Sinn und Unsinn von Friedhofszwang

Hallo,

angeregt durch die weiter unten begonnene Diskussion über die Frage, ob der Leichnam oder die Asche eine Sache ist, möchte ich an dieser Stelle gerne eure Meinung zum Thema Friedhofszwang in Deutschland erfahren. Als Ausnahme davon gibt es ja schon die Seebestattungen. Sog. „Friedwälder“ sind im kommen, die eine gewisse Alternative darstellen. Wie ist eure Sicht dazu?

LG und schon mal ein flauschiges Fest wünscht

Avera

Hallo Avera
Ich bin sehr dafür, dass man die Urne mit der Asche des Verstorbenen mit nach Hause nehmen kann und z.B. auf den Kaminsims stellen o.ä.
In anderen Ländern ist das seit Jahrzehnten gang und gäbe.
Soweit ich weiß,wurde z.B. Sigmund Freuds Asche in seiner Lieblings-Vase (antik) deponiert und zu Hause in Maresfield Gardens aufbewahrt.
Gruß,
Branden

Hallo und servus, Avera:smile:

schön, dass du zu „unserer“ Diskussion gefunden hast:smile:

Ich bin gegen Friedhofszwang nach einer Kremation! Und kann das bei Bedarf auch ausreichend begründen.

Einen lieben Gruß aus Wien und friedliche Tage, jenny

Hallo,

die Sache ist sehr, sehr zweischneidig.

Natürlich haben die Gegner des Friedhofszwanges recht, wenn sie argumentieren, daß in Deutschland eigentlich auch keine anderen Hürden bestehen, als in anderen christlich geprägten Ländern.
Denn mal ganz objektiv - die Totenruhe ist ja nicht für die Toten sondern für die Lebenden. Denn die Asche merkt eh nichts mehr und die unsterbliche Seele (so es sie denn gibt) ist dann schon im Himmel, der ist solcher irdischer Kleinkram dann auch egal.
Gestört fühlen sich also die Lebenden in ihrer Ehrung der Toten - kein anderer.
Das ist allerdings schon ein Argument mit einem gewissen gewicht - hier spielen ja auch Traditionen und emotionale Bndungen mit.

Nur - es geht ja hier nicht um die Ruhe und den Charakter des Friedhofes. Da will ja keiner dran rühren. Quch in Ländern ohne friedhofzwang kann ja jeder eine traditionelle Beerdingung mit aller feierlichkeit vornehmen lassen und die Würde des Friedhofes wird ja auch nicht berührt davon.

Irgendwo weiter unten war mal vom letzten Willen des Verstorbenen die Rede. Mal abgesehen davon, daß da kaum jemand einen konkreten Willen äußert vorher - was ist, wenn ich wünsche, meine Asche möge als Blumendünger in meinem Garten verstreut werden? Dann setzt sich der Staat mit seinem Friedhofszwang auch darüber hinweg und zwingt meine Erben, gegen meinen erklärten Willen zu handeln. Dieses Argument spricht eher gegen als für einen Friedhofszwang - weil es den letzten Willen einengt und entwertet.

Gut - Omi in der Schrankwand… mein Fall wäre es nicht. Aber Omi und Opi vergraben auf ihrem eigenen Grund und Boden im Garten mit ner Gedenktafel - das könnte ich mir vorstellen. Die haben sich so geplagt im Leben für das Grundstück mit HAus und etwas Garten drumherum - das fände ich sogar gut irgendwie. Jedenfalls besser auf dem Friedhof neben ein paar Leuten, die sie nie leiden konnten im Leben.
Und ernn einer unbedingt in alle 4 Winde geblasen werden möchte schön feirlich oder in den Weltraum geschossen - ja warum denn nicht? Wen stört denn das?

Wohelbemerkt - es geht um die Asche. Da halte ich den Friedhofszwang für sinnlos. bei Erdbestattungen sieht das aus seuchenhygienischen Gründen anders aus - da halte ich ihn für sinnvoll. Auch damit nicht irgendwer einfach rumbuddeln und mit den Knochen irgendwelchen Blödsinn treiben kann.

