Servus,
dass 1949 noch besonders viel geglaubt wurde - immerhin hatte man zwölf Jahre tausendjähriges Reich hinter sich, das von „unerrschütterrlichäm Glaubänn“ und dergleichen aufgeblasener Wortschmiere regelrecht troff, und unmittelbar nach Kriegsende 1946-47 zwei extreme Hungerjahre, in denen sich die Befreiung auch nicht grade als Paradies auf Erden zeigte - wage ich zu bezweifeln.
Und betreffend den von Dir postulierten „Glauben an den Wohlstand“, bei dem Du übrigens die Zeit 1949 - 1956 unterschlägst, eine kleine Episode aus der Famillisch: Spätsommer 1948, Uferpromenade in Friedrichshafen - selbst die Trizonesier, die es sich hätten leisten können, durften noch nicht wieder reisen, und am Bodensee tummelte sich „ersatzweise“ für Capri, Mallorca und Rimini allerlei neureiches Gelichter und führte glanzvoll die Schieberware aus, die mit der Währungsreform schlagartig überall frei verfügbar war. Mein Vater und dessen Verlobte auf der nämlichen Promenade, und sein Kommentar zu dem Defilee der Schieber: „Wenn man sieht, wer jetzt schon wieder Geld hat, dann hat man lieber keines…“.
Stellvertretend für viele durchaus autonom agierenden westdeutschen Demokraten, die - sicherlich unter alliierter Regie, aber ebenso sicher auch nicht grad von blankem Opportunismus geleitet - auf dem Kahlschlag nach 1945 die demokratische Verfassung mit entwarfen respektive deren Umsetzung förderten, darf ich Dir die Namen Theodor Heuss, Gustav Heinemann und Heinrich Albertz ans Herz legen: Lies mal was von diesen Leuten, ggf. auch über sie. Und mach Dich dann auf die Suche nach heute aktiven Politikern von diesem intellektuellen, ethischen und persönlichen Format.
Ach, und noch eine kleine Episode: 9. Mai 1945, die Franzosen hatten Wasserburg schon eine Weile besetzt, es gab kein Radio, keine Zeitungen, keinerlei verlässliche Nachrichten. Meine Mutter kam an den Brunnen zum Wasserholen, der frischgebackene von den Franzosen eingesetzte Bürgermeister machte das Fenster auf und rief: „Haben Sie schon gehört, wir haben endlich kapituliert! Ab heute wird alles nur noch positiv!“
- auch das war ein Aspekt der deutschen Nachkriegszeit.
Schöne Grüße
MM