Sensationsmache oder Wahrheit

Hallo Experten!

Eine grosse Herausforderung an Euch: Meine Kollegin hat gesagt, dass der Pilot, der Melanie Thornton und andere auf dem Gewissen hat, ein Idiot war. Mein Wunsch ist es, diese gemeine These zu entkräften. Bitte helft mir… Gruss Chris…

Na na! Daß ein falsch eingestellter Höhenmesser nicht gerade dazu beiträgt, die beiden Piloten als Unschuldslämmer dastehen zu lassen, ist auch klar - aber sie gleich als Idioten zu bezeichnen gehört doch eher ins Reich der Sensationsmache, oder??

Wer sagt - bzw. wo steht geschrieben - daß der Höhenmesser falsch eingestellt war?

Markus

Die wirkliche Ursache wird sich wohl erst in einigen Jahren herausstellen, wenn das endgültige Gutachten fertig ist, ein technischer Schaden war es aber nach jetziger Ansicht nicht.
Nach dem, was ich gehört habe, ist zwar dieser Anflugweg erst kurz zuvor freigegeben worden, das ist aber kein Argument für einen zu tiefen Anflug auf dieser Strecke, auch nicht bei Nacht.
Eine zu niedrige Anflughöhe passiert aber schneller, als man meint. Im Luftraum E (diese Maschinen fliegen in ca. 21000 ft = 7000 m) oberhalb einer Flughöhe von 5000 ft MSL (Main Sea Level) oder 3500 ft GND (GrouND) (der höhere Wert ist maßgebend), wird der Luftverkehr gestaffelt: Um unabhängig von den Luftdruckschwankungen des Wetters zu sein, stellt jeder Pilot seinen Höhenmesser ab dieser Flughöhe auf 1013,2 hPa ein, d.h. der Höhenmesser zeigt bei einem Druck von 1013,2 hPa auf 0 ft. Damit fliegen alle Maschinen nach der gleichen Druck-Referenz, und können somit sicher in unterschiedlichen Höhen gestaffelt werden.
Im Sinkflug, muß aber unterhalb der gegebenen Höhe, wieder QNH (d.h. der Luftdruck des nächsten Flughafens) eingestellt werden, d.h. bei korrekter Einstellung zeigt der Höhenmesser dann 0 ft, wenn die Maschine aufsetzt.
Was passiert, wenn das vergessen wird :
Herrscht nun am Zielflugplatz niedrigerer Luftdruck als 1013,2 hPa, was ganz normal ist (da sehr selten die Normatmosphäre herrscht, also noch nicht einmal am Meer die 1013,2 hPa erreicht werden), zeigt der Höhenmesser einen falschen Wert an - nämlich zu hoch!
Bsp: (ISA-Atmosphäre = Höhenmesser-Eichung) 1013,2 hPa - 0 ft -> 898,7 hPa - 3000 ft; liegt der Flugplatz also nur 2000 ft (660m, in der Schweiz ist das nicht viel!) über dem Meeresspiegel, dann zeigt der falsch eingestellte Höhenmesser eine Höhe von 3000 ft an, die Höhe über Grund beträgt aber nur noch 3000 ft - 2000 ft = 1000 ft (300 m!) - also nur noch ein Drittel der angezeigten Höhe! Und das reicht sehr schnell aus, um bei Nacht die nächste Hügelkuppe abzurasieren!

Die wirkliche Ursache wird sich wohl erst in einigen Jahren
herausstellen, wenn das endgültige Gutachten fertig ist,

Genau das habe ich damit zum Ausdruck bringen wollen.

Nach dem, was ich gehört habe, ist zwar dieser Anflugweg erst
kurz zuvor freigegeben worden, das ist aber kein Argument für
einen zu tiefen Anflug auf dieser Strecke, auch nicht bei
Nacht.

