Sinn und Zweck von Leerverkäufen

Hallo WWW’ler,
habe nun die FAQs und das Archiv von „Wertpapierhandel“ und „Finanzpolitik“ durch und noch keine Antwort auf meine Frage erhalten.
Ein Chefvolkswirt einer großen deutschen Bank sagte sinngemäß „Leerverkäufe haben eine nicht zu unterschätzende stabilisierende Wirkung auf die Kurse“.

Mir kann und will irgendwie nicht der Sinn klarwerden. Auch ist mir der historische Werdegang von diesem speziellen Instrument nicht ganz klar.
VWL ist kein Fremdwort für mich, also ruhig ausführlich und detailliert antworten.

Kann bitte jemand Stellung zu folgenden Standpunkten nehmen?
„Aktiengesellschaften im ursprünglichen Sinn bieten Anteile an ihrem Unternehmen zum Verkauf an. Das bringt frisches Kapital für die Verkäufer und Mitspracherecht bzw. Gewinnbeteiligung für die Käufer“
Kapital fließt, echter Gegenwert wird erworben, Investitionen werden möglich und idealerweise wächst damit die Volkswirtschaft.
So weit, so genial.

So weit ich aber Leerverkäufe verstanden habe, wird ohne volkswirtschaftlichen Gegenwert Geld erzeugt. Im Gegenteil: Durch fallene Aktienkurse werden echte Werte vernichtet, und dennoch Geld geschöpft.
Das führt für mich die Idee ad absurdum, dass Finanz- und Gütermarkt miteinander verflochten sind. Losgelöst von Sozialprodukt und Produktion (egal ob Ware, Dienstleistung oder geistige Schöpfung) wird Geld gedruckt.
Warum? Wie kam es soweit? Warum wurde/wird hier nicht ein Riegel vorgeschoben? Was ist der Sinn? Wo liegt mein Denkfehler?

Für ausführliche Antworten (auch Literatur) wäre ich sehr dankbar!

Grüße
jartUl

Hallo!

Suche hier im Forum oben rechts von wer-weis-das „Leerverkäufe“, dann sind 26 Artikel aufgelistet.
Suche in Wikipeda da findest du Literaturhinweise.
MfG

Hallo,

Ein Chefvolkswirt einer großen deutschen Bank sagte sinngemäß
„Leerverkäufe haben eine nicht zu unterschätzende
stabilisierende Wirkung auf die Kurse“.

Mir kann und will irgendwie nicht der Sinn klarwerden.

wer leer verkauft, geht davon aus, daß die Kurse übertrieben hoch sind. Er geht weiterhin davon aus, daß die Kurse fallen werden und die Aktien billiger zurückkaufen kann. Hat er recht, waren die Aktienkurse tatsächlich zu hoch, d.h. das Unternehmen war überbewertet.

Der „richtige“ Kurs hätte sich so oder so irgendwann eingestellt, so daß die Leerverkäufe dazu führen, daß der richtige Kurs früher erreicht wäre, als das ohne Leerverkäufe passiert wäre.

Insofern führen Leerverkäufe theoretisch dazu, daß der wahre Wert eines Unternehmens früher sichtbar wird. Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht begrüßenswert.

Ob das in der Praxis ebenso passiert, kann man hinterfragen. Nicht selten kommt es bei den Leerverkäufen genauso zu übertriebenen Kursbewegungen nach unten wie der Markt vorher nach oben übertrieben hat. Außerdem bewegen die Leerverkäufe selbst den Markt, was so eigentlich nicht erwünscht ist (meint die Theorie).

So weit ich aber Leerverkäufe verstanden habe, wird ohne
volkswirtschaftlichen Gegenwert Geld erzeugt. Im Gegenteil:
Durch fallene Aktienkurse werden echte Werte vernichtet, und
dennoch Geld geschöpft.

Nur weil der Privatanleger vor allem das Prinzip des Aktienkaufs- und verkaufs kennt, sind alle anderen Verhaltensweisen unethisch oder ungewöhnlich. Bei steigenden Kursen können an anderer Stelle genauso Werte vernichtet werden. Weiterhin wird durch steigende Aktienkurse auch ohne volkswirtschaftlichen Gegenwert verdient. Zumindest vordergründig.

Tatsächlich steigen Aktienkurse, weil Wertsteigerungen erwartet werden (steigende Unternehmensgewinne). Genauso fallen sie, weil Wertverluste erwartet werden (sinkende Unternehmensgewinne). Das Prinzip ist also das gleiche und letztlich stehen allen Kursbewegungen in irgendeiner Form Wertveränderungen (bzw. diesbezügliche Erwartungen) gegenüber. Leerverkäufe sind lediglich eine für Privatperson ungewöhnliche Form der Investition in Erwartungen bzw. aufgrund von Erwartungen.

