Hallo Wolfgang,
auch wenn ich erst in den 80er/90er Jahren zur Schule ging, möchte ich mich doch auch zu den von Dir aufgestellten Thesen äußern.
als ich in den 50ern zur Schule ging, gab es dort noch die
Prügelstrafe. Entwürdigend und heute unvorstellbar. In den
60ern, Schüler lasen die Bravo, tanzten Twist und hörten die
ersten Beatles-Songs, war Schule mit deutschem Lied- und
Volksgut endgültig auf verlorenem Posten. Aber meistens
kümmerte man sich um die Sprößlinge. In der Schule war es
nicht egal, wenn jemand zu spät kam. Es fiel auch auf, wenn
ein offenkundig schulpflichtiges Kind am Vormittag auf der
Straße herum lungerte. Allgemein war es auch unüblich, daß
sich Steppkes in den Nachtstunden irgendwo herum trieben oder
daß Eltern absolut keine Ahnung hatten, wie es im Zimmer ihrer
Ableger aussah.
Dies ist keineswegs Vergangenheit.
Es ist nur nicht mehr überall so.
Ich sehe hier schon Unterschiede zwischen Duisburg und München…
Wenige Jahre später ging das Schlagwort „antiautoritäre
Erziehung“ um und wurde vielerorts als Verzicht auf Erziehung
gründlich falsch verstanden. Das Schlagwort ist aus der Mode
gekommen, geblieben ist oft die Einstellung von wachsen lassen
und nicht kümmern.
Hier ist wohl das große Problem, dass das Schlagwort „antiautoritäre Erziehung“ von vielen Eltern so verstanden wurde, dass man sich ja, ach wie bequem, nicht mehr um die Kids kümmern müsste. Das war sicherlich nicht im Sinne des Erfinders, vielmehr schien es ja bei antiaut. Erz. um die Etablierung einer verständnisvollen und gnadenlos konsenorientierten Gesprächskultur zwischen Eltern und Kindern zu gehen.
Und das erfordert sehr viel Engagement der Eltern, wobei ich persönlich von antiautoritärer Erziehung nichts halte.
Kids need rules. Lasse sie sich entwickeln, aber lenke sie in die richtige Richtung.
Es mangelt an Werten, an Wertvorstellungen
und an Kultur.
Da gehe ich in gewissem Maße mit.
Da man „Kultur“ aber oft nur im Sinne von „Oper“ versteht, muss das schiefgehen. Der Begriff an sich ist mittlerweile schwer verkäuflich.
Kultur heisst auch „Diskussionskultur“, „Esskultur“, „Benehmen“. Und das haben viele Erwachsene schon nicht. Wie sollen die Kinder das dann lernen? Hier sehe ich die Schule als einzige Chance. Denn von Lehrern muss ich erwarten dürfen, dass sie diese Werte kennen. Schließlich schimpfen sie sich auch „Akademiker“.
Vielen ist mehr am neuen Auto gelegen. Außerdem
muß der Kredit für die Schrankwand und den Mallorca-Urlaub
bezahlt werden.
Ich habe hier vor einigen Monaten des Phänomen des „Konsumproleten“ angeprangert.
Gott, ist man hier auf mich losgegengen…
Der Deutsche wird immer mehr zum entmündigten Deppen.
Irgendwann muss man noch eine Bedienungsanleitung auf die Klopapierpackungen malen…
Es fehlt an einer im breiten Bewußtsein
verankerten Bildungskultur. Bietet ein Betrieb eine
Fortbildungsveranstaltung an, kann man ganz sicher sein, daß
es leidenschaftlich geführte Diskussionen darüber gibt, ob es
sich um bezahlte Überstunden handelt, wenn die
Lehrveranstaltung eine halbe Stunde länger dauert als der
normale Dienst.
Das habe ich vor einigen Wochen live bei uns in der Firma mitbekommen. Da kann man nichts ändern, der Deutsche an sich ist einfach ein Sozialist…
Interessant war auch, das bei einer Kollegin zu beobachten, deren Mann woanders in gehobener Position tätig ist und deren Söhne, ebenso wie sie und ihr Mann, alle Akademiker sind.
Als es um 1 Stunde die Woche Schulung ging, fragte sie, ob das bezahlt wird.
Ich dachte, ich höre nicht recht. Hätte sie das zu Hause am Esstisch gesagt, wäre sie vermutlich für 1 Woche des Hauses verwiesen worden.
Was ich damit sagen will ist, dass die faule, egoistische Sozialistendenke schon so tief in den Deutschen verankert ist, dass es sehr schwer sein wird, sich in diesem Land allgemein wieder mehr auf Leistung und Erfolg zu besinnen.