Nein, den sogenannten VOR/DME - Anflug auf die Piste 28 gibt es schon seit vielen Jahren. Neu ist, daß er aufgrund von neuen Lärmschutzregelungen nun inbesonders abends nach 22 Uhr verstärkt (bzw. ausschließlich) genutzt wird. Zuvor wurde er hauptsächlich bei (zu) starken Westwinden für die Landung verwendet. Trotzdem sollte jeder in Zürich stationierte Pilot mit diesem Verfahren vertraut gewesen sein.

Herrscht nun am Zielflugplatz niedrigerer Luftdruck als 1013,2
hPa, was ganz normal ist (da sehr selten die Normatmosphäre
herrscht, also noch nicht einmal am Meer die 1013,2 hPa
erreicht werden), zeigt der Höhenmesser einen falschen Wert an

  • nämlich zu hoch!

An diesem Abend war der Lufdruck aber HÖHER als 1013,2 hPa, nämlich 1024 hPa QNH (d.h. auf Meereshöhe heruntergerechnet war der Luftdruck 1024 hPa. Der tatsächliche Luftdruck in Zürich war natürlich niedriger). Nach den bisher veröffentlichten Ausschnitten auf dem Cockpit Voice Recorder war dieses QNH auch korrekt eingestellt ( http://www.bfu.admin.ch/de/html/Presse_LX3597_1.htm ).

Bsp: (ISA-Atmosphäre = Höhenmesser-Eichung) 1013,2 hPa - 0 ft
-> 898,7 hPa - 3000 ft; liegt der Flugplatz also nur 2000
ft

Hier habe ich leider nicht kapiert, was du mir sagen willst, sorry. :frowning: Ich hatte allerdings den Eindruck, daß du QNH und QFE nicht ganz sauber getrennt hast. Kann das sein?

Auf jeden Fall sollte aber gesagt werden, daß es nicht so ist, daß man allein durch eine falsche Höhenmessereinstellung in den Wald fliegen muß. Jeder Instrumentenanflug hat gewisse Toleranzen bzgl. der Hindernisse und der Bodenfreiheit und ein potentieller Fehler von 100ft bedeutet nicht unbedingt eine Absturz. Niemand behauptet, daß Höhenmesser immer die exakte Höhe anzeigen; das tun sie nicht, da sie auch die Temperatur der Luft Abweichungen verursacht. Diese Fehler sind aber beim Design solcher Anflügen berücksichtigt.

Markus

1 Like

Bsp: (ISA-Atmosphäre = Höhenmesser-Eichung) 1013,2 hPa - 0 ft
-> 898,7 hPa - 3000 ft; liegt der Flugplatz also nur 2000
ft

Hier habe ich leider nicht kapiert, was du mir sagen willst,
sorry. :frowning: Ich hatte allerdings den Eindruck, daß du QNH und
QFE nicht ganz sauber getrennt hast. Kann das sein?

Korrekt, war ein Definitionsfehler. Ich bezog die Aussage auf QFE. Ich wollte damit ausdrücken, daß der geringere Orts-Luftdruck auf Grund der Höhe des Flugplatzes über MSL vom Höhenmesser weiterhin als Flughöhe interpretiert wird, da er sich auf den Luftdruck in Meereshöhe bezieht.

… ein potentieller Fehler von 100ft bedeutet nicht unbedingt :einen Absturz. Niemand behauptet, daß Höhenmesser immer die :exakte Höhe anzeigen; das tun sie nicht, da auch die :Temperatur der Luft Abweichungen verursacht. Diese Fehler sind :aber beim Design solcher Anflüge berücksichtigt.

OK. Wenn QNH korrekt eingestellt war, dann ziehe ich meine Aussage zurück. Ich kam nur drauf, weil dieser Fehler schon oft genug einen Absturz zur Folge hatte und diese Möglichkeit von Anfang an (bei uns in der FH München, Luftfahrzeugtechnik) in der Diskussion war.

Gibt es bis jetzt schon andere Hinweise auf die Ursache, oder halten sich die Ermittler weiterhin bedeckt?