Ach ja… einen habe ich noch:
Mein verstorbener Onkel (oder besser dessen Asche) ist vor 11 Jahren damals im Erbbegrädnis seiner Eltern gelandet - mit Zustimmung der Hinterbliebenen. Ein Jahr später hat sich die Witwe mit der Familie verkracht und ist weggezogen. Sie hat dann auch die Überführung der urne veranlasst - ohne Genehmigung der Mutter des Toten, die ja Besitzer der Begräbnisstätte ist.
Und so stand dann eines Tage mein Großtantchen (die ist über 80) mit dem Rechenstiel in der Hand auf den grab und hat rumgestochert, ob die Urne noch drin ist - die war aber weg. Allein der Gedanke daran ist schon makaber. Aber dann ist die Olle noch rumgerannt und wollte die urne wieder hier haben - hat sie aber nicht bekommen, weil allemal die Witwe enscheidet, wo das Ding abgelegt wird.
So viel zu Thema Totenruhe - Tantchen ist übrigens treue Kirchgängerin und war damals noch Mitglied im Kirchenrat.

Gernot Geyer

Hallo,

Ach ja… einen habe ich noch:
Mein verstorbener Onkel (oder besser dessen Asche) ist vor 11
Jahren damals im Erbbegrädnis seiner Eltern gelandet - mit
Zustimmung der Hinterbliebenen. Ein Jahr später hat sich die
Witwe mit der Familie verkracht und ist weggezogen. Sie hat
dann auch die Überführung der urne veranlasst - ohne
Genehmigung der Mutter des Toten, die ja Besitzer der
Begräbnisstätte ist.

der Gedanke ist mir auch gekommen.

Es gibt ja Verwandte, die sich so sehr nicht leiden können, dass sie nicht mal zur Beerdigung kommen, damit sie den Anderen nicht sehen müssen.
Die kommen dann einige Tage später zum Grab.

Solchen Menschen wäre dann die Möglichkeit genommen.

Gruss Harald

Hallo,

:Es gibt ja Verwandte, die sich so sehr nicht leiden können,

dass sie nicht mal zur Beerdigung kommen, damit sie den
Anderen nicht sehen müssen.
Die kommen dann einige Tage später zum Grab.

Solchen Menschen wäre dann die Möglichkeit genommen.

Ja - das gibt es.
Nur habe ich hier gleich 2 Gegenargumente, ein sachliches und ein moralisches.
Sachlich:
Immer mehr Leute (hier im Osten zum Teil bis zu 30 %) enscheiden sich für eine anonyme Beerdigung auf der grünen Wiese. Fas gat Kostengründe bei vielen (bei 20 % Arbeitslosen sind die beerdigungskosten schon ein Faktor, der zu bedenken ist), aber auch aus der Befürchtung heraus, das Grab nicht pflegen zu können, weil es ja sein kann, daß man um eine Arbeitsstelle zu bekommen, weit weg ziehen muß. (Komischerweise spielt dieses Argument auch bei christlich/sozialen Politikern nie eine Rolle, wenn sie von Arbeitslosen Mobilität fordern. Erklar mal dem Arbeitsamt, daß Du nicht wegziehen willst, weil Deine Vorfahren hier legen - die streichen Dir legliche Leistung.)
Da gibt es aber auch kein Grab und keinen Ort des Gedenkens.

Und moralisch:
Wenn mir jemand etwas bedeutet - dann gehe ich auch zur Beerdigung. Es ist die letzte Ehre, die ich ihm erweise - da kann man erwarten, daß man auch mal über sonstige kleine Streitereien in der verwandtschaft hinwegsieht. Wer diese Größe nicht aufbringt, der trauert auch nicht wirklich und der heult eh nur Krokodilstränen - und den will ich ausdrücklich nicht auf meiner Beerdigung haben dereinst.

Gernot Geyer

Hallo!

