Sigmund Freud

Hallo Zusammen,

wollte nach Eurer Meinung fragen.
Freud ist vor 150 Jahren geboren, er war der Begründer der Psychoanalyse und war hochverehrt. In welchem Licht steht er denn Eurer Meinung nach heute?

Und diejenigen, die sich mehr mit Freud beschäftigt haben: hättet Ihr wohl Zitate von Freud zum Gewissen und zur Selbsterfahrung für mich parat?

Außerdem frage ich mich, welcher Psychoanalytiker oder Psychologe mit welchen Ansätzen heutzutage richtungsweisend ist. Wahrscheinlich ein Lebendender, dessen Schriften erst nach seinem Tod an Bedeutung gewinnen…

Ich freue mich über Rückmeldung, denn die Aura, die Freud hinterlassen hat, ist ja schon mächtig,

Gruß

Paruna

Hallo Paruna,

für mich ist Freud eine Persönlichkeit, die unglaubliches und revolutionäres geleistet hat und auf die Beine gestellt hat und der aber auch sehr fragwürdige Seiten hat, die entweder unter den Tisch fallen,wenn über Freud gesprochen wird oder vollkommen einseitig betont werden.
Das Revolutionäre sehe ich vor allem darin,dass er in einer Zeit, in der Sexualität sehr tabuisiert war, darüber geforscht und geschrieben und gelehrt hat und massgeblich nachgewiesen hat, wie wichtig das Leben von Sexualität ist, dass sie der Motor von Beziehungen ist und uns Lebenskraft, Lebendigkeit und Lebensfeude gibt.

Er hat unter anderem auch aufgedeckt, dass sexueller Kindesmissbrauch sehr sehr verbreitet ist, hat das aber aus meiner Sicht selbst nicht verarbeiten können und hat es später als Hysterie bezeichnet und wieder pathologisiert und der Phantasie von Kindern zugeordnet, was ihm in der heutigen Zeit sehr viel Kritik gebracht hat.

Mit beidem hat er die Entwicklung der Psychoanalyse, der Psychotherapie sehr geprägt und sehr wichtiges zum Fundament beigetragen.

Außerdem hat er Grundbegriffe der Psychoanalyse „erfunden“ und erforscht und geprägt, die auch heute noch wirksam und wichtig sind,z. B. Übertragung und Projektion,Neurosenlehre, die am bekanntesten sind und überhaupt die Erkenntnis, dass in den ersten Lebensjahren alle psychischen und sozialen Muster erworben werden.Leider ist er dann ja auch in vielem stecken geblieben, was er einmal erforscht hat,und viele seiner Schüler hatten eigene Theorien, die er für unsinnig abgestempelt hat, z.B. C.G.Jung, Alfred Adler, und die sich dann von ihm getrennthaben und eigene Forschungen und Lehren entwickelt haben und ja auch ganz schön berühmt wurden.

Er hat die völlige Abstinenz eines Therapeuten als Methode der Gesprächetherapie vorgegeben, damit der Therapeut eine Leinwand ist, auf der der Patient sein Inneres projeziert und dadurch, dass er es so genau sieht, verändert sich schon etwas - was heute sehr kritisiert wird, weil es auch nicht mehr unumwunden zeitgemäss ist, wo aber nicht gesehen wird, welch großes Potential dennoch darin liegt.

Du fragst nach „Meinungen“ zu Freud. Ich schätze ihn sehr als großen Vorreiter, der für seine Zeit ganz Herausragendes geleistet hat, aber man muss gucken, was man heute noch davon brauchen kann und was weiter entwickelt wurde und man muss auch schon ein bisschen darüber wissen,was er gelehrt hat, um sich darüber ein Urteil zu erlauben. Seine Sichtweisen über Frauen sind zum grössten Teil überholt und auch nicht tragbar und das ist glaube ich das, wo er die meiste Kritik für kriegt - berechtigt,wie ich finde.

Ich halte ihn auch für ein Stück weit elitär und fast hochnäsig, er stellt sich über seine Patienten und nennt Z. B.in einem Brief anJung seine eigenen Neurosen „Restneurosen“.