Hallo Christiane

Aus Gründen der Pietät möchte ich der Meinung Deiner Kollegin widersprechen. Der Begriff „Verantwortunglos“ ist treffender.

Wenn ein Pilot am Vortag die Routen ZRH - Rom - ZRH - Tirana - ZRH fliegt, so dass er abends gegen 23.00 h wieder zuhause ist, um dann am nächsten Morgen gegen 8.00 h wieder am 80 km entfernten Airport zu sein, damit er einer Flugschülerin nebenberuflichen Unterricht erteilen kann und dann am späten Abend mit einem unerfahren Co-Piloten bei anspruchsvollen Schlechtwetterflug absolviert, dann ist das v e r a n t w o r t u n g s l o s.

Wenn der Co-Pilot sich möglicherweise nicht getraut hat, seinem ehem. autoritären Fluglehrer zu widersprechen, ist ein anderes Thema.

Jedenfalls wird die Lapidare Begründung für dieses Unglück „menschliches Versagen“ lauten.

Gruss
CrNiMo

Hallo Crimono,

na, Du lehnst Dich ja ganz schön weit aus dem Fenster…

Für einen erwachsenen Menschen reichen 7 Stunden schlaf doch eigentlich, und was der Pilot in seiner Freizeit macht, ist seine Sache. Ich sehe hier die Vorschriften eigentlich nicht verletzt.

Markus hat ja einen recht hilfreichen Link gepostet. Sicher hast Du ihn durchgesehen und im Rahmen Deiner Fachkenntnis beurteilt. Im Rahmen meiner Fachkenntnis (interessierter Laie) komme ich zu dem Schluß: So etwas kann passieren, auch ohne daß die Piloten eine unmittelbare Schuld tragen müssen. Warum?

Bei solch einen VOR-Approach wird das Flugzeug auf einem Leitstrahl, der von einer Funkeinrichtung (hier) in unmittelbarer Flughafennähe ausgeht, so ausgerichtet, daß es genau auf die gewünschte Piste zufliegt. Eine direkte Gleitpfadinformation hat der Pilot dabei nicht, bestenfalls eine Entfernungsanzeige, mit deren Hilfe er abschätzen kann, ob er für die Entfernung zu hoch oder zu tief ist. Da so eine Abchätzerei recht wackelig ist, gibt es eine vorgeschriebene Mindestöhe - hier rund 1000 Fuß über Flughafenhöhe, also recht viel - die der Pilot nur dann unterschreiten darf, wenn er Bodensicht hat.

Beim erreíchen der Mindesthöhe war Bodensicht gegeben, das Flugzeug sank also korrekt weiter. Ob der Pilot die Piste bereits sah, ist unklar (Frage der horizontalen Sichtweite). Das ist aber auch prinzipiell zweitrangig, denn der Leitstrahl wird das Flugzeug sicher zur Piste führen, wobei man unter Sicht ausreichenden Abstand zum Boden hält.

So, nun stelle Dir folgende Situation vor: Es ist dunkel. Auf dem Weg zur Piste befindet sich eine Erhebung von 500 Fuß über Platzhöhe. Diese ist natürlich durch rote Warnleuchten markiert. Jetzt könnte es aber durchaus sein (als eine der Erlärungsmöglichkeiten), daß ungkücklicherweise über genau diesem Hügel eine (wegen der Dunkelheit nicht sichtbare) Nebelbank befand - die roten Warnlichter daher nicht sichtbar. Was sieht nun der Pilot auf so einem Anflug? Vermutlich Häuser, Straßen bzw. deren Beleuchtung, dazwischen aber ein schwarzer Fleck. Das kann nun ein See sein, ein Feld, der Stadtpark oder alles Mögliche andere. Es gibt ja selbst in Mitteleuropa mehr unbeleuchtete als beleuchtete Flächen. Der Pilot fliegt weiter, in die Nebelbank hinein, und sieht plötzlich gar nichts mehr. In diesem Moment entscheidet er sich korrekterweise (da Bodensicht verloren) für das sofortige Durchstarten - und es kracht. So schnell kann es gehen.

