Hallo Mike,
Du musst nach
nichts streben
die Frage ist aber, ob ein Lebewesen das üblicherweise tut,
nicht ob es das muss. Es muss nicht, da bin ich schon
einverstanden.
Was ist üblich? Das legen die Menschen individuell fest. Wie heißt es manchmal? „Das tut man nicht!“ „Das macht man so!“ Wenn man als Kind Pech hat, dann hört man das andauernd. Ich bin der Meinung, das Streben nach Werten wird uns zum großen Teil schon als Kind antrainiert. Einmal erwachsen, haben wir die Chance herauszufinden, was wir wirklich wollen, wonach wir streben oder was wir vermeiden wollen, was uns angenehm und was uns unangenehm scheint. Umso weniger als Kind „dressiert“, desto leichter finden wir als Erwachsene unseren Weg.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die, dass wir m.E. nach bestimmte Werte schon ins Leben mitbringen. Frage mich jetzt nicht wie, denke mal darüber nach, was du als Kleinkind (2-4 J.) so beobachten konntest. Hoffentlich hast du noch Erinnerungen daran. Denn dann weißt du, was ich meine. Diese „mitgebrachten“ Werte drängen ins uns nach Verwirklichung. Und, diese Werte können von den uns als Kind „antrainierten“ Werten völlig abweichen, also unabhängig davon existieren. Wenn du diese Werte als üblicherweises Streben meinst, stimme ich mit dir überein.
Du
musst deinem Leben keinen Sinn geben.
Aber irgendwann komme ich vermutlich in das Alter, wo die
Sinnfrage die entscheidende ist, also weder die Frage, ob ich
mir genug zu Lieb tue, noch die Frage, ob ich anderen genug zu
Lieb tue, sondern die Frage, ob das Ganze einen stimmigen
Zusammenhang im Kreislauf des Lebens (als Religiöser würde ich
sagen: des Gottgewollten) gibt
Tja, die Sinnfrage… Gehe ihr ruhig nach (Das macht fast jeder, das ist normal). Ich bin ihr auch nachgegangen und zum Ergebnis gekommen, dass mein Leben einen Sinn hat und ich keinen zusätzlichen zu erfinden brauche. Es gab Phasen in meinem Leben, in denen ich dachte, Fehler gemacht zu haben, also gegen den Sinn gearbeitet zu haben. Irgendwann später entdeckte ich, manchmal schleichend, manchmal plötzlich, dass es genau so wie es gelaufen war, richtig war. Manchmal gehen wir eben durch Erfahrungen, die nicht nur angenehm sind, um eine bestimmte Erkenntnis zu erlangen, die uns später im Leben ungemein hilfreich sein kann.
Das einzige, was du tun solltest ist, authentisch
sein, ehrlich dir und anderen gegenüber.
Das reicht nicht immer aus, oft entsteht das Bedürfnis nach
Aufbruch, Neuem, Erweiterung. Ist dies auch Teil der
Selbsterhaltung?
Kannst du das Bedürfnis nicht aussprechen und/oder ausleben, wenn du authentisch und ehrlich bist? Wenn du das Bedürfnis nach Aufbruch, Neuem, Erweiterung in dir spürst, fühlst du dich in der momentanen Situation vielleicht nicht mehr so wohl oder dein in dir steckender Lebenssinn „klopft“ an und will beachtet, gelebt werden. Sicher kannst du diesen Impuls noch 'ne Weile unterdrücken und so weitermachen, wie bisher. Dann rechne aber nicht mit 100%iger Gesundheit in nächster Zeit. Manchmal schenkt uns der Körper durch eine Krankheit eine Auszeit, in der wir nachdenken können, was wir wollen bzw. ob wir noch liebevoll mit uns umgehen oder ob wir uns zu sehr für andere verbiegen.
Hier kann ich nur wieder sagen, sei ehrlich, und zwar in jeder
Situation. Wenn du etwas nicht möchtest, dann sage das auch.
Das ist erstens mal herausfordernd bis zum Gehtnichtmehr. Das
heisst: Es sind dann plötzlich die andern, die ihrerseits mir
Grenzen setzen wollen und auch können.
Hier kann ich dir nicht folgen. Ich sagte nicht, setze dich allen anderen gegenüber durch, egal was sie sagen oder wollen. Ich sagte auch nicht, entscheide nichts mehr, lass die anderen Menschen in deinem Umfeld Entscheidungen für dich treffen.