Da ich gerade unterwegs bin, kann ich dir keine Zitate nennen und belegen.

wer heute Richtungsweisend ist, kann ich nicht sagen. Es gibt insgesamt über 1000 bekannte therapeutische Verfahren und mir kommt es nicht überschaubar vor.

Kannst Du damit was anfangen?
Gerda

Liebe Gerda,

vielen Dank für Deine Zeilen. Ich bin gerade einfach so auf Freud gestoßen, weil er vor 150 geboren wurde; wusste von den Einen und Anderen Sachen, mit denen er immer in Verbindung gebracht wird. Du hast es in einfachen, gut vorstellbaren Worten widergegeben, dass war noch viel hilfreicher als das, was ich bisher wissenschaftlich über ihn gelesen habe.

Er hat die völlige Abstinenz eines Therapeuten als Methode der
Gesprächetherapie vorgegeben, damit der Therapeut eine
Leinwand ist, auf der der Patient sein Inneres projeziert und
dadurch, dass er es so genau sieht, verändert sich schon etwas

  • was heute sehr kritisiert wird, weil es auch nicht mehr
    unumwunden zeitgemäss ist, wo aber nicht gesehen wird, welch
    großes Potential dennoch darin liegt.

Hat er auch etwas in Sachen „Selbsterfahrung“ beigetragen? Wie hat er versucht an das Gewissen seines Patienten zu kommen. Nur durch Gesprächstherapie?

Du fragst nach „Meinungen“ zu Freud. Ich schätze ihn sehr als
großen Vorreiter, der für seine Zeit ganz Herausragendes
geleistet hat, aber man muss gucken, was man heute noch davon
brauchen kann und was weiter entwickelt wurde und man muss
auch schon ein bisschen darüber wissen,was er gelehrt hat, um
sich darüber ein Urteil zu erlauben. Seine Sichtweisen über
Frauen sind zum grössten Teil überholt und auch nicht tragbar
und das ist glaube ich das, wo er die meiste Kritik für kriegt

  • berechtigt,wie ich finde.

Dies ging über seine psychotherapeutische Arbeit hinaus und ist interessant zu wissen! Ist vielleicht etwas zu seinen politischen Neigungen bekannt?

Viele liebe Grüße

von Paruna

Liebe Gerda,

vielen Dank für Deine Zeilen. Ich bin gerade einfach so auf
Freud gestoßen, weil er vor 150 geboren wurde; wusste von den
Einen und Anderen Sachen, mit denen er immer in Verbindung
gebracht wird. Du hast es in einfachen, gut vorstellbaren
Worten widergegeben, dass war noch viel hilfreicher als das,
was ich bisher wissenschaftlich über ihn gelesen habe.

Schön,dass es Dir hilfreich ist.

Hat er auch etwas in Sachen „Selbsterfahrung“ beigetragen? Wie
hat er versucht an das Gewissen seines Patienten zu kommen.

Freud hat das Ich in drei ichs geteilt, „es“ = triebhaft unbewusst , „ich“ und „über-ich“. Das Über-ich ist sozusagen die Summe von allem, was man so über das Leben und die Welt und Werte und Normen von den Eltern und der Gesellschaft gelernt hat. Daraus bildet sich nach Freud das Gewissen. Das reife ich entwickelt sich in der erwachsenen Persönlichkeit, indem es und überich sich miteinander auseinandersetzen und quasi eine Lösung ausarbeiten.
Naja,er hat halt die Menschen und ihre Probleme und Fragestellungen analysiert und hat natürlich mit den 3 ichs gearbeitet.

Nur durch Gesprächstherapie?

Nein, zu Freud gehört ja als Königsweg der Behandlung die Traumdeutung.

Ist vielleicht etwas zu seinen

politischen Neigungen bekannt?

Hm,fällt mir im Moment nichts zu ein. Er war aber ein grosser Religionskritiker, und das ist ja auch eine sehr politische Haltung vor allem im beginnenden 20.Jahrhundert.

Viele liebe Grüße

zurück auch von Gerda

wollte nach Eurer Meinung fragen.
Freud ist vor 150 Jahren geboren, er war der Begründer der
Psychoanalyse und war hochverehrt. In welchem Licht steht er
denn Eurer Meinung nach heute?

