Seit wann glauben die Deutschen an Demokratie?

Guten Tag,
Ich habe mich gefragt, seit wann man die deutsche Bevölkerung als eine demokratische Bevölkerung betrachten kann. Selbstverständlich ist die Frage auf die Zeit nach '45 bezogen.
In der Adenauer- oder Wirtschaftswunderzeit wohl kaum, da hat man lediglich an den Wohlstand geglaubt, den die Marktwirtschaft mit sich gebracht hat. Wann wurde, und damit mein ich ein bestimmtes Jahr o.ä., aus dem Materialismus ein ideologischer Glaube an die Werte und Prinzipien der Demokratie?
Übrigens ist die Frage auf die breite Bevölkerung bezogen, nicht auf gewisse Schichten.

Vielen Dank für die Antworten.

Servus,

ich glaube, die Demokratie wurde nach 45 eingeführt, weil sich bis dahin keine andere effiziente Regierungsweise als Alternative da war. Monarchie wurde ja früher abgeschafft, der Diktator kam auch nicht in Frage, nach dem NS Regime… Es kann auch sein, dass sich die Deutschen dazu entschieden haben, weil vor der NS Zeit ja auch eine demokratie geherscht hatte und das System so übernommen wurde.

mit demokratischen Grüßen,

Hanzo ^^

Hallo, Hanzo,
naja, es war ja nicht so, dass wir nach dem Krieg viel selbst zu entscheiden hatten. Die Siegermächte - und allen voran die USA - machten den Deutschen die Demokratie mehr oder weniger zur Auflage. Und es erwies sich, dass diese Regierungsform - mängelbehaftet wie immer sie auch sei - immer noch ziemlich gut funktioniert.
Um also die Frage des UP zu beantworten: Im Westen (Trizone, später Bundesrepublik) hatten sich im Laufe der 50er Jahre die meisten Bürger den Gedanken an Demokratie zu eigen gemacht. Für die Ostdeutschen (Sowjetzone, später DDR) stellte sich die Frage nicht wirklich.

Gruß
Eckard

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Hallo,

Ich habe mich gefragt, seit wann man die deutsche Bevölkerung
als eine demokratische Bevölkerung betrachten kann.

Deine Formulierung kommt mir etwas eigenartig vor. Man kann eine
Regierungsform oder eine Wahl nach bestimmten, aus der Definition
von ‚Demokratie‘ hergeleiteten, Kriterien als demokratisch oder
auch als undemokratisch bezeichnen … aber eine Bevölkerung?

Schon an dem Punkt aber ist offenkundig, dass es dabei auf die
Definition von ‚Demokratie‘ ankommt. Und da ist vieles nur auf
den ersten Blick selbstverständlich. Vom arabischen Potentaten
über die Staatschefs des ‚Warschauer Paktes‘ bis zur Volksdemo-
kratie eines Hitler oder Pol Pot hat es noch jeder geschafft
eine in sich stimmige Erklärung zu finden, warum sein System
demokratisch sei und z.B. unser heutiges deutsches System nicht.

Sind wir eine Demokratie, nur weil Horden von medienbeeinflussten
und sozialhilfegeilen Prekariern mitabstimmen dürfen?

Ist eine demokratische Ordnung in der z.B. nur alle Frauen mit
abstimmen dürfen noch eine Demokratie?

Erkennt man eine Demokratie an freien Wahlen, auch wenn die
Regierung nach der Wahl korrupt ist und macht was sie will?

Ist eine Volksbefragung, wenn sie zu einem Ergebniss kommt
wie neulich in der Schweiz, noch demokratisch?

Ist die Demokratie eine gute Staatsform, wenn sie zusammen
mit Tribalismus (!), häufig zu Bürgerkriegen führt?

Wann wurde, und damit mein ich ein bestimmtes Jahr o.ä., aus
dem Materialismus ein ideologischer Glaube an die Werte und
Prinzipien der Demokratie?

  1. Ich denke nicht, dass in irgendeinem Staat, die Mehrheit der
    Bevölkerung sowas difiziles wie die Demokratie begreift. Nicht
    aus Dummheit sondern aus Interesselosigkeit.

  2. Wenn schon, dann war der Glaube an die Demokratie bei der
    Gründung unseres Staates am stärksten, denn damals war das
    warnende Beispiel der Diktatur noch am greifbarsten.

  3. Schon deine Analyse vom Übergang ‚vom Materialismus zum
    Glauben‘ halte ich in sich für falsch. Das ist doch nur eine
    Abart der alten sozialistischen Interpretation das der deutsche
    Arbeiter durch das ‚Wirtschaftswunder‘ von den ‚Kapitalisten‘
    gekauft worden wäre.

  4. Ich persönlich halte die Bevölkerung auch heute noch nicht
    für wirklich mit den ‚Werten und Prinzipien‘ der Demokratie
    vertraut. Als Beispiel nenne ich nur mal die bei ca 75 % der
    Bevölkerung vorhandene Meinung es sei die Aufgabe der Opposition
    der Regierung beim Regieren zu helfen.

  5. Meiner persönlichen Meinung nach ist nur eine Demokratie
    mit direkter Wahl der Abgeordneten eine ‚wahre Demokratie‘.
    Die Verhältniswahl mit ihren vorgegebenen Listen wie bei uns
    bringt mir zuviele Abhängige in die Parlamente und entrechtet
    die Bevölkerung zu sehr.

