Seltener Name Vormerker

Liebe Forensi,

die seltsamsten Namen gibt es dennoch in nennenswerter Anzahl. Mein Lebensgefährte führt den Namen „Vormerker“, den es nach seiner Aussage nur vier oder fünfmal in Deutschland gibt. Einmal in Rheinhessen und einmal an der Bergstraße, und da besteht Verwandschaftsverhältnis. Ursprüngliche Heimat wäre Pommern gewesen. Dort kann er den Namen bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Jetzt möchte man sich doch vorstellen, dass der „Vormerker“ etwas mit „vormerken“, z.B. als Mitarbeiter in früheren Verwaltungseinheiten zu tun hat und dann doch eigentlich relativ häufig sein müsste. Wer hat eine Idee, warum dieser Name doch so selten ist, oder ist die Wurzel des Namens eine ganz andere.

Gruß

Hallo,

den Namen „Vormerker“,

Ursprüngliche Heimat wäre
Pommern gewesen. Dort kann er den Namen bis ins 18.
Jahrhundert zurückverfolgen.

Jetzt möchte man sich doch
vorstellen, dass der „Vormerker“ etwas mit „vormerken“, z.B.
als Mitarbeiter in früheren Verwaltungseinheiten zu tun hat

man könnte auch spekulieren, dass die Vorfahren aus der „Vormark“ (älterer Name für die Prignitz) stammten und es somit ein Herkunftsname wäre: „Vormärker“ → „Vormerker“. (Ein Wechsel von „ä“ zu „e“ wäre nichts Ungewöhnliches.)

Gruß
Kreszenz

Danke für die schnelle Antwort. Ein Herkunftsname ergibt einen Sinn, besser wahrscheinlich als meine Spekulation. Wir werden versuchen, Deinem Hinweis weiter nachzugehen. Nochmals Danke!

Gruß

Hallo Kreszentia,

diesmal muss ich Dir leider widersprechen: Es kann sprachgeschichtlich nicht von „Vormark“ kommen, da diese geographisch zu weit nördlich liegt. Es gibt eine Grenze für die Endung „-er“ an Familiennamen, die aus Herkunftsbezeichnungen resultieren. Diese verläuft etwa von Monschau über Koblenz, Gießen, Fulda, Hof, Leipzig, Hoyerswerda nach Breslau. Und Prignitz liegt ca. 200 km nördlich dieser Grenze. Selbst wenn ich noch ein Übergangsgebiet von 50 km mit einrechne, fehlen immer noch 150 km - somit ist die Herkunft aus „Vormark“ zu 99,99% ausgeschlossen.

Auch die Namensverteilung
http://www.verwandt.de/karten/relativ/vormerker.html
spricht völlig dagegen: Treffer ausschließlich in Mainz und Südhessen.

Solch eine seltene und zugleich konzentrierte Namenshäufung spricht für eine Entstehung entweder

  1. aus einem Übernamen (vergleichbar unseren Spitznamen)
    oder
  2. aus einem Herkunftsnamen für einen Einheimischen nach seiner Wohnstätte. Theoretisch wäre zwar Dein Vorschlag „aus der Vormark“ auch ein Herkunftsname, allerdings - da die Vormark ja ein Gebiet ist - eher für einen Herkunftsnamen für einen Fremden. Hier könnte man an eine Auswanderung denken, z.B. nach Mainz. Aber die Vormark ist - anders als z.B. die Mark Brandenburg - ein eher unbekanntes Gebiet gewesen, wonach in weit entfernten Gebieten wohl kaum eine Person benannt wurde: Typische Herkunftsnamen für Fremde sind Sachs, Hess, Tschech, Baier, Schwab u.a. Kurz: selbst als Herkunftsnamen für einen Fremden, der sich im Süden angesiedelt hat, halte ich die Vormark für äu´ßerst unwahrscheinlich.

zu 1): ich halte einen Spitznamen aus „Aufpasser“ (altes Wort ist „Merker“) für eher unwahrscheinlich.

zu 2)

Vielleicht entgegnest Du, dass Ev schreibt, dass die ehemalige Heimat „Pommern“ gewesen sei.

2a) Ich vermute mal, dass die besagte Familie evangelisch ist. Dann kommen die Exulanten aus der Zeit der Rekatholisierung Österreichs in Frage: damals mussten die evangelischen Bewohner sich binnen Stunden entscheiden, ob sie zum Katholizismus konvertieren, andernfalls wurden sie vertrieben und fanden beim deutschen Kaiser dahingehend Hilfe, dass er ihnen östlich der Oder (oft Ostpreußen) Land und Glaubensfreiheit anbot.

Denn in Österreich gibt es einen Ort „Vormark“ bei Linz an der Donau. Hier sind wir im typischen „-er“-Endungsgebiet für Familiennamen aus Herkunftsbezeichnungen, auch die Umwandlung von „a“ (Vormark) in „ä“ (= e)(VormErker) geht zusammen.