Hallo,

bei Wikipedia steht auch eine ganze Menge dazu, wie Freud heute interpretiert wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud

Als Naturwissenschaftler würde ich die Freudschen Theorien eher in die Rubrik „Parawissenschaften“ oder „Esoterik“ einordnen - sie haben meiner Meinung nach wenig mit einer „echten“ Naturwissenschaft zu tun.

Der Erfolg Freuds könnte in dem Perspektivwechsel im Vergleích zum Rationalismus liegen. Der Geist ist nicht das absolute Maß, sondern selbst eine Art Maschine und Gegenstand der Betrachtung.

Hallo,

bei Wikipedia steht auch eine ganze Menge dazu, wie Freud
heute interpretiert wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud

Danke für den Hinweis, witzigerweise habe ich zuerst an Euch wer-weiss-was Menschen gedacht:smile::wink:
Aber da bei Wikipedia steht natürlich auch eine ganze Menge zu Freud geschrieben.

Über Zitate würde ich mich weiterhin noch freuen.

Hallo Paruna!

Ich gebe Dir Recht, die Wirkung von Sigmund Freud ist unbestritten stark. Viel zu stark - meiner Meinung nach.

Allerdings hat sie - entgegen dieser Wirkung - nicht dazu führen können, dass sich aus der Psychoanalyse eine bedeutsame Wissenschaft entwickelt hätte. Allenfalls in der Psychiatrie ist sie heute noch anteilig präsent (Tendenz fallend).

Anders die Psychologie. Sie hat sich bis heute als autonome Wissenschaft sehr stark entwickelt und ist an beinahe jeder Universität als eigener Lehrstuhl präsent. Ihr Erkenntnisreichtum ist gewaltig und die Erkenntnis, welche wir heute über den Menschen haben, ist ihr zu einem guten Anteil zu verdanken.

Einen Wilhelm Wundt - als Begründer der Psychologie - kennt heute freilich kaum einer. Aber sein Erbe ist beträchtlich - und an Erkenntnisgewinn mit dem Erbe Freuds keinesfalls zu vergleichen.

Der gravierende Unterschied zwischen der anfänglichen Psychoanalyse Freuds und der anfänglichen Psychologie Wilhelm Wundts ist es, dass die Psychologie nach empirischen, d.h. wissenschaftlichen Methoden arbeitet.

Als angehender Psychologe neide ich Freud seinen Erfolg nicht, obwohl ich vieles von seinen Theorien für sehr wunderlich und nicht nachvollziehbar halte. Vieles gewinnt meiner Meinung nach durch ein unterschwelliges Versprechen, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen. In der Traumdeutung muss man sich nicht erst damit beschäftigen, welche Gehirnanteile es gibt, ob sie in der Schlaf-REM-Phase überhaut aktiv sind, was sie normalertweise tun und was die Folgerung dann für das Träumen sein kann. Es werden Kostrukte angeboten - nicht selten mit einem guten Schuss Erotik - welche ohne ausreichend solides Fundament erklärbar machen, was so nicht erklärt werden kann.

Um so bedauerlicher ist es jedoch, dass es gesellschaftlich (noch) so stark getragen wird. Aber ich glaube, wir erleben zur Zeit einen Umbruch.

Abschliessend noch ein Zitat Freuds über die Wirkung des Kokains. Ich habe das Gefühl, er schreibt über die Wirkung des Kokains auf sich, und nicht auf den Menschen im allgemeinen. Das wäre die starke Kritik, welche man Freud meiner Meinung nach anlasten könnte: er schließt teilweise von sich auf andere, und dass ist leider gerade nicht wissenschaftlich:

„Die psychische Wirkung des Cocainum mur. in Dosen von 0,05 bis 0,10 Gramm besteht in einer Aufheiterung und anhaltenden Euphorie, die sich von der normalen Euphorie des gesunden Menschen in gar nichts unterscheidet. Es fehlt gänzlich das Alterationsgefühl, das die Aufheiterung durch Alkohol begleitet, es fehlt auch der für die Alkoholwirkung charakteristische Drang zur sofortigen Betätigung. Man fühlt eine Zunahme der Selbstbeherrschung, fühlt sich lebenskräftiger und arbeitsfähiger; aber wenn man arbeitet, vermisst man auch die durch Alkohol, Tee oder Kaffee hervorgerufene edle Excitation und Steigerung der geistigen Kräfte. Man ist eben einfach normal und hat bald Mühe, sich zu glauben, dass man unter irgend welcher Einwirkung steht.“ (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kokain)

Ich möchte an dieser Stelle niemanden kränken, aber meiner Meinung nach liegt zwischen Psychoanalyse und Psychologie der Unterschied von Glauben zu Wissen.