Ich redete von offener Kommunikation unter Erwachsenen, d.h. jeder ist ehrlich dem anderen gegenüber. Wenn du liebevoll ehrlich bist, also deine ehrliche Meinung dem anderen in einer Art und Weise rüberbringst, die erkennen lässt, dass du zwar deine ehrliche Meinung sagst, aber dabei die Meinung des anderen liebevoll respektierst, und dein Gegenüber genauso handelt, findet ihr einen gemeinsamen Konsens. Auch wenn dieser Trennung bedeuten sollte. Es ist gar nicht mehr so selten, dass Paare nur einen bestimmten Abschnitt ihres Lebens gemeinsam beschreiten.
Ab einem gewissen Grad
von Durchsetzung meiner Interessen stosse ich an die Grenzen,
wo eben die Sphäre anderer beginnt. Nun kann man da noch den
Exkurs machen von wegen Gemeinschaft und sagen, dass es auch
deckungsgleiche, gesellschaftliche Belange gibt, d. h. Dinge,
wo ein anderer mit mir eine gewisse Zeit innerhalb derselben
Grenzen verbringt. Aber dann kommt der Tag, an dem der andere
nicht mehr mit mir ist und ich nicht mehr mit ihm.
Da stimme ich dir zu. So ist das Leben. Wie heißt es so schön: Das Leben ist Veränderung.
Wenn dieser
andere völlig von mir getrennt ist, dann ist dies z. B.
äusserst problematisch. Ich kann ihn dann nicht fragen, was
ihn von mir wegstiess. Wie viel Verantwortung hat er mir
gegenüber, bis zu einem gewissen Grade „erreichbar“ zu sein -
wenn wir mal annehmen, dass man die „Erreichbarkeit“ von den
„Inhalten“ der Beziehung getrennt denkt (was nicht immer so
ist).
Willst du nicht für dich selbst verantwortlich sein? Gibst du die Verantwortung für dich freiwillig an einen anderen Menschen ab? Weißt du eigentlich, was du dem anderen damit aufbürdest? Meines Erachtens nach bin ich in erster Linie für mich selbst verantwortlich, für mein Denken, für mein Reden, für mein Tun. Ich entscheide, was ich will und was ich nicht will.
Wenn ein anderer von dir getrennt ist und du keinerlei Kontakt zu ihm aufbauen kannst - aus welchen Gründen auch immer - dann ist das so und so schlimm es vielleicht auch für dich sein mag, du kannst kaum etwas dagegen unternehmen. Sicherlich kannst du ihn dafür verurteilen, aber was hilft es dir? Sicherlich kannst du dem anderen „hinterherrennen“ und versuchen, ihn umzustimmen. Wenn es dir gelingt, ist der andere vielleicht wieder für dich erreichbar, aber was hast du gewonnen? Einen anderen Menschen zu zwingen, für dich dazusein, erreichbar für dich zu sein, hört sich nicht schön an. Ist es für den anderen mit Sicherheit auch nicht. Versetze dich mal in die Situation des anderen. Würde dir das gefallen? Was hättest du tatsächlich gewonnen? Der andere könnte jederzeit wieder „verschwinden“ und du weißt das. D.h., du müsstest sehr viel deiner Energie dafür aufwenden, den anderen zu beobachten. Ist dir damit wirklich geholfen? Denke lieber noch mal in Ruhe darüber nach.
wenn man sich gar nicht selber auf diese schöne Welt gebracht hat
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Die Selbstliebe könnte insofern damit zu tun haben, als dass
sie eine Eigenverantwortung beinhaltet. Oder die
Eigenverantwortung könnte irgendwie wenigstens beides
beinhalten, also sowohl die Selbstliebe als auch die
Anerkenntnis der Ohnmacht, dass man sich selber nicht geboren
hat. Daraus würde z. B. folgen, dass man inkonsequent handelt,
wenn man sich selbst tötet. Die Frage ist, ob es aber auch
wirklich so stimmt, d. h. ob auch wirklich die Selbstliebe
oder Selbsterkenntnis einen ganz bestimmbaren Inhalt von
Verantwortung hat.
Hättest du dich gern selbst geboren? Sprich, selbst darüber bestimmt, auf diese Welt zu kommen? Dann kann ich dich beruhigen, das hast du mit Sicherheit getan, sonst wärst du nicht hier.
