Selbstversorgungsgrad eines Landes

Wie kann man das berechnen ?

:roll_eyes:

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Danke. Scheint kompliziert zu sein…? Geht das auch wenn man den export vom bip abzieht und dann mit Dreisatz ?

Nein - aus einigen Gründen nicht. Die wichtigsten:

  • Das BIP bezieht sich nicht auf die Herstellung von Produkten, sondern auf den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb der Landesgrenzen als Endprodukte hergestellt werden. Enthält also auch den Wert von Dienstleistungen, aber es enthält nicht den Wert von Produkten, die keine Endprodukte sind.
  • Der Selbstversorgungsgrad bezieht sich immer auf bestimmte Güter oder Gruppen von Gütern. Ein Selbstversorgungsgrad über sämtliche Güter, die in einer Volkswirtschaft erzeugt werden, wäre eine sinnlose Größe (mal unabhängig davon, dass man sich end- und ergebnislos drüber streiten kann, ob die Maßeinheit „metrische Tonne“ für Lokomotiven wirklich geeignet ist).
  • Monetär bewertete Größen und nicht monetär gemessene oder erfasste Größen nicht systematisch durcheinanderwerfen, das gibt immer Huddel!

Schöne Grüße

MM

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Sofern das eine Frage sein soll: nein, das ist nicht kompliziert. Wir verarbeiten und verzehren pro Jahr x Tonnen Weizen und importieren Netto y Tonnen Weizen. Also ist der Selbstversorgunggrad ganz einfach zu berechnen:
x-y/x

Kompliziert wird das nur, wenn man sich eben nicht mit einem Produkt bzw. einer Produktgruppe befasst, sondern über eine gesamte Volkswirtschaft rechnen will. Dann wird man nämlich schnell feststellen, dass der Teufel im Detail steckt und bspw. nicht oder kaum ermittelbar ist, wie viele der erbrachten Dienstleistungen „exportiert“ wurden. Deswegen bleibt man bei solchen Berechnungen (so sinnlos sie auch in vielen Bereichen sind (*)) immer bei einzelnen Produkten bzw. Produktgruppen.

(*) Ziehen wir als Beispiel für die Sinnlosigkeit mal die Automobilindustrie der USA heran. Dort werden Teile produziert, die dann nach Mexiko oder Brasilien exportiert werden, um dort mit weiteren - lokal produzierten - Teilen zu Produktgruppen oder sogar ganzen Fahrzeugen zusammengebaut zu werden, die dann von den USA wieder importiert werden. Und nun versuche man, den Selbstversorgungsgrad der USA bei Kraftfahrzeugen zu berechnen. Oder halt den Handelsüberschuss mit Mexiko, woran ja auch schon Kollege Trump kläglich gescheitert ist.

Gleiches Spiel bei Mobiltelefonen. Der Selbstversorgungsgrad dürfte bei den allermeisten Volkswirtschaften wohl nahe null liegen. Das Problem ist halt nur, dass China ohne Aufträge aus den USA in dem Bereich schlichtweg nichts zu produzieren hätte.

Andererseits kommen solche Überlegungen wieder an Grenzen, wenn man darüber nachdenkt, dass in Indien und China ohne Aufträge aus Europa und den USA nur wenige Arzneimittel zu produzieren hätte, aber andererseits unser geringer Selbstversorgungsgrad bei vielen Medikamenten gerade massiv auf die Füße fällt.

Und um es ganz auf die Spitze zu treiben: was für den Normalbürger ein Produkt ist, ist für die dazugehörige Industrie u.U. ganz und gar nicht das gleiche. Z.B. beim oben angesprochenen Weizen. Hartweizen dürfte für die meisten wohl auch nur „irgendwie Weizen“ sein, der aber blöderweise in Deutschland kaum wächst. Gleichzeitig liegt der Selbstversorgungsgrad bei Weichweizen bei rd. 125%. Einen Selbstversorgungsgrad für Weizen könnte man wohl berechnen, aber dann würde man halt was echt nutzloses berechnen.

Bei Stahl ist es das gleiche Spiel. Als die USA vor gut 20 Jahren Importzölle für Stahl aus Europa erhoben, erhob sich hier großes Gelächter. Die Stahlqualitäten, die die USA seinerzeit aus Europa importierten, konnten die USA gar nicht selber produzieren. Der Selbstversorgungsgrad über alle Stahlsorten lag damals wahrscheinlich über oder bei 100%, aber eben nicht bei allen Stahlqualitäten und so wurde der Stahl in den USA einfach nur teurer, aber nicht ein Stahlwerk im Rust Belt war besser ausgelastet.

Kurz gesagt: wie bei so vielen Dingen muss man nachdenken, bevor man wüst mit Zahlen jongliert.