Und persönlich bin ich eher ein Freund des Wissens.

Lieben Gruß
Patrick

Danke für den interessanten Beitrag. Zumindest ich kannte Wilhelm Wundt tatsächlich noch nicht…

Grüße,

Ptee

Hallo Patrick,

wo ich gerade drüberstolpere; wahrscheinlich wirst Du es so weit unten im Brett sowieso nicht mehr sehen …

Ich gebe Dir Recht, die Wirkung von Sigmund Freud ist
unbestritten stark. Viel zu stark - meiner Meinung nach.

statthaft!

Allerdings hat sie - entgegen dieser Wirkung - nicht dazu
führen können, dass sich aus der Psychoanalyse eine bedeutsame
Wissenschaft entwickelt hätte. Allenfalls in der Psychiatrie
ist sie heute noch anteilig präsent (Tendenz fallend).

das stimmt so nicht; der Eindruck der Psychoanalyse auf die Literatur-, Sozial und Kulturwissenschaften, aber auch auf einen nicht unwichtigen Teil der Philosophie ist durchaus bedeutsam;

dass sie nicht wie die Psychologie „autonome Wissenschaft“ geworden ist, liegt zu einem guten Teil auch daran, dass sie das von vorneherein gar nicht werden wollte (von vorneherein war sie niemals nur Medizin, oder nur Psychologie, immer schon auch Ethnologie, Philosphie, Gesellschaftswissenschaft, auch ein gesellschaftspolitisches Projekt)

man kann m.E. „Psychologie“ und „Psychoanalyse“ nicht so ohne weiteres nebeneinanderstellen, ihre Objektbereiche und Zielsetzungen überschneiden sich sicherlich (darum auch eine gewisse „Konkurrenzsituation“), aber sie decken sich bei weitem nicht (wenn man Psychoanalyse als Theorie versteht, als bloßes praktisches „Psychotherapie-Verfahren“ mag die Deckung größer sein).

Anders die Psychologie. Sie hat sich bis heute als autonome
Wissenschaft sehr stark entwickelt und ist an beinahe jeder
Universität als eigener Lehrstuhl präsent. Ihr
Erkenntnisreichtum ist gewaltig und die Erkenntnis, welche wir
heute über den Menschen haben, ist ihr zu einem guten Anteil
zu verdanken.

unbestritten; wegen der Nicht-Deckung kann man daraus m.E. aber keinerlei Schlüsse über die Psychoanalyse ziehen.

Einen Wilhelm Wundt - als Begründer der Psychologie - kennt
heute freilich kaum einer.

Auch so ein Punkt; warum Wundt und Freud als „Begründerfiguren“ gegenüberstellen?

Die Psychologie hat viele Gründerväter, nicht nur Wundt, und sie funktioniert ganz anders als die Psychoanalyse, weil sie sich definiert über ihren Objektbereich, nicht wie die Psychoanalyse über ihre Begrifflichkeit und ihren spezifischen Blick;
Wundt hat im Diskurs der Psychologie eine ganz andere Funktion als Freud in dem der Psychoanalyse, weil die beiden Diskurse schlicht ganz anders funktionieren.

Aber sein Erbe ist beträchtlich -
und an Erkenntnisgewinn mit dem Erbe Freuds keinesfalls zu
vergleichen.

richtig! (auch wenn Du das „nicht zu verleichen“ wohl anders meinst als ich :wink:

Der gravierende Unterschied zwischen der anfänglichen
Psychoanalyse Freuds und der anfänglichen Psychologie Wilhelm
Wundts ist es, dass die Psychologie nach empirischen, d.h.
wissenschaftlichen Methoden arbeitet.