2b) sollte die Familie aber katholisch sein, so würde dies fast noch besser mit der Namensverteilung Mainz-Südhessen passen (denn wenn es Exulanten aus 2a) waren, warum sollten die sich gerade in Mainz-Südhessen nach der Flucht niederlassen? Da gibt es eigentlich keinen plausiblen Grund dafür, zumal im Telefonbuch von Linz und Umgebung keine „Vormerker“ zu finden sind. http://www.dasschnelle.at/)
Denn nochmal ca. 200 Jahre früher gab es eine Anwerbe-Aktion von armen Bauern aus Rheinland-Pfalz (und Südhessen/Nordbaden), in der Land und Steuerfreiheit denen versprochen wurde, die das Land östliche der Oder urbar zu machen bereit waren. So finden sich in Pommern-West-und-Ostpreußen viele katholische Familien, die ihren Ursprung in Westdeutschland hatten. Und da die Familien ihre Gene ja über die Jahrhunderte nicht verlieren, zog es diese Familien nach der Flucht nach dem 2. WK wieder zurück in ihre alte Heimat (ohne dass ihnen das bewusst gewesen wäre) - eben nach RhPf/Südhessen/Nordbaden.

Damit haben wir aber dann den Familiennamen noch nicht erklärt, da es in diesem Bereich leider keinen Ort „Vormark“ (oder ähnlich gibt).

Wenn der Name tatsächlich einen Wohnstättennamen widerspiegelt, so kann es aufgrund der Namensverteilung fast kein Ortsname sein, denn dann wäre der Name häufiger. Also muss es sich fast um einen Wohnstättennamen nach einem Flurnamen oder nach einem Gebäude(teil) handeln. Ich denke, dass wir heute diesen Namen nicht nur falsch betonen (und deshalb nicht auf die m.E. sehr einfache Bedeutung kommen), sondern auch falsch trennen.

Ich wage zu behaupten, dass es sich um einen sogenannten Satznamen handelt, der zu einem Wort zusammengezogen ist. Ich bin mir fast sicher, dass der Name richtig in „Vor-m-erk-er“ zu trennen ist. Damit ergibt sich der Satz „Vor dem Erk“ (mit der Herkunftsendung „-er“ als Suffix). Mittelhochdeutsch ist ärkaere/erkaere das turmartige Gebäude der Stadtmauer, in dem die Wache nach Feinden Ausschau hält. Wir kennen das Wort heute nur noch im Haus-Erker (Vorbau).
Damit war der erste Namensträger wohl derjenige, der „vor dem Erker der Stadtmauer“ gelebt hat. Dabei besagt das „vor“ nichts darüber aus, ob dies innerhalb oder außerhalb der Stadtmauer war (ich persönlich vermute aber außerhalb der Stadtmauer).

Damit ergibt sich ferner, dass es sich um einen Namen mit städtischem Ursprung handelt (Mainz?), einer Stadt, die eine Stadtmauer hatte. Da die Leute trotz aller Mobilität von heute selten weiter als 100 km von dem Ort bis heute weg gezogen sind, an dem ihr Familienname entstanden ist, bin ich mir sicher, dass es eben die Region Rhein-Main-Neckar war, wo dieser Name erstmals als Familienname verwendet wurde: Von Mitbewohnern um den ersten Namensträger zu spezifizieren, zu kennzeichnen, halt zu benennen.

Damit ergibt sich auch ein Anhaltspunkt für das Alter: Der Name dürfte - bei dieser Ursache „Vor dem Erk“ - sehr alt sein und wohl erstmals ca. 1100 bis spätestens 1200 erstmals als Familienname verwendet worden sein.

Sollte 2a) (Ort Vormark bei Linz) zutreffen, so wäre der Name ländlichen Ursprungs und ca. 1300 bis 1400 erstmals als Familienname verwendet worden, also deutlich jünger.

Meine Ausführungen zeigen - denke ich - deutlich, dass ein Name aus mehreren Ursachen entstanden sein kann. Letztliche Sicherheit bringt unter Umständen (mit Glück, dass die Quellen so weit zurückreichen) eine Forschung in Archiven.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.

Viele Grüße sendet und gute Nacht wünscht

Alexander

Hallo Herr Peren,
herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Nun nehme ich als Namensträger Vormerker selbst Stellung. Mein Vater wurde 1927 in Stargard in Pommern geboren. Die jetzigen Wohnorte in Mainz und Bensheim basieren auf Notwendigkeiten der Nachkriegszeit und sind eigentlich zufällig.

Die Vorfahren meines Vaters stammen seit mindestens 1800 aus Stargard in Pommern und waren wie mein Vater ebenfalls evangelisch. Einer der ältesten Taufregisterauszüge datiert auf das Jahr 1798. Als Geburtsort des Verfahren ist Sabow??? im Kreis Pyritz (Pommern) angegeben.

Insofern könnte Kreszentia vieleicht doch recht haben. da die Vormark und Stargard auf ziemlich gleicher geografischer Breite liegen.

Aber auch Ihre Aussage in 2a ist durchaus denkbar!! Auf jeden Fall scheint die Namensherkunft komplizierter zu sein als ich dachte. Nur schade, dass ich leider keine Verwandten mehr habe, die ich befragen könnte.

Ich werde an der Sache dranbleiben und nochmals Dank für Ihre umfangreichen Ausführungen.

Ernst Vormerker

Hallo Herr Peren,

ich muss mich nochmals melden. Auch Ihre Annahme, dass es sich um einen Satznamen handelt „vor dem Erker“, könnte doch durchaus zutreffen, denn Stargard - habe mich bei Wikipedia kundig gemacht - besaß eine Stadtmauer. Teile davon sind auch heute noch vorhanden.
Eigentlich gefällt mir dieser Lösungssansatz am besten.

Gruß

Ernst Vormerker

Gern geschehen!

Einen schönen Abend wünscht

Alexander Peren