Selbstbild von Dolmetscher-, ÜbersetzerInnen

Hallo Sprachbegabte!

Ich möchte eine kleine (oder auch große :smile: Diskussion über die sogenannte Sprachwissenschaft auslösen. Bin mit Freunden nämlich auf folgendes, exotisches Thema gestoßen und würde gern eure, professionelle Meinung dazu hören.

Dolmetscher treten eher im Hintergrund auf, im TV, bei parlamentarischen Unterredungen (EU, NATO,…). Im Prinzip erscheinen „die“ als elektronisches Kästchen mit Kopfhörer, wenige machen sich Gedanken was dahintersteckt… ein Mensch nämlich.

Wie sehen sich Dolmetscher, wie ist ihr Selbstbild?

Auch sind wir auf das Thema gestoßen, dass zum Dolmetschen weit mehr als nur „Wörter und Vokabeln“ gehören, vielmehr gehört doch auch Kultur, Geschichte und Lebenseintellung der Menschen im betroffenen Sprachraum dazu!
Das wird aber oft übersehen und so werden Sprachwissenschaftler oft mit Vorurteilen beaufschlagt.

Was steckt wirklich hinter all dem… wie sieht sich ein Dolmetscher selber und wie schätzt er das Bild ein das von ihm ausgeht?

Leider fehlt es in meinem Umfeld an Sachkundigen und so will ich mich hier schlau machen, da ich sehr interessiert bin.

Mich würden Wortmeldungen (fachlicher Natur oder auch nicht) sehr freuen.

Danke vielmals,
Luggi

Hallo Luggi,

vorab: Ich melde mich als NICHT proffesionell.
Und ich denke im großen und ganzen hast Du Recht.

Daß Dolmetschen nicht nur das runterleihen von sinngemäße Wörter ist, liegt durchaus auf die Hand. Beispiel? Nimmt irgendeinen elekt. Übersetzer aus dem Web. Gibt dort einen Text zB auf Deutsch ein. Dieses Ergebnis läßt Du dann zB in Italienisch und der wiederum auf Finnisch „übertragen“. Nun dieses Text auf Deutsch zurück. Und schon hast du wirklich einen unverständlichen Witz, den diese Theorie beweisst.

Eine andere Anekdote typisch für Dolmetscher ist der, wenn der Redner in einem Gespräch einen Witz macht. Er erwartet, daß alle lachen/lächeln. Was macht die/der Dolmetscher wenn gerade kein Witz zur Hand und dieser Witz um einen unübersetzbarer Wortspiel in die original Sprache handelt? Mir ist gesagt worden, sie bittet einfach ihrer Zuhörer zu lachen oder zu lächeln mit der Begründung: „Der Redner hat soeben einen lustigen Witz gemacht“.

Ich persönlich finde, daß dieser einer der anspruchvollsten Jobs ist, denn es überhaupt gibt. Und ich finde es eigentlich sehr schlimm, daß diese Menschen nicht einmal, nach einer erfolgten Konferenz, mit ihren Namen gewürdigt werden.

Es wird der Tag noch kommen, wo eine Konferenz (oder ein übersetztes Buch) danach besucht bzw. gekauft wird, nicht nach Autor/Redner, sondern nach dem entsprechenden Dolmetscher/Übersetzer. Es ist wirklich eine mindestens so große Kunst ein Text in einer anderen Sprachen so zu übertragen, daß der vollen Sinn dessen erhalten bleibt und vom „Kunde“ genauso verstanden wird, wie ursprünglich gemeint, als diese überhaupt zu schreiben. Wie mein Lehrer im Gymnasium zu sagen pflegte: „Ein tolles Buch mit einer „unter-aller-Sau-Übersetzung“ ist verschwendete Zeit und Geld. Ein mittelmäßiges Buch mit einer ausgezeichneten Übersetzung, durchaus genießbar“. Dem gebe ich absolut Recht.

Das war meine Laienmeinung, als Betroffene (ich bin Muttersprachlerin einer hier nicht offizielle Sprache und ich lese und schaue Texte -zB TV, Radio- in einer mir gelernte Sprache)

Ich hoffe das hilft!

Schöne Grüße,
Helena
PS. Mir ist den Unterschied zwichen eine Übersetzerin und eine Dolmetscherin bestens bewußt. Dadurch, daß es hier mMn. darum geht die Theorie zu diskutieren, kann man dieses durchaus verallgemeinen, finde ich.