  1. tatsächlich ist der Unterschied der Methoden gravierend und wohl auch der zentrale Unterschied (auch wenn mancherorts die Übergänge recht fließend sind)

  2. als Wissenschaftstheoretiker finde ich aber die Gleichsetzung empirisch=wissenschaftlich absurd, solange mit „empirisch“ das verstanden wird, was Du als Unterschied von Psychologie und Psychoanalyse herausstellst;

a) selbstverständlich sind hermeneutische Verfahren als „wissenschaftlich“ einzustufen (manchenorts stuft man die Psychoanalyse als „hermeneutisch“ ein, was ich persönlich aber nicht teile)

b)es ist eine wahnsinnige Anmaßung, deduktiv-nomologisches Denken (oder welche Kennzeichnung man nun immer dafür verwenden möchte) mit „empirisch“ gleichzusetzen; eine Anmaßung, die m.E. wissenschaftstheoretischer Betrachtung nicht standhält.

Als angehender Psychologe neide ich Freud seinen Erfolg nicht,
obwohl ich vieles von seinen Theorien für sehr wunderlich und
nicht nachvollziehbar halte.

Das teile ich mit Dir!

Vieles gewinnt meiner Meinung
nach durch ein unterschwelliges Versprechen, komplexe
Sachverhalte einfach darzustellen.

Das teile ich nicht :wink:

Auch hier muss man differenzieren;
es mag viele psychoanalytische Therapeuten geben, die Komplexes einfach darstellen, keine Frage, für die psychoanalytische Theorie(n) trifft das aber m.E. absolut nicht zu
(vielen von ihnen wird z.B. gerne das Gegenteilige vorgeworfen, z.B. Lacan)

M.E. ist die Grundintention der Psychoanalyse sogar die vollkommen Ent-Einfachung.

In der Traumdeutung muss
man sich nicht erst damit beschäftigen, welche Gehirnanteile
es gibt, ob sie in der Schlaf-REM-Phase überhaut aktiv sind,
was sie normalertweise tun und was die Folgerung dann für das
Träumen sein kann.

es würde die psychoanalytische Behandlung der Träume schlicht nicht beeinflussen, ab der eine Gehirnanteil in der REM-Phase eingeschaltet ist oder nicht;
das ist dafür schlicht irrelevant, weil sich der Analytiker gar nicht für den Traum „an sich“ interessiert, sondern für die Traumschilderung - und in der gibt es keine REM-Phasen :wink:

Anders gesagt: für die Psychoanalyse hat die Phasen-Differenzierung genauso viel Erklärungswert wie für die Logik, ob ein bestimmter Schluss mit blauer oder schwarzer Tinte geschrieben ist; das würde man aber kaum der Logik zum Vorwurf machen …

Es werden Kostrukte angeboten

ja, richtig; eine konstruktivistische Betrachtung jeder einzelnen „psychologischen“ Theorie würde aber die gleiche Aussage (wenn auch nicht als Abwertung verstanden) hervorbringen.

  • nicht
    selten mit einem guten Schuss Erotik -

sex sells :wink:

welche ohne ausreichend
solides Fundament erklärbar machen, was so nicht erklärt
werden kann.

der Satz ist mir zu nichtssagend; außerdem wieder: was für eine Anmaßung: „solides Fundament“ - wer hat das schon …

Um so bedauerlicher ist es jedoch, dass es gesellschaftlich
(noch) so stark getragen wird.

finde ich eigentlich gar nicht; im gesellschaftlichen Umlauf ist eine Karikaturversion der Psychoanalyse (die Couch, die Mama, der Sex, letzterer verstanden natürlich nicht als Libido), aber sonst …

Ich möchte an dieser Stelle niemanden kränken, aber meiner
Meinung nach liegt zwischen Psychoanalyse und Psychologie der
Unterschied von Glauben zu Wissen.

Ich empfinde das nicht als Kränkung, aber wiederum als gigantische Anmaßung.

Meines Erachtens ist dieses ganze „Psychoanalyse vs. Psychologie“-Zeugs hier völlig deplaziert, weil man das Ding wissenschaftstheoretisch betrachten muss;
und auf dieser Ebene hängt es einfach stark davon ab, welcher Haltung man dort zuneigt, wie man nun „Psychologie“ und Psychoanalyse in punkto Wissenschaftlichkeit einschätzt …

Deine gekennzeichneten „Anmaßungen“ aber leugnen die bestehende Pluralität auf dieser wissenschaftstheoretischen Ebene schlicht.