Tja, selbst töten und Inkonsequenz. Hm. Gehe einfach mal davon aus, dass ich recht habe (kannst ja deine Meinung nachher wieder ändern). Also nehmen wir mal an, du hast vor deiner Geburt bestimmt, geboren zu werden und bist zu den Eltern gekommen, die du dir ausgesucht hast. Nun hast du ein gewisses Ziel festgesteckt, was du in diesem Leben lernen, erfahren willst. Auf der Erde angekommen stellst du nach Jahren fest, dass du das so nicht schaffst. Es ist dir einfach zu viel. Da gibt es mehrere Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen. Eine, und sicher die letzte in Betracht kommende davon ist, sich selbst das Leben zu nehmen. Und wenn du das tun solltest, wer sagt dir, dass du dir nicht gerade diese Erfahrung vor deiner Geburt bereits ausgesucht hast und sie in deinen Lebensplan hineingehört? Oder es gehört nur der Versuch des Selbsttötens hinein oder nur der Gedanke daran. Wer von uns weiß das schon?
Du allein entscheidest, wie dein Leben sich
gestaltet.
Wohl kaum. Ich höre immer nur „du hast dich entschieden“.
Herauskommen tut es längst nicht immer gemäss meinem Willen.
Dein Wille wird von deinem Verstand geleitet. Dein Lebensplan kann aber ein ganz anderer sein.
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass alles, was in meinem Leben bisher mühelos zu schaffen war, für mich richtig war und alles, was ich mit „Gewalt“ durchsetzen wollte, auch wenn alle Anzeichen dagegen sprachen, daneben ging. Um Missverständnissen vorzubeugen: Mühelos bedeutet nicht, dass es keine Arbeit macht. Ein kleines Beispiel: Ich wollte ein Fernstudium. Mein Arbeitgeber sollte es teilweise mitfinanzieren. Er hätte ja oder auch nein sagen können. Er sagte ja. Ich hatte das Fernstudium mühelos bekommen. Das Fernstudium als solches war überhaupt nicht mühelos. Es war mit viel Fleiß, Ausdauer und ständigem Lernen schon anstrengend. Verstehst du?
Wer gibt schon gerne zu, ein Verlierer zu sein. Aber es ist
nunmal vielleicht gar nicht so schlimm, wenn man nicht alles
weiss oder alles kriegt.
Wenn du in irgendeiner Richtung ein „Verlierer“ warst, dann war das vielleicht nicht dein Weg. Oder du solltest die Erfahrung des verlierens machen. Warum? Das wirst du irgendwann einmal erfahren, wenn es für dein Leben eine Rolle spielt. Manchmal erkennt man die Dinge nicht sofort.
Ich finde es überhaupt nicht schlimm, nicht alles zu wissen oder nicht alles zu bekommen. Es gibt soviel „Wissensschrott“, den ich gar nicht haben will. Höre auf deine Intuition und vertraue dir und deinem Tun, dann machst du dir dein Leben leichter und angenehmer. Kannste glauben, mache ich schon lange so. Wirst sehen, dann ist das Leben auf einmal wieder schön und von anderer Leute Meinung unabhängig. Dann können die anderen Leute zehnmal sagen, dass du ein „Verlierer“ bist. In Wahrheit hast du nur ihre Erwartungen an dich nicht erfüllt, und das musst du auch nicht.
Wenn jemand da ist, der mich klonen kann, oder sagen wir ein
Halbgott oder Gott, Der mir Geburt oder Tod anhängen kann, hat
der kein höheres Recht auf mich als ich selber? Ich weiss
nicht.
Was meinst du mit „anhängen“? Du entscheidest vielleicht nicht alleine, wann du auf diese Welt kommst und wann du wieder gehst, aber du entscheidest mit, denke ich.
Genauso hast du die Wahl, ob du dich lieben, verwöhnen, dir
Gutes tun willst, oder ob du dich nicht magst, warum auch
immer.
Aber es scheint doch inkonsequent, wenn man sich hasst,
genauso wie wenn man nur an sich denkt oder nur an andere.
Behandle dich gut und behandle andere so, wie dich selbst. Das wäre konsequent.
Mein Rat: Liebe dich selbst und nehme dich so an, wie du bist
- also mit allen positiven und negativen Facetten -.
Und werde also in Sachen Grenzen stets nur meine eigenen
Grenzen kennen und nie diejenigen anderer? Ich weiss nicht so
recht, danke aber mal bis hierher für die Hilfe beim Hirnen.
Es ist schon viel wert, seine eigenen Grenzen richtig zu kennen. Ob andere Menschen dir ihre Grenzen aufzeigen oder nicht, musst du denen überlassen. Ob du willst oder auch nicht willst, du wirst schon manches mal die Grenzen anderer Menschen zu spüren bekommen. Und das ist auch in Ordnung so.
Liebe Grüße
Ina