Bin zwar keine Dolmetscherin …
… sondern nur Übersetzerin. Allerdings habe ich ein gutes Beispiel dafür, dass Dolmetschen eben nicht nur das Übertragen von Wörtern in eine andere Sprache ist. Ein wenig Mitdenken ist gefragt, und manchmal noch mehr.

Also: In dem Beispiel ging es um die Abstimmung in irgendeinem Parlament. Man wollte das Ergebnis offenbar sehr deutlich vor sich sehen. Das alles wusste der Dolmetscher aber nicht.

Der hörte nur: „The eyes to the right, the nose to the left“ und dolmetschte folgerichtig (auch wenn er sich über diesen seltsamen Satz etwas gewundert haben mag): „Die Augen rechts, die Nase links“.

Ich könnte mir vorstellen, dass er es gar nicht lustig fand, als er die Sache später im Fernsehen vor sich sah. Da gingen nämlich plötzlich einige der Leute nach rechts, die anderen nach links, und dem Dolmetscher muss ein Licht aufgegangen sein.

Was der Vorsitzende nämlich gesagt hatte, war:
„The ayes to the right, the nos to the left.“ Oder, mit anderen Worten: „Die Jas nach rechts, die Neins nach links.“ *gg* Armer Dolmetscher. :wink:

Was ich damit sagen will: Sowohl zum Dolmetschen als auch zum Übersetzen gehört einiges an Mitdenken, Hintergrundwissen, Recherche - sonst kommt nämlich Blödsinn dabei raus.

Und da ärgert es mich ganz ehrlich, wenn jemand eine Babelfish-„Übersetzung“ in irgendein Forum stellt und nachfragt, was das heißen soll, weil er es nicht versteht. Babelfish ist vielleicht ganz nett, um festzustellen, mit welchem Thema sich der Text beschäftigt, welche Position der Autor hierzu bezieht, auf welche Punkte er eingeht. Dann kann man sich entscheiden, den Text übersetzen zu lassen - oder man stellt fest, das man ihn doch nicht braucht.

Egal wie man sich hier jedoch entscheidet: Die Babelfish-Übersetzung sollte hinterher auf jeden Fall in der Ablage P landen.

Schöne Grüße

Petra

Hallo,
Dolmetscher wissen, dass ohne sie „nichts läuft“. Aber es gibt Redner, die die Arbeit von Dolmetschern nicht würdigen - und das tut weh. Es gibt sogar Redner die sich nicht scheuen, ihre Beiträge im heimatlichen Dialekt vorzutragen - und das soll nun ein „hochsprachlicher“ Dolmetscher erst mal verstehen, und dann auch noch übersetzen!
Es gibt aber auch andere, die sich anschließend bei den Dolmetschern persönlich bedanken. Das tut natürlich gut. (Das weiß ich von einem ehemaligen Bekannten, der Dolmetscher war).

Eine Ausnahmedolmetscherin war wohl Brigitte Sauzay, die auf Grund Ihrer Kenntnisse sogar im deutschen Kanzleramt arbeitete.
http://www.aiic.net/ViewPage.cfm/page1307.htm

Mehr zur Selbstwahrnehmung der Dolmetscher findest Du vielleicht in den Links
http://www.aiic.net/
http://www.google.de/search?q=+%22eu+dolmetscher%22&…

Gruß
gargas

Hallo,

ein klein wenig off topic möchte ich einwerfen, daß man Dolmetschen/Übersetzen keinesfalls mit Sprachwissenschaft gleichsetzen sollte.

Ein Sprachwissenschaftler muß nicht übersetzen können und ein Übersetzer muß nichts (…ich relativiere, fast nichts) über Sprachwissenschaft wissen.

Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachwissenschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbersetzung_%28Spr…

Gerhard

Hallo,

Ein Sprachwissenschaftler muß nicht übersetzen können und ein
Übersetzer muß nichts (…ich relativiere, fast nichts) über

…aber lt. den von Dir genannten Link:

http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbersetzung_%28Spr…

ist Übersetzen doch eine Sprachwissenschaft.
In meinen Augen, widerspricht sich teilweise Deine Aussage.
Für mich Übersetzung ist ein Teil der Sprachwissenschaft, so daß ein Übersetzer sehr wohl darüber Bescheid weiß.
Schauen wir uns mal Deinen anderen Link an:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachwissenschaft

Dort lies man zB.:
„Sprachwissenschaft ist ein Sammelbegriff für alle Wissenschaften, die in irgendeiner Form Sprache untersuchen“
Womit beschäftigt sich sonst der Übersetzer/ Dolmetscher???