Auf dieser Ebene gibts schließlich ein bißchen mehr als Popper und Grünbaum (das war jetzt nicht an Dich gerichtet, Du weißt schon an wen :wink:

Viele Grüße
Franz

Juhu Franz!

Doch, ich habs gerade noch vor dem Verschwinden im Nirvana erpräht!

Ich glaube, ich habe mich in meinem Artikel teilweise falsch ausgedrückt, denn da wo ich Wissenschaft schrieb, meinte ich natürlich eigentlich Naturwissenschaft und wo ich von wissenschaftlichen Methoden schrieb, meinte ich eigentlich eher das Experiment.

Dies sind für mich die großen Unterschiede.

Auch ich finde es eigentlich müßig, Psychologie und Psychoanalyse miteinander zu vergleichen, solange jedoch gesellschaftlich diese Trennung noch nicht akzeptiert bzw. registriert worden ist, sehe ich hier Diskussionsbedarf.

Natürlich (und das ist experimentelle Erkenntnis meines Fachs) neige ich als Student der Psychologie dazu, die Vorteile der eigenen Disziplin eher zu sehen und den Nachteilen der anderen Disziplin gegenüberzustellen.

Das geht nicht nur mit der Psychoanalyse so, sondern auch mit anderen Fachbereichen, deren Abgrenzung zur Psychologie schwierig ist.

Zur Psychoanalyse Freud’s (und nicht zur Psychoanalyse allgemein) möchte ich aber noch folgendes einbringen: meiner Meinung nach hat er sehr viel vermischt. Natürlich hat er - als ehemaliger Naturwissenschaftler - auch naturwissenschaftlich gearbeitet. Dennoch ist in seinen Schriften viel zu lesen, wo ich mir denke, da schließt der Mann von sich auf andere. Ein Beispiel war das Zitat zum Cocain, welches er meiner Meinung nach völlig falsch eingeschätzt hat.

Weitere Dinge sind z.B. Traumbilder - welche mich ganz allgemein stören - denn spezielle Symboliken haben immer einen ganz allgemeinen Bezug zu dem Träumenden. Niemals würde ich eine verallgemeinerung für möglich halten. Eine Symbolsprache des Traumes ist meiner Meinung ncah ausgeschlossen. (Apropros: Träumen tut man nicht nur während der REM-Schlaf-Phase, sondern ganz allgemein während des Schlafes, aber auch nicht ständig. Die Traumdichte bzw. Wahrscheinlichkeit ist während der REM-Schlaf-Phase aber erhöht).

Schrecklich wird es natürlich auch, wenn innerhalb der Entwicklung des Menschen den Kindern (1-3 Jahren) Entwicklungsstadien zugeschrieben werden, die sie physiologisch gesehen noch gar nicht leisten können.

Letztlich finde ich schon, dass Wundt historisch als Begründer der Psychologie gesehen werden kann, denn er hat das erste Psychologische Institut gegründet. Und er hat die Grundlagen für das psychologisch - wissenschaftliche Arbeiten auf Basis von naturwissenschaftlichen Experimenten vorgeschlagen.

Persönlich halte ich auch von der Psychoanalyse (PA) als Therapieform nicht allzu viel. Ebensowenig, wie von der Verhaltenstherapie (VT) oder Gesprächstherapie (bei ersterer besteht m.M. nach die Gefahr, dass Copingstrategien, welche erfolglos sind, durch erfolgreichere ersetzt werden, aber keine basalen Probleme gelöst werden). Ich werde mich eher tiefenpsychologisch orientieren, blicke aber auch hoffnungsvoll in Richtung „Schematherapie“ - eine Synthese aus VT und PA. Leider nicht „kassenvertraglich“ anerkannt - und man muss ja später auch leben können.

Die Diskussion werden wir an dieser STelle nicht fortsetzen können - vielleicht machst Du einen neuen Thread auf - wenn Du magst… :wink:

Vorraussetzung ist natürlich, Du kommst noch zum lesen des Artikels.

Lieben Gruß
Patrick