab Warmwasserleitung!«

und dann gehört das hier vielleicht auch her:smile:)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Busch,+Wilhelm/Bilde…

Lieben Gruß aus Wien, jenny

Hallo,

ich bin auf der Suche nach Textpassagen, Zitaten,
Literaturstellen wo Seife, Hygiene, Reinlichkeit,
Sauberkeit
eine wesentliche Rolle spielen.

„Seife“ von Robert Gernhardt

Gruß
Kreszenz

Hallo,

mit einem Zitat kann ich zwar nicht dienen, aber ich möchte Dir Das Parfum von Patrick Süskind empfehlen.

Grüße

=^…^=

Hallo, Jenny,

und zwei weitere Gedichte von

Ringelnatz:

Es lebte an diskretem Orte
Ein Stückchen Seife, bester Sorte,
In einem Porzellanbehälter.
Das ward mit jedem Tage älter.
Weil es mit Moschusduft durchhaucht,
Ward es vom Menschen gern gebraucht.
Einstmals – das wann und wie ist schnuppe –
Geriet es in die Erbsensuppe.
Der Mensch benahm sich miserabel.
Er stach die Seife mit der Gabel,
Beroch sie roh und rief: »Pfui, Spinne!«
Da schwanden ihr vor Angst die Sinne.

____________________________________________

Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.
Die andre Seite – gab sie an –
Sei das Gebirge Hindustan,
Und ihre große Rundung sei
Bestimmt die Delagoabai.
Von ihrem spitzen Ende vorn
Erklärte sie, es sei Kap Horn.
Den Kettenzug am Regulator
Hielt sie sogar für den Äquator.
Sie war – nicht wahr, das merken Sie? –
Sehr schwach in der Geographie.
Dies eingebildete Bassin.
Es wohnte im Quartier latin.

Gruß
Kreszenz

2 „Gefällt mir“

Servus, nochmal,

irgendwie dazu gehört vielleicht auch:

http://www.gottwein.de/Lat/sen/epist.086.php

Außerdem schwirren mir noch ein paar Romanstellen und Theaterszenen im Kopf rum, die mir aber jetzt konkret nicht einfallen.

Z.B. in Bernhards „Ritter Dene Voss“ wird einige Male von (zu heißen) Bädern gesprochen …müßte man nachlesen.

Gruß, jenny

Hach-gerade eingefallen:smile:)

Bert Brecht: Vom Kind, das sich nicht waschen wollte

Es war einmal ein Kind
Das wollte sich nicht waschen.
Und wenn es gewaschen wurde, geschwind,
Beschmierte es sich mit Aschen.

Der Kaiser kam zu Besuch
Hinauf die sieben Stiegen
Die Mutter suchte nach einem Tuch
Das Schmutzkind sauber zu kriegen.

Ein Tuch war grad nicht da
Der Kaiser ist gegangen
Bevor das Kind ihn sah
Das Kind konnt’s nicht verlangen!

Gruß, j.

Hallo R,

und da wäre da noch Fritze von Wilhelm Busch

_Fritze war ein Ladenjüngling,
Dazu braver Eltern Sohn,
Und er stand bei Kaufmann Kunze
Schon ein Jahr in Konditschon.

»Fritze«, sagte einstens Kunze,
»Ich muß eben mal wohin;
Mache keine dummen Streiche,
Wenn ich nicht zugegen bin.«

Hiermit geht er aus der Türe.
Fritze hält das für ein Glück.
Er ergreift die Kümmelflasche
Und dann beugt er sich zurück.

Sieh, da naht die alte Grete,
Eine Jungfer ernst und still;
Sie verlangt nach grüner Seife,
Weil sie morgen waschen will.

Auch erhub sie eine Klage,
Daß sie’s so im Leibe hat,
Weshalb sie vor allen Dingen
Erst um einen Kümmel bat.

Fritze zeigt sich dienstbeflissen.
Ihm ist recht konfus und wohl.
Statt der großen Kümmelflasche
Nimmt er die mit Vitriol.

Jungfer Grete, voller Freuden,
Greift begierig nach dem Glas;
Fritz, der grünen Seife wegen,
Beugt sich übers Seifenfaß.

Weh, was muß man nun erblicken?
Wo ist Fritzens Gleichgewicht?
Was sind dies für Angstgebärden
Hier auf Gretens Angesicht?

Fritze strampelt mit den Beinen,
Doch die Seife wird sein Grab;
Greten nagt die scharfe Säure
Ihre Mädchenseele ab.