Du siehst, es ist durchaus möglich, daß der Pilot alle Vorschriften korrekt befolgt hat - und trotzdem ist der Unfall passiert.

Was wäre zu fordern? Weiterflug nur bei Sichtkontakt mit der Piste? Selbst dann können solche Unfälle noch passieren, nämlich dann, wenn der versteckte Hügel erst im letzen Moment (Sinkflug!) die Sicht auf die Piste plötzlich verdeckt.

VOR-Anflüge sind nun einmal wesentlich unsicherer als die ILS-Verfahren, auf denen der Pilot eine beständige Gleitpfadinformation hat. Wäre kein Fehler gewesen, so eine Anlage in Zürich auf dieser Piste zu installieren (oder dieses noch nachzuholen).

Oliver

1 Like

Hallo Oliver

na, Du lehnst Dich ja ganz schön weit aus dem Fenster…

Eigentlich nicht!

Für einen erwachsenen Menschen reichen 7 Stunden schlaf doch
eigentlich, und was der Pilot in seiner Freizeit macht, ist
seine Sache. Ich sehe hier die Vorschriften eigentlich nicht
verletzt.

Die vorgeriebene Ruhezeit ist 10 Stunden! Das mit der Freizeit ist richtig. Stell’ dir mal vor so ein Pilot macht in seiner Freizeit einen Marathonlauf und setzt sich dann ins Cockpit. Verletzt er eine Vorschrift? Ist er verantwortungslos?

Hier noch ein Artikel aus der SonntagsZeitung; 2001-12-02;
Seite 3

Unfallpilot Lutz erteilte am Unglückstag noch Flugunterricht

Erste Untersuchungen zeigen, dass der Crossair-Kapitän den Sinkflug des Jumbolinos zu früh eingeleitet hat

ZÜRICH - Der Kapitän des abgestürzten Crossair-Jumbolinos arbeitete am Morgen des Unglückstags noch als Fluginstruktor. Zur Absturzzeit war Hans Lutz beinahe 16 Stunden auf den Beinen.

Um 8.30 Uhr des Unglückstages traf sich Crossair-Pilot Lutz mit Flugschülerin Sabine B. (Name der Redaktion bekannt) zu einem Instrumententrainingsflug. Die Flugbegleiterin einer Schweizer Airline lässt sich bei der Horizon Swiss Flight Academy in Bülach zur Linienpilotin ausbilden. Inhaber ist der Zürcher Kantonsrat Bruno Dobler, der bei der Crossair auch als Jumbolino-Pilot fliegt. Berufskollege Hans Lutz war bei Horizon seit vielen Jahren als Instruktor tätig. Der Nebenjob war gemäss den Crossair-Vorschriften lediglich meldungs-, aber nicht bewilligungspflichtig.

Etwa 45 Minuten nach dem Check-in starteten Lutz und Sabine B. in einer zweimotorigen Piper Seneca III der Horizon zu ihrem Schulflug ins süddeutsche Donaueschingen. «Er war ein hervorragender Ausbildner», erinnert sich Sabine B. Zwei Stunden später kehrten sie über Friedrichshafen wieder auf den Flughafen Zürich zurück.

Zum Zeitpunkt des Unglücks 16 Stunden auf den Beinen

Um 17.20 Uhr meldete sich Lutz zu seinem regulären Dienst als Crossair-Kapitän. Zusammen mit Kopilot Stephan Löhrer flog er anschliessend nach Berlin-Tegel. Der Start des Jumbolinos in Zürich verzögerte sich um 34 Minuten, weil er zunächst enteist werden musste. Den ganzen Tag über bestimmten Kälte, Regen und Schnee das Wetter. Um 19.30 Uhr erreichten die beiden Piloten den Berliner Flughafen. Das Flugzeug verfügte über genügend Treibstoff und musste nicht betankt werden. 20 Minuten später war der Jumbolino erneut in der Luft, mit neuen Passagieren an Bord. Eine Stunde später stürzte die Maschine beim Landeanflug auf die Piste 28 in den Wald bei Bassersdorf.

Bereits am Tag zuvor war Kapitän Lutz den ganzen Tag unterwegs gewesen. Um 10.55 Uhr fand er sich am Freitag auf dem Zürcher Flughafen ein. Zuerst flog Lutz von Zürich nach Tirana und zurück, anschliessend nach Mailand und wieder retour. Um 21.31 Uhr beendete Lutz seinen Dienst. Sein Wohnort liegt knapp 40 Autominuten vom Flughafen entfernt. Gemäss diesen Angaben konnte Lutz die vorgeschriebene Ruhezeit von 10 Stunden gerade noch einhalten, bevor er sich am Samstag zu dem Schulflug aufmachte. Geht man davon aus, dass Kapitän Lutz am Samstagmorgen etwa um 7 Uhr aufgestanden war, befand er sich zum Zeitpunkt des Unglücks rund 16 Stunden auf den Beinen. Seine für Samstag gültige Dienstzeit - gerechnet vom morgendlichen Check-in um 8.30 Uhr bis zum Absturz um 22.06 - betrug demnach knapp 14 Stunden, womit Lutz das vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zulässige Maximum erreicht hatte.

Eine weitere unvorhersehbare Verzögerung hätte genügt, und Lutz’ Dienstzeit wäre überschritten gewesen. Ein Risiko, das der Pilot angesichts des schlechten Wetters auf jeden Fall in Betracht ziehen musste. Aus der Unfallforschung ist zudem bekannt, dass das Fliegen unterschiedlicher Flugzeugtypen am selben Tag ein hohes Fehler- und Unfallpotenzial beinhaltet. Als Kapitän, Fluglehrer und Bazl-Prüfungsexperte interpretierte Lutz seine Vorbildfunktion sehr eigenwillig.

Vorgesehen war ein Anflug auf die leichtere Piste 14

Neue Fragen wirft auch die vorläufige Rekonstruktion des Unglücksfluges auf. Am Freitag stellte das Büro für Flugunfalluntersuchungen (BFU) eine erste Auswertung der Aufzeichnungsgeräte vor. Demnach hatten die beiden Piloten von Flug LX 3597 um 21.58 Uhr die Freigabe für einen Standardanflug auf Piste 28 erhalten. Gerechnet hatte die Crew eigentlich mit einem Anflug auf die Piste 14, die über ein Instrumentenlandesystem verfügt. Gemäss den vorgeschriebenen Landeverfahren durfte Kapitän Lutz zu diesem Zeitpunkt nicht unter eine Höhe von 1524 Meter absinken. Erst wenn die Maschine 18 Kilometer vom Flughafen entfernt ist, darf sie auf 1220 Meter hinuntergehen. Doch Lutz, der das Flugzeug steuerte, begann den Sinkflug bereits viel früher und befand sich schon vor Beginn der Rechtskurve rund 300 Meter zu tief. Die fehlende Höhe wurde ihm und den anderen an Bord wenige Minuten später zum Verhängnis.

Auffallend ist auch, dass der Jumbolino nach der Rechtskurve einige Hundert Meter südlich des vorgeschriebenen Landepfades von 275 Grad flog. Diese Abweichung wie auch die zu geringe Höhe hätten Lutz oder seinem Kopiloten anhand der Cockpit-Instrumente auffallen müssen. Möglich ist, dass der Flugkapitän versuchte, wegen des schlechten Wetters optische Anhaltspunkte für seine momentane Position zu finden. Offenbar war die Abweichung auch dem Kopiloten nicht aufgefallen - oder er traute sich nicht, dem viel älteren und erfahreneren Kapitän dreinzureden. Der 25-jährige Stephan Löhrer absolvierte bis zu seinem Tod nur 392 Flugstunden, davon 250 auf dem Jumbolino. Seine Ausbildung machte er bei der Horizon-Flugschule. Der 57-jährige Lutz zählte 19 370 Stunden, davon 286 auf dem Jumbolino. Beide wurden erst seit dem Sommer auf diesem Flugzeugtyp eingesetzt.

Ein weiteres Alarmsignal überhörten die Piloten, als sie den Funkspruch einer vor ihnen fliegenden Saab 2000 der Crossair mitbekamen. Der Pilot wies den Kontrollturm nach der Landung darauf hin, dass die Sicht «am Minimum» sei und er die Landebahn erst knapp 300 Meter vor der Schwelle zu Gesicht bekommen habe. Nachdem Kapitän Lutz die Mindestsicherheitshöhe von 728 Metern durchbrochen hatte, sagte er gemäss Stimmenaufzeichnungsgerät zu seinem Kopiloten, dass er über eine «gewisse Sicht» auf den Boden verfüge. Was damit gemeint war, bleibt bislang unklar. Eigentlich hätte der Pilot an dieser Stelle die Landehilfslichter links neben der Piste sowie die Pistenbeleuchtung sehen müssen. Stattdessen erklang vom Radarhöhenmesser eine «Minimum»-Meldung. Spätestens jetzt hätte der Pilot durchstarten müssen. Zwar gab Kapitän Lutz einige Sekunden später genau diesen Befehl - da war es aber bereits zu spät. Die ersten Aufschlagspuren fanden die Unfallermittler später in einer Baumkrone, 185 Meter unter der vorgeschriebenen Sicherheitshöhe und knapp 300 Meter südlich der Landebahn-Mittellinie, auf der LX 3597 hätte aufsetzen sollen.

Hallo Crimino,

Zur Absturzzeit war Hans Lutz beinahe 16 Stunden auf den
Beinen.

Soll vorkommen. Wer sieben Stunden am Tag schläft, ist sogar regelmäßig 17 Stunden auf den Beinen.

Gemäss diesen Angaben konnte Lutz die vorgeschriebene Ruhezeit
von 10 Stunden gerade noch einhalten (…) Seine für Samstag
gültige Dienstzeit betrug knapp 14 Stunden, womit Lutz das vom
Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zulässige Maximum erreicht
hatte.

Wollen wir mal festhalten: Erstens wurde die Ruhezeit, zweitens
die maximale Dienstzeit korrekt eingehalten.

Aus der Unfallforschung ist zudem bekannt, dass das Fliegen
unterschiedlicher Flugzeugtypen am selben Tag ein hohes Fehler-:und Unfallpotenzial beinhaltet.

…ebenso wie vorheriges langes Autofahren, Streit mit der Ehefrau, frisch verliebt sein, Sodbrennen haben, lange lesen…

Man kann ja niemandem, auch in einem Piloten nicht, vorschreiben, er habe während der Freizeit im Bett zu liegen, nur damit er für das Unternehmen voll einsetzbar ist.

Doch Lutz, der das Flugzeug steuerte, begann den Sinkflug
bereits viel früher und befand sich schon vor Beginn der
Rechtskurve rund 300 Meter zu tief.

Laut Karte vielleicht. Die Höhenanweisungen werden in dieser Flugphase aber vom Radarlotsen gegeben. Vermutlich wies dieser eine niedrigere Flughöhe zu, z.B. weil das Flugzeug enger am Flughafen geführt wurde als die Standardprozedur dies vorsah.

Die fehlende Höhe wurde ihm und den anderen an Bord wenige
Minuten später zum Verhängnis.

Nein! Schließlich ist es doch egal, aus welcher Höhe der Anflug begonnen wurde! Entscheidend ist, daß die Maschine nicht ohne Bodensicht unter die Mindestflughöhe geflogen wird. Die Mindestflughöhe wurde korrekt erkannt, es bestand Bodensicht, das Flugzeug sank korrekt weiter.

Auffallend ist auch, dass der Jumbolino nach der Rechtskurve
einige Hundert Meter südlich des vorgeschriebenen Landepfades
von 275 Grad flog.

Es gibt gewisse Toleranzen für einen VOR-Anflug. Einige hundert Meter sind bei einer Entfernung von vier Meilen von der Piste eigentlich im Rahmen des üblichen.

Ein weiteres Alarmsignal überhörten die Piloten, als sie den
Funkspruch einer vor ihnen fliegenden Saab 2000 der Crossair
mitbekamen. Der Pilot wies den Kontrollturm nach der Landung
darauf hin, dass die Sicht «am Minimum» sei und er die
Landebahn erst knapp 300 Meter vor der Schwelle zu Gesicht
bekommen habe.

Laut dem vorläufigen offiziellen Untersuchungsbericht schlicht falsch: Die Saab 2000 hatte die Piste 2 Meilen vor dem Aufsetzen in Sicht. Bei 300 Metern Sicht könnte man auch keinen VOR-Anflug mehr fliegen, das ist schon mit einem ILS nicht ganz einfach. Die Horizontalsicht war am, aber nicht unter dem Minimum. Kein Fehler.

Stattdessen erklang vom Radarhöhenmesser eine «Minimum»-:Meldung. Spätestens jetzt hätte der Pilot durchstarten müssen.

Nochmal: Unsinn! Das Minimum von rund 1000 Fuß war ja schon längst unterschritten, und zwar korrekt, mit Bodensicht. Offenbar war der Radarhöhenmesser auf das Standardminimum von 200 Fuß bei ILS-Anflügen gesetzt, was aber irrelevant ist - die eigentliche Mindesthöhe war ja korrekt erkannt worden. Der Ausruf „Minimum“ bedeutete für den Piloten also nicht „Durchstarten“ (sowieso nicht, denn er hatte ja Bodensicht!) sondern „Du bist jetzt noch 200 Fuß hoch“. Niedrig, dafür, daß die Piste noch nicht zu sehen ist, aber solange Bodensicht besteht, immer noch korrekt. Diese ging offensichtlich erst kurz danach verloren.

Die ersten Aufschlagspuren fanden die Unfallermittler später in
einer Baumkrone, 185 Meter unter der vorgeschriebenen
Sicherheitshöhe und knapp 300 Meter

Hier wird nochmal versucht zu suggerieren, der Pilot habe die Sicherheitshöhe unerlaubt unterschritten. Aber, wie gesagt, mit Bodensicht darf er das ja, vielmehr muß er es sogar, wenn er irgendwann landen will.

Ich finde diesen Artikel fast schon verleumderisch. Zeitungen, die jemandem zum Sündenbock machen, verkaufen sich halt gut. Würde mich mal interessieren, ob sich die Angehörigen des Piloten jetzt deswegen irgendwelche Beschimpfungen gefallen lassen müssen.

Find ich nicht gut, sowas.

Oliver

1 Like

nochmal ich :wink:

Habe doch eben in Markus’ Link nochmal nachgelesen, ob die Rechtskurve am Anfang des Anfluges tatsächlich zu tief geflogen wurde: Nicht einmal das ist richtig. Vorgeschrieben sind 4000 Fuß (danach: 3600), die Maschine war zu diesem Zeitpunkt im Sinkflug von 5000 an 4000. War also soweit alles völlig korrekt gemacht.

Die Anflugkarte weist hohes Gelände nördlich des Anflugpfades aus - vielleicht hat der Kapitän den Flieger also absichtlich ein paar hundert Meter weiter südlich gehalten.

Übrigens: Das Hindernis, gegen welches das Flugzeug letztendlich geflogen ist, ist, soweit ich es auf der Karte von Markus’ Link erkennen kann, nicht auf der Karte ausgewiesen. Kaum zu glauben!

Die obige Nebelfeldhypothese stützend, darf der Anflug derzeit nicht geflogen werden, wenn bodennahe Nebelfelder irgendwo in der Anflugregion „herumhängen“, ganz unabhängig davon, bei welcher Höhe der Boden in Sicht kommt („Es dürfen sich weder Nebel, einzelne Wolken oder Nebelschwaden unter der minimalen Wolkenuntergrenze befinden“, Quelle: http://www.vogel-hannover.de/LF/Archiv/aktuelles11.htm)

Crimino, verstehe mich bitte nicht falsch - ich meckere nicht an Deinem Posting herum, wohl aber über die Zeitung, die mit solchen Artikeln einen unheimlichen Schaden anrichtet. Wenn man da nicht genau nachhakt, dann merkt man das gar nicht, denn auf den ersten Blick klingt das ja alles ganz logisch, was die da schreiben.

Ich habe den starken Eindruck, daß die Anflugprozedur an sich zu gefährlich bzw. die vorgeschriebenen Minima einfach nicht streng genug waren. Hat man ja jetzt auch geändert. Hoffentlich kriegen die bald ein anständiges ILS.

Oliver

Hallo Olivier

Kleine Ergänzung noch:

Es war bereits der zweite Totalschaden, den Herr Lutz verursacht hat. Leider war dieses Mal auch erheblicher Personenschaden zu beklagen.

Bezgl. der Ruhezeiten kann ich Deine Argumentation für Dich als Mediziner nachvollziehen, Ihr seid sklavenartige Arbeitstage gewöhnt. Wenn Ihr trotzdem Fehler macht, geht halt einer über die Wupper. Macht ein übermüdeter Pilot einen Fehler, dann ist die Opferzahl grösser.

Und das Herr Lutz es mit der Bodensicht grundsätzlich nicht so hatte, ist dadurch dokumentiert, dass er etwa zwei Jahre vorher in einer Crossair-Maschine unter Sichtflugverhältnissen den Flugplatz Aosta statt Sion ansteuerte.

Warum er übrigens die Umschulung von der Saab 2000 auf die MD83 abgebrochen hat, wird in Pilotenkreisen aus kolportiert: Mit den Jets ist ihm alles zu schnell gewesen…
(aber das sind vielleicht nur böse SR-Piloten, die sowas erzählen)

Sorry, aber das Ding geht mit Sicherheit auf die Kappe von Herrn Lutz.

Gruss
CrNiMo

Hallo Crinimo,

Tja… Mehr als Argumente kann ich leider auch nicht bringen.

Warum hast Du Dich denn so sehr auf den Mann eingeschossen? Verstehe ich nicht. Hast Du jemandem bei dem Absturz verloren?

Aber, laß gut sein, gehört nicht hierher. Lassen wir die Sache einfach einmal auf sich bewenden.

Oliver

Hallo Oliver

Tja… Mehr als Argumente kann ich leider auch nicht bringen.

Warum hast Du Dich denn so sehr auf den Mann eingeschossen?

Mist, es war nicht beabsichtigt, dass das soo rüberkommen sollte.

Verstehe ich nicht. Hast Du jemandem bei dem Absturz verloren?

Gott sei Dank nicht! Ich glaube nur, dass die offizielle Untersuchung im CH-Filz ähnlich im Sande verläuft, wie beim LX-Absturz von Jan. 2000. Der Abschlussbericht wird auch solange unter Verschluss gehalten, bis die Crossair als SWISS die Nachfolge der Swissair angetreten hat.

Wusstest Du übrigens, dass die Crossair-Jets keine Schubumkehr haben? Das Gewicht will man sparen. Dann passieren schon mal solche Landungen wie vor Weihnachten 2001 in Sarajevo.

Gruss
CrNiMo