Sind Tarifverträge immer rechtlich einwandfrei?

Mir sind einige Bestimmungen des Tarifvertrages rechtlich unklar.

http://www.fau.org/artikel/tarife/amp/AMP-MTV_9.5_ra…

3.7.2 …Minusstunden sind die Arbeitsstunden, um die die tarifliche Mindestarbeitszeit bzw. die ggf. abweichende arbeitsvertragliche Arbeitszeit unterschritten wurde.

3.7.5 Bis zur 150. Guthabenstunde besteht insbesondere zur Sicherung des Arbeitsplatzes in einsatzfreien Zeiten ein Dispositionsrecht des Arbeitgebers.

Frage hierzu:
Wenn einem AN per Arbeitsvertrag 35 Std/wö zustehen, hat er doch ein Recht auf Bezahlung dieser Stunden, bzw. auf täglich 7 Std. Arbeit.
Meines Wissens ist es doch das ‚Betriebs‘,- bzw. Beschäftigungsrisiko des AG/Entleihers, wenn er für den AN keine Arbeit hat und kann nicht einfach auf den AN abgewälzt werden. (Siehe auch AÜG?)

Das heißt doch ansonsten, per Tarifvertrag kann der AN in seinem Anspruch auf die ihm zugesicherte Arbeitszeit beschnitten werden, nur weil der AG/Entleiher ihm keinen Einsatz in Höhe der von ihm zugesicherten Arbeitszeit bieten kann?

Wieso ist sowas rechtens, obwohl es doch eigentlich den gestzl. zugesicherten Rechten widerspricht? Wo irre ich mich, was habe ich da falsch verstanden?

thx and bye

Hallo,

§ 11 Abs. 4 AÜG schließt eine Abbedingung von Annahmeverzug (§ 615 BGB) aus. Bei Abrufarbeit (flexibler Arbeitszeit) besteht aber kein Annahmeverzug, wenn man nicht bestellt wird.

Allerdings ist der Zugriff auf die Gutstunden gleichwohl nicht unproblematisch. Die Regionaldirektionen der Arbeitsagentur halten solche Zugriffe auf Plusstunden in Zeiten der Nichtbeschäftigung für unerlaubt. Die machen aber sowieso unrealistische Vorgaben für Arbeitszeitkonten, die im Gesetz jedenfalls keine Stütze finden.

Grüße
EK

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Hi,

§ 11 Abs. 4 AÜG schließt eine Abbedingung von Annahmeverzug (§
615 BGB) aus. Bei Abrufarbeit (flexibler Arbeitszeit) besteht
aber kein Annahmeverzug, wenn man nicht bestellt wird.

danke, siehe auch mein neuer Beitrag.

Wie genau ist Abrufarbeit definiert? Handelt es sich deiner Meinung nach bei Zeitarbeit grundsätzlich um Abrufarbeit?
Meiner Auffassung nach nicht, sofern dies nicht ausdrücklich aus dem Arbeitsvertrag hervorgeht.
Da ja ein 'normaler’Arbeitsvertrag gemacht wird, in dem der AN als…(Berufsbezeichnung) eingestellt wird, sehe ich dann keine Abrufarbeit.

Allerdings ist der Zugriff auf die Gutstunden gleichwohl nicht
unproblematisch. Die Regionaldirektionen der Arbeitsagentur
halten solche Zugriffe auf Plusstunden in Zeiten der
Nichtbeschäftigung für unerlaubt. Die machen aber sowieso
unrealistische Vorgaben für Arbeitszeitkonten, die im Gesetz
jedenfalls keine Stütze finden.

Darum interessiert es mich, wie es sich gesetzlich genau verhält.

thx and bye

Hallo,

Tarifverträge können von § 12 TzBfG abweichen und auch Abrufarbeit für ein Arbeitsverhältnis anordnen, auch wenn sich hierzu im Arbeitsvertrag keine Regelung findet. Die Inbezugnahme eines solchen Tarifs würde ausreichen.

Die Zeitarbeitstarife selbst regeln aber keine Abrufarbeit, sondern „nur“ ein Jahresarbeitszeitkonto mit mindestens 1820 Stunden pro Jahr und mindestens 35 Stunden wöchentlich. Die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den Regeln im Kundenbetrieb. Das kann Abrufarbeit, Gleitzeit, Schichtarbeitszeit oder feste Arbeitszeit sein. Nach den Tarifverträgen können zur Sicherung des Arbeitsplatzes Zeiten der Nichtbeschäftigung mangels Aufträgen durch Abbau von Gutstunden überbrückt werden (allerdings ohne Zustimmung des AN also auf 2 Wochen beschränkt).

Da Annahmeverzug nach § 615 BGB voraussetzt, dass ein Anspruch fällig ist, kann er mE bei flexibler Arbeitszeit nicht eintreten, wenn für die 2 Wochen keine Arbeitszeit festgelegt ist. Das erlaubt der Tarif. Insofern sehe ich keinen Widerspruch von Gesetz und Tarif.

Die Regionaldirektionen offenbar schon. Die hielten jedenfalls vor den Zeitarbeitstarifverträgen flexible Arbeitszeitkonten für unzulässig, bei denen der Arbeitgeber bei fehlenden Aufträgen Gutstunden abbauen durfte. Bislang haben diese ihre Auffassung nicht geändert, obwohl es nun solche Regelungen in Tarifverträgen gibt, die ja nicht mit strukturellem Ungleichgewicht zustandekommen.

Grüße
EK

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