Kümmel zieret keinen Jüngling,
Dazu ist er noch zu klein;
Und ein braves altes Mädchen
Muß nicht mehr so happig sein._

Viele Grüße
Eve*

Hi,

In Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“ badet Hans Schnier recht häufig - z.B. hier ab Seite 145

http://books.google.at/books?id=wgYOAAAAQAAJ&pg=PA14…

Guats Nächtle, jenny

Herzlichen Dank an alle bisherigen Mitdenkerinnen. (Warum wissen eigentlich nur Frauen über Seifenliteratur Bescheid? ;^)

Wunderbar, da sind einige Perlen dabei. Wer noch was weiß, gerne auch Prosa, immer her damit.

Danke schön, ihr seid Spitze.

Rainer (vormals R)

Seifenkunst
Hi,
zwar keine Literatur, aber ich habe mal eine Ausstellung „Seifensachen“ hier gemacht
http://www.standort-hoechst.de/Ausstellungen11.aspx

Nicht nur Literaten, auch Bildende Künstler beschäftigen sich mit dem „Phänomen“ Seife :wink:

Gruß,
Anja

Wer noch was weiß,
gerne auch Prosa, immer her damit.

Aus „The Adventures of Tom Sawyer“ (Kapitel 4):

Mary gave him a tin basin of water and a piece of soap, and he went outside the door and set the basin on a little bench there; then he dipped the soap in the water and laid it down; turned up his sleeves; poured out the water on the ground, gently, and then entered the kitchen and began to wipe his face diligently on the towel behind the door. But Mary removed the towel and said:
„Now ain’t you ashamed, Tom. You mustn’t be so bad. Water won’t hurt you.“
Tom was a trifle disconcerted. The basin was refilled, and this time he stood over it a little while, gathering resolution; took in a big breath and began. When he entered the kitchen presently, with both eyes shut and groping for the towel with his hands, an honorable testimony of suds and water was dripping from his face. But when he emerged from the towel, he was not yet satisfactory, for the clean territory stopped short at his chin and his jaws, like a mask; below and beyond this line there was a dark expanse of unirrigated soil that spread downward in front and backward around his neck.

(Übersetzung:
Mary gab ihm einen Zinneimer und Seife, und er ging zur Tür hinaus und setzte den Eimer auf eine kleine Bank; dann tauchte er die Seife ins Wasser und legte sie daneben; krempelte sich die Ärmel auf, ließ das Wasser auslaufen, ging in die Küche zurück und begann hinter der Tür sich das Gesicht mit dem Tuch eifrig abzutrocknen.
Aber Mary entriß ihm das Tuch und sagte: „Schämst du dich nicht, Tom? Du sollst nicht immer so schlecht sein. Ein bißchen Wasser schadet dir wahrhaftig nicht.“
Tom war einen Augenblick in Verwirrung. Der Eimer wurde wieder gefüllt, und diesmal blieb er eine Weile darüber gebeugt stehen, Mut sammelnd. Ein tiefer Seufzer — und los! Als er dann wieder in die Küche zurückkam, beide Augen geschlossen, und nach dem Tuch griff, tropften Schmutz und Wasser von seinem Gesicht herunter — ein ehrenvolles Zeichen seines Mutes. Aber als er hinter dem Tuche wieder auftauchte, sah er durchaus noch nicht einwandfrei aus; das reine Gebiet hörte an Mund und Ohren auf. Jenseits dieser Linie breitete sich eine undurchdringlich schwarze Fläche bis in den Nacken aus.)

Und die Passage aus „Bunte Steine“(Granit) von Stifter, wo der Großvater die Füße des Enkels von Wagenschmiere reinigt:

Mit diesen Worten ging er in das Haus, und nachdem ich ein Weilchen gewartet hatte, kam er wieder heraus, indem er eine große, grün glasierte Schüssel, einen Topf mit Wasser und Seife und Tücher in den Händen trug. Diese Dinge stellte er neben mir aus das Steinpflaster nieder, zog mir, der ich auf dem Schemel saß, meine Höschen aus, warf sie seitwärts, goß warmes Wasser in die Schüssel, stellte meine Füße hinein und wusch sie so lange mit Seife und Wasser, bis ein großer, weiß- und braungefleckter Schaumberg auf der Schüssel stand, die Wagenschmiere, weil sie noch frisch war, ganz weggegangen und keine Spur mehr von Pech auf der Haut zu erblicken war. Dann trocknete er mit den Tüchern die Füße ab und fragte: »Ist es nun gut?«
Ich lachte fast unter den Tränen, ein Stein nach dem andern war mir während des Waschens von dem Herzen gefallen, und waren die Tränen schon linder geflossen, so drangen sie jetzt nur mehr einzeln aus den Augen hervor.