Viele Grüße

Jake

P.S.: Wenn schon, dann war das Jahr ‚in dem Deutschland demo-
kratisch wurde‘ 1969. Da wurde die Regierung des Wirtschafts-
wunders demokratisch ‚abgewählt‘ durch einen Seitenwechsel der
FDP NACH der Wahl :wink:

Moin,

Übrigens ist die Frage auf die breite Bevölkerung bezogen,
nicht auf gewisse Schichten.

wer oder was sind für Dich ‚gewisse Schichten‘?!

Gandalf

Servus,

dass 1949 noch besonders viel geglaubt wurde - immerhin hatte man zwölf Jahre tausendjähriges Reich hinter sich, das von „unerrschütterrlichäm Glaubänn“ und dergleichen aufgeblasener Wortschmiere regelrecht troff, und unmittelbar nach Kriegsende 1946-47 zwei extreme Hungerjahre, in denen sich die Befreiung auch nicht grade als Paradies auf Erden zeigte - wage ich zu bezweifeln.

Und betreffend den von Dir postulierten „Glauben an den Wohlstand“, bei dem Du übrigens die Zeit 1949 - 1956 unterschlägst, eine kleine Episode aus der Famillisch: Spätsommer 1948, Uferpromenade in Friedrichshafen - selbst die Trizonesier, die es sich hätten leisten können, durften noch nicht wieder reisen, und am Bodensee tummelte sich „ersatzweise“ für Capri, Mallorca und Rimini allerlei neureiches Gelichter und führte glanzvoll die Schieberware aus, die mit der Währungsreform schlagartig überall frei verfügbar war. Mein Vater und dessen Verlobte auf der nämlichen Promenade, und sein Kommentar zu dem Defilee der Schieber: „Wenn man sieht, wer jetzt schon wieder Geld hat, dann hat man lieber keines…“.

Stellvertretend für viele durchaus autonom agierenden westdeutschen Demokraten, die - sicherlich unter alliierter Regie, aber ebenso sicher auch nicht grad von blankem Opportunismus geleitet - auf dem Kahlschlag nach 1945 die demokratische Verfassung mit entwarfen respektive deren Umsetzung förderten, darf ich Dir die Namen Theodor Heuss, Gustav Heinemann und Heinrich Albertz ans Herz legen: Lies mal was von diesen Leuten, ggf. auch über sie. Und mach Dich dann auf die Suche nach heute aktiven Politikern von diesem intellektuellen, ethischen und persönlichen Format.

Ach, und noch eine kleine Episode: 9. Mai 1945, die Franzosen hatten Wasserburg schon eine Weile besetzt, es gab kein Radio, keine Zeitungen, keinerlei verlässliche Nachrichten. Meine Mutter kam an den Brunnen zum Wasserholen, der frischgebackene von den Franzosen eingesetzte Bürgermeister machte das Fenster auf und rief: „Haben Sie schon gehört, wir haben endlich kapituliert! Ab heute wird alles nur noch positiv!“

  • auch das war ein Aspekt der deutschen Nachkriegszeit.

Schöne Grüße

MM

[…] Theodor Heuss,
Gustav Heinemann und Heinrich Albertz ans Herz legen: Lies mal
was von diesen Leuten, ggf. auch über sie. Und mach Dich dann
auf die Suche nach heute aktiven Politikern von diesem
intellektuellen, ethischen und persönlichen Format.

Tu’s lieber nicht. Denn dann wirst du dich fragen, WIE LANGE die Deutschen noch an die Demokratie glauben werden.
Schöne Grüße!
Hannes

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Es stellt sich natürlich die Frage, ob man sich in D nach 45 auch ohne äußeren Druck für eine Demokratie entschieden hätte. Schließlich - und das wusste 45 jeder - hat erst das parlamentarisch-pluralistische System der Weimarer Republik dem Nationalsozialismus den Weg geebnet.
Das darf man nicht vergessen. Die meisten Leute hatten damals Angst davor, dass mit einem demokratischem Parlamentarismus wieder das altbekannte Hickhack mit den zig Zwergparteien, wie man es aus Weimar kannte, anfangen würde.

Um auf die Frage einzugehen:

Die lässt sich so nicht eindeutig beantworten. Wie bereits geschrieben wurde hängt die Antwort zu sehr von der Definition von „Demokratie“ ab.

Im ursprünglichen Sinn ist eine „Demokratie“ (von Gr. „Demos“=Volk und „kratia“=Herrschaft, ich hoff das is so richtig) nichts anderes als ein System in dem die Regierung etc. vom Volk legitimiert wird.
Demokratie - und das ist wohl eines der größten Missverständnisse! - heißt _nicht_, dass die Regierung immer nach dem Willen der Mehrheit handelt!
Besonders witzig wird es, wenn die Leute, die sonst immer nach mehr direkter Demokratie schreien, ihr wahres Gesicht zeigen, wenn sowas wie in der Schweiz passiert…

Du meinst wahrscheinlich ab wann sich die Menschen mit den Werten, die dem Grundgesetz zugrunde liegen, und auf denen die gesellschaftliche und politische Ordnung der BRD aufbaut, identifizieren können?
Nun, ich denke dass sich im Grund ziemlich viele Leute damit verbunden fühlen. Nur wenn du sie jetzt fragen würdest, wäre das wahrscheinlich mehr ein emotionales Votum über die Zufriedenheit mit der Regierung als eine reflektierte Stellungnahme zu den Werten unseres politischen Systems.
Erst dann, wenn der Sozialismus oder irgendeine andere totalitäre Diktatur ausbrechen würde, würden ziemlich viele Leute merken, dass so eine Freiheitlich-Demokratische Grundordnung doch nicht so verkehrt ist. Aber bis es soweit ist, sollen die Leute ruhig weiter die Linkspartei wählen… werden schon sehen was se davon haben.

Gruß

Betasator