Seltsame Beobachtung / Kapillarwirkung

Hallo,

bin neu hier, dies ist mein erster Beitrag.
Beruflich befasse ich mich mit Mikrelektronik, trotz recht vernünftiger Grundlagen in Physik kann ich mir eine Beobachtung, die ich vor längerer Zeit mal machte, nicht erklären…

Versuch einer Beschreibung des „Phänomens“:
Mit Spülwasser gefülltes Spülbecken in einer Küche. Aus Nachlässigkeit abends vergessen, das Wasser ablaufen zu lassen.
Über den Rand des Spülbecken hängt beidseitig ein Spültuch aus Vlies. Eine Ecke dieses Spültuches taucht in die Wasseroberfläche ein, die andere Seite „überbrückt“ den Rand des Spülbeckens, endet aber ca. 5cm OBERHALB der Wasseroberfläche.

Am nächsten Morgen sehe ich -zu meiner Überraschung- eine Pfütze auf dem Boden vor der Spüle. Aus der überhängenden Ecke des vollgesogenen Spültuches tropft es immer noch lustig auf den Fußboden. Wohlgemerkt, das Niveau der tropfenden Spültuch-Ecke war rund 5cm HÖHER als die Wasseroberfläche in dem Becken.

Für mich sah das ganze nicht wie der übliche statische Zustand einer Kapillarwirkung aus, bei dem dann ein einmal erreichter Zustand konstant gehalten wird.

Hat jemand eine Erklärung für die Beobachtung? Woher kommt die potentielle Energie für die „Wasserförderung“?

Viele Grüße,
Dieter

Hallo Dieter,

ein paar Mutmaßungen von mir dazu.

Du hattest Spülwasser, somit waren Tenside im Wasser, die die Oberflächenspannung herabsetzten bzw. die Benetzungsfähigkeit des Wassers deutlich herabsetzten.
Die Spitze des herabhängenden Tuchs lag unterhalb des Flüssigketsspiegels.
Das Tuch war feucht, als es über das Becken hing.

So:
Dann hat sich wahrscheinlich ein sehr dünner Film Wasser gebildet, der durch Kappilarwirkung bis zum Tuch reichte. Dort sorgten die Kappilarkräfte des Tuchs für ein weiteres ansteigen des Wassers und da die Fasern schon benetzt waren entstand eine korrespondierende Röhre.

Wie gesagt, meine Mutmaßung.

Gandalf

Hallo !

Wenn in einem laufenden Maschinenbetrieb eine kleine Leckage festgestellt wird und man kann im Moment nichts dagegen machen, hilft man sich mit der gleichen Methode. Man legt einen nassen Putzlappen zusammengerollt so, dass er die Nässe aufnimmt, hochsaugt und dann vielleicht in einen Eimer entwässert. Wenn dieser tiefer steht, als die Pfütze. So kann man Maschinenteile trocken halten.
Ähnlich funktioniert auch die Petroleumlampe.
Diese saugt, wenn der Docht oben brennt, das Petroleum aus dem Tank. Würde man den Docht oben verlängern, dass er umknickt und tiefer hängt als die Petr.oberfläche, würde der Tank leerlaufen. Zumindest so weit, wie der Docht tief hängt.

Lagernotschmierungen arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Ein Docht oder auch gedrehter Putzlappen hängt aus dem Eimer heraus und das Öl tropft auf die zu schmierende Stelle.

mfgConrad

Hallo nochmal,

vielleicht kam es in meiner Beschreibung nicht richtig rüber…
Das tropfende Ende dieses Vliesstuchs lag HÖHER (!) als der Wasserspiegel.

Gruß,
Dieter

Moin, Dieter,

vielleicht kam es in meiner Beschreibung nicht richtig
rüber…
Das tropfende Ende dieses Vliesstuchs lag HÖHER (!) als der
Wasserspiegel.

da war erste meine Vermutung gar nicht so falsch: Du knotest die kommunizierenden Röhren hier mit rein! Die spielen in dem Fall aber keine Rolle. Also nochmal von vorn:

Die Kapillarwirkung saugt Wasser im Putzlappen nach oben, bis es die Kurve über den Rand kriegt. Dann sinkt es auf der Außenseite nach unten und wird vom Lappen so lang gehalten, bis die dortigen Kapillarkräfte der Schwerkraft des nachkommenden Wassers nicht mehr standhalten.