Gruß
Kreszenz

Wow, beeindruckend. Danke. Genau sowas suche ich. Ihr seid die Besten!

Moin,

Joachim Ringelnatz

Morgenwonne

das hätte ich auch senden wollen.
Hab ich, von eine lieben Freundin geschenkt bekommen, auf einer Postkarte auf dem Bord des Spiegels im Bad stehen.

Gandalf

Moin Katze,

mit einem Zitat kann ich zwar nicht dienen, aber ich möchte
Dir Das Parfum von Patrick
Süskind empfehlen.

nun ja, das hat aber, zumindestens am Anfang, wenig bis nichts mit Seife zu tun, die ersten Seiten sind eine Orgie des Gestanks.

Gandalf

1 „Gefällt mir“

Hi Gandalf,

nun ja, das hat aber, zumindestens am Anfang, wenig bis nichts
mit Seife zu tun, die ersten Seiten sind eine Orgie des
Gestanks.

aber, aber - Gestank ist doch nur die Kehrseite des Wohlgeruchs. ;o)

Außerderm stellt Grenouille späterhin bei Baldini nicht nur Parfums her, sondern erlernt auch die Kunst des Seifenmachens; ich bin jetzt nur zu faul, um nach unten zu gehen und passende Stellen herauszusuchen.

Beste Grüße

=^…^=

Hallo Rainer,

und ergänzend:

http://www.schoeneseife.de/2010/08/16/heinrich-boll-…
http://www.schoeneseife.de/2010/09/16/johann-der-sei…

Fröhliche Weihnachten!
Eve*

Hallo,

hier ist noch ein Ringelnatz-Gedicht.

Lieben Gruß
Dantis

Mein Wannenbad

Joachim Ringelnatz

Es muß wieder mal sein.
Also: Ich steige hinein
In zirka zwei Kubikmeter See.
Bis übern Bauch tut es weh.
Das Hähnchen plätschert in schamlosem Ton,
Ich atme und schnupfe den Fichtenozon,
Beobachte, wie die Strömung läuft,
Wie dann clam, langsam mein Schwamm sich besäuft.
Und ich ersäufe, um allen Dürsten
Gerecht zu werden, verschiedene Bürsten.
Ich seife, schrubbe, ich spüle froh.
Ich suche auf Ausguck
Vergebens nach einem ertrinkenden Floh,
Doch fort ist der Hausjuck.
Ich lehne mich weit und tief zurück,
Genieße schaukelndes Möwenglück.
Da taucht aus der blinkenden Fläche, wie
Eine Robinsoninsel, plötzlich ein Knie;
Dann – massig – mein Bauch – eines Walfisches Speck.
Und nun auf Wellen (nach meinem Belieben
Herangezogen, davongetrieben),
Als Wogenschaum spielt mein eigenster Dreck
Und da auf dem Gipfel neptunischer Lust,
Klebt sich der Waschlappen mir an die Brust.
Brust, Wanne und Wände möchten zerspringen,
Denn ich beginne nun, dröhnend zu singen
Die allerschwersten Opernkaliber.
Das Thermometer steigt über Fieber,
Das Feuer braust, und der Ofen glüht,
Aber ich bin schon so abgebrüht,
Daß mich gelegentlich Explosionen –
– Wenn’s an mir vorbeigeht – –
Erfreun, weil manchmal dabei was entzweigeht,
Was Leute betrifft, die unter mir wohnen.
Ich lasse an verschiedenen Stellen
Nach meinem Wunsch flinke Bläschen entquellen,
Erhebe mich mannhaft ins Duschengebraus.
Ich bück mich. Der Stöpsel rülpst sich hinaus,
Und während die Fluten sich gurgelnd verschlürfen,
Spannt mich das Bewußtsein wie himmlischer Zauber,
Mich überall heute zeigen zu dürfen,
Denn ich bin sauber. –

An dieser Stelle möchte ich, da der Faden ja schon ins Archiv gewandert ist, allen Helfenden, spät aber doch, einen ganz herzlichen Dank für die großartige Hilfe aussprechen.

Leute, ihr seid eine Wucht. Und ein schönes neues Jahr wünsche ich.

Liebe Grüße
Rainer