Das Bundesverwaltungsgericht hat einmal in einem Urteil zum Friedhofszwang die wesentlichen Gründe, die den Gesetzgeber wohl dazu geleitet haben, dargestellt.
Danach geht es vor allen Dingen darum, das durch traditionelle Übung der Bestattung auf besonderen Flächen entstandene Geoflogenheit in der Bevölkerung als richtig und akzeptiert erwiesen hat. Der Gesetzgeber geht wohl davon aus, dass durch die sowieso bestehende Angst vor dem Tod und der Verdränung des Todes, für einzelne Bürger psychische Belastungen entstehen könnten, wenn man zuließe, dass Urnen zum Beispiel im Garten beigesetzt würden.
Weiterhin gebietet es die Menschenwürde, die in gewisser Weise natürlich auch den Toten zusteht, dass diese in besonders geschützten Bereichen bestattet werden, in denen die Totenruhe gewährleistet werden kann, weil diese Flächen besonder gewidmet sind und unter dem Schutz der Allgemeinheit stehen.
„Das bedeutet freilich nicht, daß die urnenlose Bestattung der Aschenreste Verstorbener oder eine Urnenbeisetzung außerhalb von Friedhöfen zumindest grundsätzlich gegen die Sittengesetze verstieße und daher auch ohne den gesetzlichen Friedhofszwang als Verstoß gegen das Sittengesetz grundsätzlich nicht durch Freiheitsgewährleistung in Art. 1 Abs. I GG gedeckt wäre“

Eine in gewissen Bereichen abweichende gesetzliche Regelung würde das Bundesverwaltungsgericht wohl auch als aureichend ansehen. Die Frage ist dann aber, ob der Gesetzgeber eine solche Änderung des Bestattungsgrechts durchführen mag.
Ich weiß nicht, warum sich gerade am Bestattungsrecht eigentlich in letzter Zeit im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsgebieten, nicht viel verändert hat. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass es draum geht, den kommunalen Friedhöfen schlicht ihre Einnahmen zu sichern - ob das wirklich eine Rolle spielt kann ich nicht sagen - aber was man sich beim Anblick jeder eingefahrenen und kaum zu diskutierenden Gesetzeslage fragen sollte: Qui Bono? Wem nützt es…

Gruß,

Frank.

Hallo Frank,

nun soll mir aber mal einer erklären, wieso Traditionen, Menschwürde und was weiß noch alles bei uns anders sein sollten als zum Beispiel in Holland oder in den USA. Holland gehörte schließlich früher auch zum heilig römischen reich deutscher Nation - seine Bewohner sind auch Christen. Und die USA sind durch Europäer besiedelt worden.
Diese Frage beantwortet das Bundesverwaltungsgericht leider nicht.
Es beantwortet auch nicht die Frage, weshalb ein Grab in meinem Garten mehr gestört sein sollte als auf dem Friedhof. Ich kann Dir versichern - in meinem garten herrscht viel mehr Ruhe und weniger Publikumsverkehr, da werden auch keine Blumen oder Vasen geklaut und keine Grabsteine umgeworfen. Dessen Unversehrtheit ist nämlich als Privateigentum durch das gesetz auch geschützt - und sicher noch besser als der Friedhof.

Zudem bleibt auch noch eine Frage:
Alle, aber auch alle in Deutschland fordern von den Arbeitnehmern mehr Mobilität. Wieso ist da der Wunsch nicht verständlich, wenn zum Beispiel Eltern die Urne eines verunklückten oder an Krankheit verstorbenen Kindes mit sich führen wollen mit dem gedanken, daß das tote kind so wenignistens teil hat an ihrem Leben und bei ihnen ist? Wieso ist es würdiger, wenn dann ein Grab irgendo in Brandenburg vwerwildert, wenn die Angehörigen in Bayern Arbeit finden, aber kein Geld für eine Überführung haben???

Gernot Geyer

Hallo,

:Es gibt ja Verwandte, die sich so sehr nicht leiden können,

dass sie nicht mal zur Beerdigung kommen, damit sie den
Anderen nicht sehen müssen.
Die kommen dann einige Tage später zum Grab.

Solchen Menschen wäre dann die Möglichkeit genommen.

Ja - das gibt es.
Nur habe ich hier gleich 2 Gegenargumente, ein sachliches und
ein moralisches.
Sachlich:
Immer mehr Leute (hier im Osten zum Teil bis zu 30 %)
enscheiden sich für eine anonyme Beerdigung auf der grünen
Wiese. Fas gat Kostengründe bei vielen (bei 20 % Arbeitslosen
sind die beerdigungskosten schon ein Faktor, der zu bedenken
ist), aber auch aus der Befürchtung heraus, das Grab nicht
pflegen zu können, weil es ja sein kann, daß man um eine
Arbeitsstelle zu bekommen, weit weg ziehen muß.

Durch die Aufklärung darüber, daß (hier in HH) die Kosten für ein Reihengrab und ein anonymes Grab exakt gleich sind, habe ich so manchen Verstorbenen vor dem anonymen Grab „bewahren“ können. Hier ist es so, daß man beim Reihengrab pflanzen kann aber nicht muß (kommt sonst auch Rasen drüber), einen Stein aufstellen kann, aber nicht muß. Der entscheidende Vorteil ist aber, daß die Angehörigen bei der Beisetzung dabei sein können. Bis auf einen Friedhof hier ist dies bei einer anonymen Beisetzung nämlich ausgeschlossen.

Die Frage, die sich hier stellt ist doch die: wessen Wille und Wunsch hat mehr Gewicht, der des Verstorbenen oder der der/des Hinterbliebenen. Ich erinnere mich nämlich noch sehr gut an einen Fall, wo die Ehefrau dem Wunsch ihres Mannes nachgegeben hat ihn anonym Erdbestatten zu lassen. Sie kam damit so ganz und gar nicht klar. Ende vom Lied war eine Umbettung nach sechs Monaten in ein Wahlgrab, dessen Platz sie selbst bestimmt hatte und in folge dessen auch kannte. In einem Gedicht von Mascha Kaleko gibt es eine Zeile, die ich für sehr nachdenkenswert halte: den eignen Tod den stirbt man nur, doch mit dem Tod der andern muß man leben.

(Komischerweise spielt dieses Argument auch bei
christlich/sozialen Politikern nie eine Rolle, wenn sie von
Arbeitslosen Mobilität fordern. Erklar mal dem Arbeitsamt, daß
Du nicht wegziehen willst, weil Deine Vorfahren hier legen -
die streichen Dir legliche Leistung.)
Da gibt es aber auch kein Grab und keinen Ort des Gedenkens.

Das anonyme Feld ist sehrwohl für viele Menschen ein Ort des Gedenkens. In aller Regel handelt es sich ja um eine ausgewiesene Fläche. Nur die genaue Stelle wird nicht preisgegeben.

Und moralisch:
Wenn mir jemand etwas bedeutet - dann gehe ich auch zur
Beerdigung. Es ist die letzte Ehre, die ich ihm erweise - da
kann man erwarten, daß man auch mal über sonstige kleine
Streitereien in der verwandtschaft hinwegsieht. Wer diese
Größe nicht aufbringt, der trauert auch nicht wirklich und der
heult eh nur Krokodilstränen - und den will ich ausdrücklich
nicht auf meiner Beerdigung haben dereinst.

Gernot Geyer

Liebe Grüße

Avera

Hallo Jenny,

schön, dass du zu „unserer“ Diskussion gefunden hast:smile:

Ich bin gegen Friedhofszwang nach einer Kremation! Und kann
das bei Bedarf auch ausreichend begründen.

Gerade Deine Beweggründe würden mich ja interessieren. Magst Du sie nennen? Falls nicht hier öffentlich, dann vielleicht per Mail?

Einen lieben Gruß und ebenso friedliche Tage aus Hamburg

Avera

PS: war dieses Jahr 2x i Wien. Schön ists bei euch!

Hallo!

Das Bundesverwaltungsgericht hat einmal in einem Urteil zum
Friedhofszwang die wesentlichen Gründe, die den Gesetzgeber
wohl dazu geleitet haben, dargestellt.
Danach geht es vor allen Dingen darum, das durch traditionelle
Übung der Bestattung auf besonderen Flächen entstandene
Geoflogenheit in der Bevölkerung als richtig und akzeptiert
erwiesen hat. Der Gesetzgeber geht wohl davon aus, dass durch
die sowieso bestehende Angst vor dem Tod und der Verdränung
des Todes, für einzelne Bürger psychische Belastungen
entstehen könnten, wenn man zuließe, dass Urnen zum Beispiel
im Garten beigesetzt würden.

In abgewandelter Form verwende ich dieses Argument auch. Ich halte es für nicht erwiesen, daß es jedem gut bekommt, eine Urne mit nachhause zu nehmen, auch wenn er es zunächst behauptet. Das kann nicht völlig konfliktfrei vonstatten gehen. Beispiele:

Ehemann stirbt. Frau, noch jung, nimmt Urne mit nachhause. Neuer Partner kommt. Wie kann sie wirklich loslassen, im Angesicht ihres verstorbenen Mannes und sich auf den neuen Partner einlassen? Kommt die Urne dann vom Kaminsims in den Schrank oder gar Keller?

Letztes Erternteil verstirbt. Welches der hinterbleibenden fünf Kinder bekommt die Urne dann? Der/die älteste? Oder geht das dann im Rotationsverfahren (dieses ja nimmst Du aber mal Mutter)?

All das würde m.E. ein ebenso großes Regelwerk hervorrufen, wie jetzt unsere Bestattunggesetze.

Weiterhin gebietet es die Menschenwürde, die in gewisser Weise
natürlich auch den Toten zusteht, dass diese in besonders
geschützten Bereichen bestattet werden, in denen die Totenruhe
gewährleistet werden kann, weil diese Flächen besonder
gewidmet sind und unter dem Schutz der Allgemeinheit stehen.

Und Friedhöfe sind ein Ausdruck unserer Kultur. Das sich natürlich auch hier ein Wandel vollzieht, sieht man an der Zunahme der anonymen Bestattungen. Und dennoch! Ich weiß im Augenblick nicht mehr, wer das gesagt hat, aber der Satz lautet in etwa: daran wie sie mit ihren Toten umgehen, erkennt man den Stand ihrer Kultur. Es sind nicht alle im gleichen Maße in der Lage, die Verantwortung für den Verstorbene in Form einer Urne zu übernehmen, auch wenn sie es zunächst selbst glauben mögen.

„Das bedeutet freilich nicht, daß die urnenlose Bestattung der
Aschenreste Verstorbener oder eine Urnenbeisetzung außerhalb
von Friedhöfen zumindest grundsätzlich gegen die Sittengesetze
verstieße und daher auch ohne den gesetzlichen Friedhofszwang
als Verstoß gegen das Sittengesetz grundsätzlich nicht durch
Freiheitsgewährleistung in Art. 1 Abs. I GG gedeckt wäre“

Eine in gewissen Bereichen abweichende gesetzliche Regelung
würde das Bundesverwaltungsgericht wohl auch als aureichend
ansehen. Die Frage ist dann aber, ob der Gesetzgeber eine
solche Änderung des Bestattungsgrechts durchführen mag.
Ich weiß nicht, warum sich gerade am Bestattungsrecht
eigentlich in letzter Zeit im Gegensatz zu vielen anderen
Rechtsgebieten, nicht viel verändert hat. Man könnte auf den
Gedanken kommen, dass es draum geht, den kommunalen Friedhöfen
schlicht ihre Einnahmen zu sichern - ob das wirklich eine
Rolle spielt kann ich nicht sagen - aber was man sich beim
Anblick jeder eingefahrenen und kaum zu diskutierenden
Gesetzeslage fragen sollte: Qui Bono? Wem nützt es…

Möglicherweise liegt es daran, daß ees eine Zeit gegeben hat, in der speziell in Deutschland nachgewiesener Maßen mit Toten nicht besonders würdevoll und achtsam umgegangen wurde, wie auch, wenn man diese schon als Lebende nicht wie Menschen behandelt.

Gruß

Frank.

Avera

Hallo,

„Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“
Der Spruch hing bei meiner Oma überm Sofa - und er stimmt.
Insofern wird es immer Problemfälle geben. Es wird immer vorkommen, daß sich jemand irrt und feststellt nach einiger zeit, daß er was falsch gemacht hat. Menschen ändern sich ja auch.
Nur haben sie ja derzeit durch den friedhofszwang nicht mal die Chance, einen Fehler zu machen.

Im Übrigen: Es will ja keiner die Friedhöfe verbieten und die Urne in der Schrankwand zur Pflicht machen. Die merhheit wir auch in Zukunft ein traditionelles Begräbnis wünschen und auch bekommen. Das will ja keiner verbieten.
Es ist nur die Fage, ob maß das unbedingt zwingend vorschreiben muß (Hier ist übrigens die anonyme Bestattung echt die kostengünstigste Variante. Als Zweitvariante gibt es noch eine Art Massengrab, da kommen 25 Urnen in ein Loch mit ner Platte und den Namen und Daten aller, die da liegen - aber ohne die Möglichkeit der privaten Pflege der Grabstätte. Da fände ich dann doch noch besser, wenn jemand eoine Ecke oder ein Zimmer in der Wohnung entsprechend gestaltet und die Urne dort hinstellt.

Das einzige Argumen ist das schöne Argument von der Unfähigkeit der Menschen, würdevoll mit der Urne umzugehen. Wieder mal die Idee, der Staat wüßte am besten, was gut für mich ist und breitet seine väterlichen Arme aus. Und da geht mir ehrlich gesagt der Hut hoch. Ich habe 30 Jahre in einem Staat gelebt, der mich väterlich umarmt und fast zerdrückt hat dabei - das reicht mir eigentlich.
Woher kommt eigentlich irgendwer auf die blöde Idee, besser als ich zu wissen, was gut für mich ist? Denn etwas anderes ist es ja nicht. Dabei sollte das Gedenken ja eigentlich eine ztiefst private Sache sein.

Gernot Geyer

Hallo Avera!
Gerade heute zu Weihnachten war ich auf dem Friedhof, da habe ich auf einmal gewusst, angeregt durch Deine Frage, was ich für eine Meinung zu dem Thema habe.
Schon zu Lebzeiten will ich eigentlich meine Ruhe vor den Massen haben, lebe zurückgezogen im Wald, habe ausgewählte Freundschaften, Beziehung und Kind.
Die große Gemeinschaft war mir schon in der Schule ein Greuel, die Dorfgemeinschaft, die Gesellschaft ist es heute noch.

Nun wurde mir heute klar, dass ich auf keinen Fall im Tode dann doch mit „denen“ zusammensein will.

Die Friedwälder kenne ich aus England, ein schöner Gedanke.Ich hoffe, das setzt sich auch hier breiter durch.

Ansonsten habe ich schon vor langer Zeit aus einem Gefühl heraus dafür gesort, dass, sollte ich „vorzeitig“ sterben, eine enge Freundin an meine Asche kommen wird, sei es, dass sie sie einfach aus der Urne nimmt, und ihr den Ort im Wald gezeigt, wo diese Asche dann hingestreut werden soll.
Zumindest In Österreich scheint das zu gehen, organisatorisch,wenn auch nicht rechtlich, aber letzteres ist für uns irrelevant.

Da meine Generation, die 60er, und jene, die danach kamen ja zunehmend individualistisch sind- im Vergleich zu älteren Generationen- könnte ich mir grundsätzlich vorstellen, dass die Entwicklung in Richtung weg vom Friedhofszwang und hin zu auch hier mehr Individualität gehen könnte.Wenn auch das eine Weile dauern kann.

Grundsätzlich denke ich aber, dass jenseits von all diesen Ebenen der Person und des Egos auf seelischer Ebene dringend eine Auseinandersetzung mit dem Tod und eine Integration des Todes ins Leben ansteht.
Sehr dringend.
Das ist das eigentlich wichtige Thema, aus dessen Integration sich viele sekundäre Themen automatisch lösen und entwickeln würden.
Würden wir uns mit unserem Tod nur mehr anfreunden können, wie viel lebendiger könnte dann wohl unser Leben sein.
Es wäre spannend, wahrlich sehr spannend, welche Loslass- und Bestattungsriten sich daraus dann entwickeln und wiederfinden würden.

Jetzt ist Weihnachten, ein Fest der Geburt, sei es des Christus, oder der Sonne, und doch ist in dieser Geburt schon wieder der Keim des Todes enthalten.
So wie es anders nicht sein kann.
Ich wünsche uns allen, dass wir lernen mögen, das zu begrüßen!