Schöne Grüße,
Helena

Hallo,

salopp könnte man argumentieren, daß ein Übersetzer die Werkzeuge der Sprachwissenschaft anwendet. Aber ein Übersetzer untersucht die Sprache(n) nicht.

Natürlich kann auch ein Übersetzer eine Sprache untersuchen, allerdings ist er dann in meinen Augen kein Übersetzer mehr, sondern ein Sprachwissenschaftler.

Ich möchte keineswegs die Leistung eines Übersetzers herabsetzen, Gott bewahre, ich hege großen Respekt vor Leuten, die in zwei oder mehr Sprachen gleichermaßen zuhause sind. Aber ein Übersetzer versucht doch hauptsächlich, den Sinn eines Schriftstückes von einer Sprache in eine andere Sprache zu transferieren.

Ein Sprachwissenschaftler untersucht dagegen eine Sprach auf ihre Struktur und muß nicht übersetzen können.

Gerhard

Für mich Übersetzung ist ein Teil der Sprachwissenschaft, so
daß ein Übersetzer sehr wohl darüber Bescheid weiß.

Die meisten (nichtprofessionellen) Übersetzer und Dolmetscher die ich kenne, sind unter 10 Jahre alt. Aber sie verstehen ihr Handwerk perfekt. Sie begleiten ihre Eltern und Großeltern zu Behörden, zur Bank und zum Arzt. Sind das jetzt Sprachwissenschafter?

Gruß
d.

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Hallo, du bist ja noch da. Du bekommst jetzt einen Stern von mir. Dein Wörterbuch ist nämlich super. :smile:

Ich habe gerade einen Fehler in unserer Wörterliste entdeckt (Wort falsch punktiert). Übrigens, schon der zweite Fehler, den ich in unseren Unterlagen entdecke. Na, wenn das nicht motiviert. :wink:

Schöne Grüße

Petra

Servus Gerhard,

das:

ein Übersetzer muß nichts fast nichts über
Sprachwissenschaft wissen.

stimmt nicht.

Übersetzen ist zu wesentlichen Teilen angewandte Sprachwissenschaft, etwa so wie Starkstromtechnik angewandte Physik und Bodenkunde angewandte Chemie ist (die beiden Beispiele sind vornehmlich für Leute gedacht, die in Formalismen denken und sich vom Bestehen von Lehrstühlen beeindrucken lassen).

Sprachwissenschaft, die grammatische Strukturen analysiert, Längen und Kürzen auszählt, Entwicklung von Lauten historisch verfolgt etc. etc. taugt nichts, wenn ihre Erkenntnisse nicht anwendbar sind.

Ein Übersetzer, der nicht weiss, warum ein Wort für Wort übertragener Text wie übersetztes Französisch geklungen hat, als er ihn in die Finger bekam, und wie Deutsch geklungen hat, als er ihn aus der Hand gegeben hat, kommt mit seiner Kunst nicht weit.

Sicher: Er muss den Sinn des Textes wiedergeben. Dieser Sinn spielt sich auf der Ebene von Konnotat und Denotat genauso ab wie im unmittelbar wörtlich wiedergebbaren. Er wird vermittelt über grammatische und syntaktische Strukturen, über Lautung und Satzmelodie - und über alles andere, womit sich Sprachwissenschaft beschäftigt. Wer hier „nach Gefühl“ arbeitet, arbeitet mit wenig Erfolg - oder mit sinnloser Anstrengung.

Vielleicht interessiert es Dich, mal ein paar Veranstaltungen in den großen Übersetzerschmieden des Südwestens (weiß auch nicht, warum die hier so geballt sind? Mit dem Ba-Wü Latinum hat das ja bestimmt nichts zu tun…) in Germersheim und Heidelberg gastweise zu hören - ja, da darf jeder rein, u.a. auch Agraringenieure -: Du wirst, glaube ich, überrascht sein, dass selbst die allerschönste akademische Linguistik zu etwas gut ist, wenn man sie recht versteht.

Schöne Grüße

MM

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Guten Morgen,

in den großen Übersetzerschmieden des Südwestens (weiß auch
nicht, warum die hier so geballt sind? Mit dem Ba-Wü Latinum
hat das ja bestimmt nichts zu tun…) in Germersheim und
Heidelberg gastweise zu hören -

Saarbrücken gibt’s auch noch
http://www.uni-saarland.de/de/fakultaeten/fak4/fr46/

Mit lokalpatriotischem Gruß
gargas :wink: