Sicherheitsabstand

Hallo Experten,

angeregt durch den heutigen Blitzermarthon ging mir folgende Konstellation durch den Kopf:

Man stelle sich auf der Autobahn eine Kolonne auf der Überholspur vor, weil das führende Fahrzeug sehr langsam überholt. Als dieses auf die rechte Spur wechselt, beschleunigen alle Hintermänner drauf los, die einen haben mehr Power, die anderen weniger. Dadurch verringert sich mehreren KfZ vorübergehend der Sicherheitsabstand, bis der Vordermann Fahrt aufgenommen hat und der Abstand wieder größer wird. Die Fahrer orientieren sich an den schneller beschleunigenden Fahrzeugen, während bei manchen der eigene Vordermann kurz etwas langsamer ist.

Nun passiere genau das mit dem vorübergehend zu geringen Abstand aber vor einer Brücke, auf der Abstandsmessungen stattfinden. Einem Hintermann würde nun Unterschreiten des Sicherheits-Abstands vorgeworfen (180 € und 3 Punkte, kein Fahrverbot).

Es liegt ja nun ggf. genau während der Messung kein wachsender Abstand vor, vielleicht verringert er sich auch gerade. Aber das ist aus der Gesamtsituation des allgemeinen Beschleunigens ein nur kurzer Zeitraum, aber sagen wir mal, das wären die 300m gewesen, die es für den Vorwurf braucht. Folgt daraus auch schon die Gefährdung des Vordermanns? Oder ist das einer der Fälle, bei denen die Gesamtwürdigung dann doch dazu führt, einen Verstoß zu verneinen?

P.S. Nein, ich bin nicht betroffen. Es ist rein hypothetsch.

VG
EK

Aber das ist aus der Gesamtsituation des allgemeinen Beschleunigens
ein nur kurzer Zeitraum, aber sagen wir mal, das wären die
300m gewesen, die es für den Vorwurf braucht.

Es sollte daraum gehen, ob der Abstand ausreichend oder nicht ausreichend war. Und nicht wie lange er eventuell nicht ausreichend war. Der Abstand ist nicht ausreichend, wenn man sein Fahrzeug bei plötzlichem Bremsen des Vorrausfahrenden nicht ohne Kollision mit diesem Abbremsen kann.* Und der Vorrausfahrende kann dieses plötzliche Bremsen eben auch genau in der beschriebenen Zeitspanne einleiten.

Gruß
Paul

*Weiterhin kann der Abstand zum Vorrausfahrenden auch die übersehbare Strecke vor einem darstellen, in der man halten können muss.

Schon klar, ich will auf Folgendes hinaus:

Zur Begehung des Delikts müssen bei PKW 2 (!) Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Abstandsunterschreitung für nicht nur unerhebliche Zeit (250-300m)
  2. Der zu geringe Abstand müsse den Vordermann zumindest abstrakt „gefährdet“ haben, was nach allen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen sei

Nicht jede Abstandsunterschreitung reicht also aus. Nur wann ist denn dieser Fall gegeben, dass der Vordermann nicht gefährdet war? Hier wäre es ja nicht zu plötzlichen Bremsmanövern des Vordermanns gekommen, es wäre alles für beide nach vorne einsehbar, Vordermann gibt nur langsamer Gas bzw. hat braucht zum Beschleunigen länger. Ist das so ein Fall? Oder hat jemand andere Beispiele parat?

VG
EK

das ist aus der Gesamtsituation des allgemeinen Beschleunigens
ein nur kurzer Zeitraum, aber sagen wir mal, das wären die
300m gewesen, die es für den Vorwurf braucht.

Hallo,

es wird davon ausgegangen das auf einer Strecke von 300m es möglich ist den Abstand wieder zu vergrößern. Bleibt der Abstand gleich oder wird geringer, dann ist es ein Abstandverstoß.

Folgt daraus
auch schon die Gefährdung des Vordermanns? Oder ist das einer
der Fälle, bei denen die Gesamtwürdigung dann doch dazu führt,
einen Verstoß zu verneinen?

Mit Gefährdung wäre es ein anderer Tatbestand und teurer. Es wird nur Fahrlässigkeit vorgeworfen.

Gruß

Nostra

Hallo,

nein, das meine ich nicht.

Hier mal aus einem Urteil des OLG Karlsruhe:

Diesen Anforderungen genügt der Abstand nur, wenn er bei etwa gleicher Geschwindigkeit beider Fahrzeuge die Strecke deutlich übersteigt, die der Hintermann in 1 Sekunde zurücklegt. Dieser Satz ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt (BayObLG, DAR 55, DAR Jahr 55 Seite 285; OLG Hamm, NJW 67, NJW Jahr 67 Seite 2324; Mühlhaus, DAR 67, DAR Jahr 67 Seite 260; sämtlich mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Er beruht auf der Erwägung, daß der Hintermann vom Erkennen des Aufleuchtens der Bremslichter des Vordermannes an etwa 1 Sekunde als Reaktions- und Bremsansprechzeit benötigt, bis seine eigenen Bremsen wirksam werden (BayObLG, OLG Hamm und Mühlhaus, aaO) und daß ein dichteres Auffahren daher allgemein gefährlich ist. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung gefordert, der Sicherheitsabstand auf Autobahnen müsse die in einer Sekunde durchfahrene Strecke so deutlich übersteigen, daß er in der Regel der in 1,5 Sekunden durchfahrenen Strecke gleichkommen müsse (Senatsurteile v. 25. 11. 1965, 1 Ss 221/65; 3. 11. 1966, 1 Ss 186/66; v. 29. 12. 1966, 1 Ss 258/66; v. 26. 1. 1967, 1 Ss 293/66; v. 18. 5. 1967, 1 Ss 212/66; v. 8. 12. 1066, 1 Ss 243/66 und weitere). Hieran ist festzuhalten. Der Kraftfahrer, der auf der Autobahn einen geringeren als diesen sogenannten „1,5-Sekunden-Abstand” einhält, handelt daher pflichtwidrig und hat für einen dadurch verursachten Schädigungserfolg nach § 1 StVO strafrechtlich einzustehen.

Tritt eine Schädigung nicht ein, so kommt es darauf an, ob das Unterschreiten des gebotenen Sicherheitsabstandes im Einzelfall zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Vorausfahrenden, geführt hat. Ist nichts passiert, so kann unter normalen Verkehrsverhältnissen auf der Autobahn eine konkrete Gefährdung in der Regel dann angenommen werden, wenn die in 1,5 Sekunden durchfahrene Strecke um nahezu die Hälfte unterschritten worden ist. Denn etwa die Hälfte der in 1,5 Sekunden durchfahrenen Strecke entspricht derjenigen, die in etwa 0,8 Sekunden durchfahren wird. Dieser Zeitraum aber wird von dem Nachfahrenden mindestens als Reaktions- und Bremsansprechzeit benötigt. Mit anderen Worten: Unter normalen Verkehrsverhältnissen auf der Autobahn wird die im zu dichten Auffahren auf den Vordermann liegende allgemeine Gefahr zu einer konkreten Gefährdung, wenn ein Auffahren nicht mehr vermieden werden kann, falls der Vordermann eine Vollbremsung vornimmt und hält. Ein solches Auffahren kann regelmäßig nicht mehr vermieden werden, wenn der gebotene Sicherheitsabstand um etwa die Hälfte unterschritten wird, so daß er unter die in 0,8 Sekunden durchfahrene Strecke abgesunken ist. In solchen Fällen ist eine konkrete Gefährdung des Vordermannes stets gegeben (vgl. die angeführte Rechtsprechung des Senats).

Liegen besondere Umstände vor, ist z.B. die Geschwindigkeit des Hintermanns größer als die des Vordermanns oder muß auf Grund der gegebenen Verkehrssituation mit plötzlichem, ruckartigem Anhalten des Vorausfahrenden gerechnet werden (z.B. wenn bei Kolonnenfahren die Vorausfahrenden allgemein zu dicht aufgefahren sind oder sonst Anhaltspunkte für das Auftauchen von Hindernissen bestehen), so kann das dazu führen, im Einzelfall eine konkrete Gefährdung schon bei geringerer Unterschreitung des gebotenen Abstandes, der in solchen Fällen je nach Sachlage bis zur Länge des Anhalteweges verlängert werden muß, anzunehmen. Entsprechendes kann gelten, wenn im Einzelfall eine Belästigung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer nachzuweisen ist etwa deshalb, weil sie durch zu dichtes Auffahren irritiert und in ihrer eigenen Fahrweise unsicher gemacht worden sind.

VG
EK

Hallo

Man stelle sich auf der Autobahn eine Kolonne auf der
Überholspur vor, weil das führende Fahrzeug sehr langsam
überholt. Als dieses auf die rechte Spur wechselt,
beschleunigen alle Hintermänner drauf los, die einen haben
mehr Power, die anderen weniger. Dadurch verringert sich
mehreren KfZ vorübergehend der Sicherheitsabstand, bis der
Vordermann Fahrt aufgenommen hat und der Abstand wieder größer
wird. Die Fahrer orientieren sich an den schneller
beschleunigenden Fahrzeugen, während bei manchen der eigene
Vordermann kurz etwas langsamer ist.

Also Unterschreiten des Sicherheitsabstands, dazu ausserdem noch höhere Geschwindigkeit als der Vordermann, was den nötigen Abstand sogar noch vergrössert.

Es liegt ja nun ggf. genau während der Messung kein wachsender
Abstand vor, vielleicht verringert er sich auch gerade. Aber

Also ist es keiner der Fälle, in denen der zu dicht Auffahrende keine Schuld hat (zB Vordermann hat gebremst, ein Fahrzeug ist vor ihm eingeschert, etc.)

das ist aus der Gesamtsituation des allgemeinen Beschleunigens
ein nur kurzer Zeitraum, aber sagen wir mal, das wären die
300m gewesen, die es für den Vorwurf braucht. Folgt daraus
auch schon die Gefährdung des Vordermanns? Oder ist das einer
der Fälle, bei denen die Gesamtwürdigung dann doch dazu führt,
einen Verstoß zu verneinen?

Der hinterherfahrende vermindert aktiv und „ohne Grund“ den Abstand, er fährt schneller als der Vordermann, beschleunigt sogar noch - im Bremsfall würden also selbst die minimalen, von dir zititren 0,8 Sekunde nicht ausreichen. Dazu kommt noch, dass das Ganze in dieser engen Überholkolonne passiert.
Die Gesamtwürdigung (Gefährdungslage, Vermeidbarkeit) dürfte kein entschuldbares Verhalten finden, eher das Gegenteil.

Gruß, DW.