Viele Grüße!
Anja

völlig offtopic :wink:
Hallo Avera,

PS: war dieses Jahr 2x i Wien. Schön ists bei euch!

wenn Du wieder mal den weiten Weg von HH nach Wien machst, könnten wir dort vielleicht gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken :wink:

Gruss Harald
http://www.expertentreffen.de/

Hallo!

nun soll mir aber mal einer erklären, wieso Traditionen,
Menschwürde und was weiß noch alles bei uns anders sein
sollten als zum Beispiel in Holland oder in den USA.

Natürlich kann man sich immer fragen, ob die Menschen in Deutschland tatsächlich so anders sind als in anderen Staaten, dass eine andere gesetzliche Regelung im gleichen Lebensbereich Sinn machen würde. Man kann sich natürlich immer wieder die Nachbarn ansehen und sagen, dass es dort ja auch nicht zu Tod und Verderben geführt hat, die eine oder andere gesetzliche Strenge aufzulockern. Ich will mich da gar nicht in eine Richtung festlegen, ich persönlich habe mir über die Frage, wie man in Zukunft das Bestattungsrecht reformieren sollte und ob man das überhaupt tun sollte, noch keine Meinung gebildet. Aber die Frage ist doch, ob es dafür eine Lobby gibt, ob man dafür eine Mehrheit finden kann und ob Änderung Sinn macht. Es gibt zwischen den Niederlanden und Deutschland ja nicht nur den einen Unterschied, es gibt eine Menge. Warum wird Haschisch in Deutschland nicht legalisiert, wo das doch in Holland quasi der Fall ist? Weil es der deutsche Gesetzgeber und damit letztlich das Volk nicht richtig findet.
Was Dein Beispiel USA angeht, so kann ich nur sagen, dass es mich wundern würde, wenn die Menschenwürde dort tatsächlich einen derart herausragenden Stellenwert in der Verfassung hat wie in Deutschland. Denn hätte sie diesen, würde es in den USA nicht zu zig staatlich verordneten Morden im Jahr kommen. Es ist mir recht egal, wie eine Nation mit ihren Toten umgeht, die sich in vielen Staaten dafür entschieden hat, dass sich Menschen in einem „Rechtsstaat“ als Richter
über Leben und Tod gerieren.

Es beantwortet auch nicht die Frage, weshalb ein Grab in
meinem Garten mehr gestört sein sollte als auf dem Friedhof.

Wenn ich das Urteil richtig verstanden habe, geht es bei dieser Frage in erster Linie darum, die Menschen zu schützen, die unter Umständen mit der Vorstellung von einer Leiche in ihres Nachbarn Garten nicht unbedingt klarkommen.

Zudem bleibt auch noch eine Frage:
Alle, aber auch alle in Deutschland fordern von den
Arbeitnehmern mehr Mobilität. Wieso ist da der Wunsch nicht
verständlich, wenn zum Beispiel Eltern die Urne eines
verunklückten oder an Krankheit verstorbenen Kindes mit sich
führen wollen mit dem gedanken, daß das tote kind so
wenignistens teil hat an ihrem Leben und bei ihnen ist?

Ich kann Deine Bedenken durchaus verstehen und gerade dieses Beispiel macht sehr deutlich, wie sehr es Menschen helfen könnte, dürften sie mit ihren Toten in mehr Freiheit umgehen.
Andererseits kann ich auch nicht von der Hand weisen, dass die aufgeführten Bedenken wohl auch einiges an Wahrheit enthalten. Ich weiß leider nicht, ob das Bestattungsrecht die jetzige Form wegen des Schutzes der Toten und ihrer Würde hat oder weil es den Friedhöfen zahlende Kunden sichert - ich persönlich würde eine Lockerung in Grenzen vielleicht für richtig halten, dass man aber seine Toten zukünftig im eigenen Garten bestatten darf oder sich eine Urne auf den Kaminsims stellen, das halte ich nun nicht unbedingt für gut, letzteres halte ich im übrigen sogar für ziemlich würdelos.

Gruß,

Frank.