Die Kapillaren auf der Innenseite wissen nichts davon, ob auf der Außenseite auch welche zugange sind oder nicht, sie saugen einfach fröhlich weiter. Deshalb genügt es für das Überlaufen, wenn der Lappen so gerade eben über den Rand hängt.

Gruß Ralf

Hallo Ralf,

diese Theorie ist nachvollziehbar. Fehlen nur noch Mikro-Wasserkraft-Turbine und Generator… Oder anders gefragt, wem wird für den theoretisch möglichen Wasser-Umlauf (man lässt es von dem Sptültuch nicht auf den Boden, sondern zurück ins Waschbecken tropfen) die Energie entzogen?

Gruß,
Dieter

Hi Dieter,

wem wird für den theoretisch möglichen Wasser-Umlauf
(man lässt es von dem Sptültuch nicht auf den Boden, sondern
zurück ins Waschbecken tropfen) die Energie entzogen?

dem Wasser - es wird kälter, vor allem aber weniger, weil ein Teil verdunstet. Schade eigentlich, jetzt waren wir so nah dran am Perpetuum mobile :smile:))

Gruß Ralf

Tja, da haben wir mal wieder Pech gehabt mit den-die-Welt-bewegenden Erfindungen.
O.k., aber nochmal zum Thema Erklärung: Hast Du eine Idee, wie der Zusammenhang der Abkühlung zu den beiden beteiligten Effekten ist??
Gruß,
Dieter

Hallo,

Das tropfende Ende dieses Vliesstuchs lag HÖHER (!) als der
Wasserspiegel.

und das ist in der Tat merkwürdig. Das ist eben was anderes als beim klassischen Fall, wo der fast volle Wischeimer durch den vergessenen Lappen leerläuft.
So, wie Du es beschrieben hast, wäre es eine Verletzung des Energieerhaltungssatzes. Und das Wasser wird auch nicht kälter dabei. Das wäre ja immer noch ein Perpetuum mobile der 2. Art.
Also bitte experimentiere weiter, versuche es zu reproduzieren, ändere die Bedingungen, mach Fotos und Videos.
Ich hätte im Moment nur eine Idee - dass die Verdunstung die treibende Kraft ist und auch die nötige Energie liefert. Also der Grossteil des Wassers verdunstet, und dadurch wird ein anderer Teil des Wassers mitgerissen, der dann den Weg über den Beckenrand nimmt. Vielleicht entsteht beim Verdunsten irgendwo ein Unterdruck, der irgendeinen anderen Prozess antreibt.
Also es ist längst nicht so trivial wie einige denken.

Olaf

Wie wäre es mit folgender Erklärung:

Das Wasser wird (mit Spülmittel) im Lappen hochgesaugt und kommt am anderen Ende erst einmal zum Stillstand, weil dieses über der Wasseroberfläche hängt.

Nun verdunstet Wasser (ohne Spülmittel) aus dem Lappen und neues Wasser (mit Spülmittel) strömt nach. Auf diese Weise steigt die Spülmittelkonzentration am oberen Ende des Lappens. Durch die steigende Spülmittelkonzentration sinkt die Oberflächenspannung am oberen Ende, wodurch die Kapillarität nachlässt.

Je geringer die kapillarität um so weniger wird das Wasser im Lappen festgehalten und irgendwann ist dann wohl eine Grenze überschritten worden, ab der das Wasser aus dem Lappen tropft, während am unteren Ende (bei geringerer Spülmittelkonzentration) neues nachfließt.

Im statioären Zustand müßte erstens genauso viel Spülmittel nachfließen wie heraus tropft und zweitens müßte die Menge des nachfließenden Wassers gleich der Summe des verdunstenden und heraustropfenden Wassers sein. Da die Tropfgeschwindigkeit somit proportional zur Verdunstung ist, müßte man diese Theorie experimentell überprüfen können, indem man die Verdunstung erhöht (z.B. mit einem Ventilator). Dabei müßte sich auch die Tropfgeschwindigkeit erhöhen.

Hallo
Das muß ich ja glatt einmal ausprobieren.
MfG