Hallo Ché,
Vielleicht hilft das hier ein wenig weiter:
http://www.graecum.org/ein-plaedoyer/
nimm es mir nicht übel: Aber da es dem UP ja um objektive Kriterien ging, ist dieses Plädoyer vollkommen nutzlos. Die dort erwähnten Argumente basieren alle nur auf der, zurückhaltend ausgedrückt, sehr vergeistigten bis verträumten Wunschvorstellung, alle Menschen sollten Altgriechisch lernen, weil es einfach sooo schön sei und kein Mensch ohne diese Sprache leben könnte. Mit der Realität des Sprachenlernens, geschweige denn mit der Alltagsnützlichkeit jenseits des Klassenzimmers hat dieser Text so absolut gar nichts gemein.
Dann kann ich aus Erfahrung sagen, dass Latein das Erlernen
anderer Sprachen wirklich vereinfacht, besser als moderne
Sprachen.
Auch dieses „Argument“ ist bestenfalls ein subjektives. Ich bestreite keinesfalls, dass Du persönlich beim Fremdsprachenlernen vom Latein mehr profitiert hast als von modernen Fremdsprachen. Umgekehrt kenne ich jedoch zig Fälle, in denen moderne Fremdsprachen eine deutlich bessere Basis waren bzw., wie bei mir, man auch ohne Latein problemlos verschiedenste Sprachen sehr gut lernen und ein zielsicheres Sprachgefühl entwickeln kann.
Ganz objektiv klären wird man diese Frage nie, da einfach zu viele individuelle Faktoren das Sprachenlernen bestimmen, als dass man z.B. in einer wissenschaftlichen Studie ergründen könnten, inwieweit Probanten mit Lateinkenntnissen anders/besser/schlechter eine andere Sprache erlernen können als Probanten ohne diese Kenntnisse.
Letzten Endes sollte man sich aber folgenden Sachverhalt vor Augen halten: Deutschland ist das einzige europäische Land, in dem Latein nach wie vor eine Pflicht- (zum Teil sogar Erst-)fremdsprache in vielen Gymnasien ist. Dennoch schneiden viele andere Länder deutlich besser im Fremdsprachenlernen ab. Wenn Latein also einen derart positiven Einfluss aufs Sprachenlernen hätte, warum sollten all die anderen europäischen Länder diesen ignorieren (und dennoch besser abschneiden)?
Und für das Sprachgefühl ist es nochmals um Längen besser.
Halte ich insofern für ein eher fadenscheiniges Argument, als dass man sich ein tatsächliches Sprachgefühl eigentlich nur aneignet, indem man sie im Alltag aktiv benutzt.
Das dürfte auch mit der Lernmethode zusammenhängen. Man achtet
einfach viel mehr auf die Grammatik und die Logik in der
Sprache anstatt Alltagsphrasen auswendig zu lernen.
Dass das mit der Lernmethode zusammenhängt, bestreite ich nicht. Aber diese Methode benutzt man ja schließlich nicht nur beim Lateinlernen. Wenn ich da an die ganzen Kasusendungen im Polnischen oder die Vokalfolge im Hebräischen und Arabischen denke, die ja auch alle einem mal mehr, mal weniger komplexen System folgen. Da hilft oft auch kein Phrasenauswendiglernen, sondern nur systematisches Lernen.
Außerdem hilft es bei Fremdwörtern. Man erkennt, woher das
Wort kommt und kann die Bedeutung erschließen oder sie sich
einfacher merken.
Und bei der Rechtschreibung hilft es auch.
Beispielsweise würde ich niemals mehr auf die Idee kommen,
Rhetorik o.ä. ohne das h zu schreiben. Das liegt daran, dass
das ρ (Rho, „deren r“) im Altgriechischen am Wortanfang immer
„aspiriert“ wird (-> ῥ), d.h. es wird ein h eingefügt.
Diese Argumente sind natürlich nicht per se von der Hand zu weisen. Aber letztlich sind es auch nur Teilargumente. Denn Latinismen und Gräcismen sind schließlich nicht die einzigen Fremdwörter, mit denen man zu tun hat bzw. die einem Probleme bei der Rechtschreibung bereiten. Im heutigen Sprachalltag hat man es ja auch mit jeder Menge Anglizismen sowie Entlehnungen aus allen möglichen und unmöglichen anderen Sprachen zu tun. Wäre es dann – überspitzt ausgedrückt – ein Argument, um „Business consultant“ richtig schreiben und verstehen zu können, Englisch zu lernen? Französisch für „Abonnement“, Italienisch für „Gnocchi al forno“ und so weiter?
Ergo: In einigen Lebenslagen mögen einem Latein und Altgriechisch weiterhelfen. Aber objektiv betrachtet reichen diese nicht aus, um beispielsweise zu begründen, warum ein Schüler heutzutage lieber diese Sprachen anstelle moderner Fremdsprachen lernen sollte (so nun eben nicht unumstößlich feststeht, dass er später (Alt-)Philologie, Theologie oder Geschichte studieren wird).
Gruß,
Stefan