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Ich verstehe nur Bahnhof, denn ich meine unter Selbstversorgung nur das, was Deutschland herstellt, um nur damit über die Runden zu kommen. Beispiel: südfrüchte sind nicht essentiell.

Zu Punkt 1. Wozu sind Halberzeugnisse für die Berechnung der Selbstversorgung wichtig…vielleicht kennst du den Begriff periodische Buchhaltung ? Zu Punkt 2. Deshalb die exporte suptrahieren. Zu Punkt 3. Monetär kann man umrechnen.

Es ist ungünstig, sich eine eigene Definition für einen Begriff zu verwenden, der schon über eine anerkannte Definition verfügt, auf die Du übrigens ganz zu Anfang schon hingewiesen wurdest.

Im übrigen ist Deine Definition auch nicht schlüssig bzw. klar abgrenzbar. Zum Einen ist unklar, was Du „mit über die Runden kommen“ meinst und zum Anderen kann man Güter ja auch substituieren, d.h. Weizen durch Dinkel, Bananen durch Äpfel und Erdgas durch Erdöl und Solarenergie.

Vielleicht versuchst Du es noch einmal ganz in Ruhe.

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Servus,

Ich beschäftige mich mit dieser seit ungefähr 35 Jahren beruflich und kann Dir versichern: Mit dem von Dir vorgelegten Themenbereich hat sie genau Nix zu tun. Zwar stellen sich auch bei der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Fragen der zeitraumgerechten Abgrenzung, aber technisch funktioniert diese vollkommen anders als Buchhaltung. Und bei dem von Dir vorgelegten Thema spielt sie überhaupt keine Rolle.

der Begriff des Selbstversorgungsgrads spielte vor allem in dem Teil der Handelspolitik eine Rolle, der sich mit Agrarerzeugnissen befasst - dort spielten Schutzzölle und Exportsubventionen seit den 1870er Jahren bis 2013 eine teils sehr, teils weniger bedeutende Rolle, ferner bezogen sich politische Autarkieideale in der Regel auf die Ernährung und weniger auf die Versorgung z.B. mit Unterhaltungsmedien.

Die Berechnung eines Selbstversorgungsgrads mit Weizenmischbrot wäre bereits ein Nonsens in sich, weil Weizenmischbrot praktisch nicht ein- und ausgeführt wird, Backweizen und Futterweizen aber sehr wohl und in großen Mengen, und der Weizen, der Roggen, die Gerste und der Buchweizen, die bei mir in der Speisekammer stehen, sind bereits ziemlich weit entfernt von dem Weizen, der fob Rotterdam bei irgendwelchen Warentermingeschäften gehandelt wird und dieser ist bereits etwas anderes als der, den Bauer Egle aus seinem Mähdrescher in die Trocknung laufen lässt.

In der gesamten Makroökonomie kann man viel kreuz und quer in der Gegend herumrechnen, man tut das aber sinnvollerweise nur im Rahmen und mit Blick auf eine bestimmte Fragestellung. Selbstverständlich kann man, wenn man ein Kalbsschnitzel gleich 9 setzt, auch die Wurzel aus einem Kalbsschnitzel ziehen, aber einen Sinn hat das halt nicht.

Wenn Du ausgeführte Schweinehälften von Personenbeförderungen im Fernverkehr abziehst, gibt das zwar irgendeine Zahl, aber ich bin nicht sicher, ob diese Zahl zu irgendwas nutze ist.

Man kann, wie gesagt, viel herumrechnen, wenn man den Umgang mit Zahlen mag.

Gerade im schon erwähnten Zusammenhang konnte man sich wunderschön verrechnen, weil in der ganzen Zeit der Import-Abschöpfungen und Export-Subventionen die Preise für die selben 500 to Backweizen an der Grenze der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, später der Europäischen Gemeinschaft und noch später der Europäischen Union unterschiedlich waren in Abhängigkeit davon, ob der Weizen auf ein Frachtschiff verladen wurde oder von diesem gelöscht wurde.

Wenn Du Dir mal anschaust, welche Entwicklung die Preise für Backweizen aus der Ernte 2021 in der Zeit August 2021 bis Juli 2022 durchgemacht haben, kommst Du mit dem Umrechnen ganz schnell ins Schleudern.

Eine spannende und nützliche Lektüre in dem Zusammenhang, um den es Dir vermutlich geht, ist

Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik - die 9. überarbeitete Auflage gibt es für 30 €

Schöne Grüße

MM

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So wie du schreibst, ist das ganze doch kompliziert.

Anompfirsich nicht so arg - es wird viel einfacher, wenn man nicht von einem bestimmten Werkzeug ausgeht, sondern sich zuerst die Fragestellung klar vor Augen führt und dann die passenden Werkzeuge dafür heraussucht.

Schöne Grüße

MM

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