Einem 40jährigen Menschen tritt niemand in den
Hintern, wenn er sich für zu alt hält, um noch etwas zu
lernen. Wer keine Lust auf Arbeit hat, bezieht eben Stütze und
kommt auch über die Runden. Ach, und das bekommen die lieben
Kleinen nicht mit? Dann muß man sie wohl allesamt für blöd
halten. Wen wundert es in solchem Umfeld aus weicher
Polsterung und Leistungsfeindlichkeit, wenn es schwer fällt,
Kinder und Jugendliche zu motivieren? Der Nachwuchs lebt nur,
was ihm überall vorgelebt wird. Insofern ist das Bild von
Sozialverhalten und Leistungsbereitschaft in manchen
Klassenzimmern eine Vorschau auf den demnächst überall
vorherrschenden Normalzustand.
Das ist eben die große Frage.
Ich denke eher, es wird sich die bereits in den Grundfesten angelegte Zweiklassen- bzw. Dreiklassen-Gesellschaft noch weiter ausprägen.
Wer die Problematik nur an der Schule festmacht, springt zu
kurz. Ist ja auch bequemer. Wir haben sicher ein Problem in
den Schulen, aber wir haben in erster Linie ein
gesellschaftliches Problem, auf das die Schule nur ein
Schlaglicht wirft.
Da gehe ich mit, aber man kann nicht alles auf einmal regeln.
In der Schule anzusetzen kann ein guter Weg sein.
Irgendwo muss man anfangen.
Am Schulsystem orientierte Maßnahmen sind dringend nötig, aber
sie werden nicht reichen. Kurzfristig wird nichts wirklich
Spürbares zu ändern sein. Es muß in der gesamten Breite der
Bevölkerung eine Kultur der Bildung entstehen und das dauert
naturgemäß sehr lange. Vorher aber braucht es Leidensdruck.
Pisa-Vergleiche reichen dafür nicht. Inzwischen werden wir ein
stärkeres Auseinanderdriften von Bevölkerungsschichten
erleben, nämlich ein Bildungsbürgertum im Wohlstand und eine
breiter werdende Schicht chancenloser Menschen.
Richtig.
Wir kommen immer mehr in richtung des US-Systems.
Man machte 3 Klassen zu 2. Es gibt eine dünne Oberschicht und den breiten Mittelstand, der bis in die 80er einen relativ hohen Standard hatte. Nur sinkt dessen Standard im Moment drastisch in den USA. Die schöne, auif Krediten aufgebaute, Welt crasht halt, wenn der Job weg ist.
Wir haben in D noch 3 Klassen. Eben die dünne Oberschicht und einen sehr breiten Mittelstand, sowie auch einen großen Anteil Proletariat.
Ich fürchte, es wird nicht damit getan sein, das Proletariat immer noch fetter zu machen auf Kosten der beiden anderen Klassen, denn die Oberschicht hat ihr Geld sowieso woanders und der Mittelstand wird in absehbarer Zeit die Zahlung verweigern. Das erste „Aufbegehren“ sehen wir ja schon im Falle der Flucht in die privaten Krankenkassen.
Die Grenzen in der Gesellschaft sollten immer mehr verwischt werden, aber generelle Gleichmacherei führt offenbar zu Faulheit und Ignoranz.
Daher muss das Ziel sein, ein knallhartes Leistungsprinzip zu etablieren und die Kinder in der Schule dafür fitzumachen.
Wer mitmacht, kann Erfolg haben. Wer nicht mitzieht, hat keine Chance.
„Stütze“ darf nicht mehr das Ziel sein. Die muss so niedrig sein, dass sich Arbeit, auch bei McDonalds als Parkplatzkehrer, wieder richtig lohnt.
Die Alternative wäre der Agrarstaat, aber spätestens nach der ersten Missernte haben wir die alten Kommunisten um Ströbele und Trittin am Drücker und dann kommt am Ende eine Hungersnot.
Deshalb würde ich, um den Kreis zu schließen, doch dafür plädieren, wenigstens erst mal irgendwo anzusetzen und zunäächst mal das Bildungssystem zu entfilzen und fit für die Zukunft zu machen.
Der Rest kommt dann von selbst, wenn die Kinder schon in der Schule lernen, was das Land von ihnen will.
Ich würde mich hier ruhig etwas an den Amis orientieren, zumindest was die Motivationen betrifft. Schule ist Gemeinschaft. Wer nicht hingeht, ist alleine, weil alle anderen da sind.
Grüße,
Mathias