Gruß
Christian

Nachtrag

Der „richtige“ Kurs hätte sich so oder so irgendwann
eingestellt, so daß die Leerverkäufe dazu führen, daß der
richtige Kurs früher erreicht wäre, als das ohne Leerverkäufe
passiert wäre.
Insofern führen Leerverkäufe theoretisch dazu, daß der wahre
Wert eines Unternehmens früher sichtbar wird. Das ist aus
volkswirtschaftlicher Sicht begrüßenswert.

Das gleiche gilt übrigens auch für Insidergeschäfte. Auch diese sind aus volkswirtschaftlicher bzw. kapitalmarkttheoretischer Sicht begrüßenswert.

C.

Dankeschön
Danke Christian!
Mir war die beschleunigende Wirkung nicht klar.
Ethisch/moralisch werde ich erst, wenn diese Aktionen zur Bereicherung Weniger dient.
Wieso verdient derjenige, der Leerverkäufe tätigt (und begrüßenswerterweise Überbewertungen korrigiert) Geld?
Geld wird erst etwas wert, wenn ein Gegenwert dafür da ist. Oder sehe ich das im 21.Jht zu eng?

Eine andere Frage: Wie kann es aus VWLicher Sicht erklärt werden, dass ein Mensch Milliarden pro Jahr verdient?

Gruß
jartUl

ahjaso

Hallo!

Suche hier im Forum oben rechts von wer-weis-das
„Leerverkäufe“, dann sind 26 Artikel aufgelistet.

Von denen keiner meine Frage beantwortet.

Suche in Wikipeda da findest du Literaturhinweise.
MfG

Keines in digitaler Form

Danke, Herr Bayer…

gruß
jartUL

Hallo,

Mir war die beschleunigende Wirkung nicht klar.
Ethisch/moralisch werde ich erst, wenn diese Aktionen zur
Bereicherung Weniger dient.

das ist doch höchst subjektiv, finde ich. Leerverkäufe sind nichts anderes als Spekulation und die versucht doch jeder, der mit Aktien handelt.

Wieso verdient derjenige, der Leerverkäufe tätigt (und
begrüßenswerterweise Überbewertungen korrigiert) Geld?

Wieso verdient der Geld, der auf den Anstieg von Aktienkursen setzt? Das macht übrigens jeder, der Lebensversicherungen oder eine private Rentenversicherung hat.

Geld wird erst etwas wert, wenn ein Gegenwert dafür da ist.

Das verstehe ich nicht. Jeder, der einen Vermögensgegenstand zwecks Spekulation kauft, erwartet einen Gewinn. Ob nun Haus, Aktie oder Telephonkarte. Jeder erhofft, daß sich ein anderer findet, der den Gegenstand oder das Recht zu einem höheren Preis erwirbt, den man selbst bezahlt hat.

Eine andere Frage: Wie kann es aus VWLicher Sicht erklärt
werden, dass ein Mensch Milliarden pro Jahr verdient?

Die Frage ist, wo die herkommen. In der Regel doch von denjenigen, die andere beauftragen, ihr Vermögen zu mehren. Bei den Investmentbanken (und auf die spielst Du wohl an) waren das die Aufsichtsräte, die wiederum Vertreter der Eigentümer der Banken waren. Wenn diese der Ansicht sind, diese Gehälter zu bezahlen, kann das allen anderen doch wohl egal sein. Die Gehälter wurden aus Gewinnen bezahlt und somit wurde niemandem wehgetan.

Gruß
Christian

lessons learned…

Die Gehälter wurden aus Gewinnen bezahlt und somit
wurde niemandem wehgetan.

Schönes Beispiel, wie die Branche aus der Krise lernt, die sie verursacht hat:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versi…

Die Invetmentbanker erzeugen Milliardenverluste, die meisten werden gehen müssen, aber die wirklich „Guten“ werden mit Boni „aus Gewinnen“(?) gehalten.
Das ist die Logik, die kein Mensch versteht, der nicht mit am großen Rad dreht oder Teil des Systems ist.

S-J

Die Invetmentbanker erzeugen Milliardenverluste, die meisten
werden gehen müssen, aber die wirklich „Guten“ werden mit Boni
„aus Gewinnen“(?) gehalten.

Ganz ehrlich: ich verstehe Dein Problem nicht. Welchen Teil dieser Aussage verstehst Du nicht, glaubst Du nicht oder findest Du widersprüchlich?

Gruß
Christian

… verstehst Du nicht, glaubst Du nicht oder
findest Du widersprüchlich?

Das will ich Dir sagen.
Ich als Außenstehender finde es ein klein bißchen merkwürdig, dass die Commerzbank glaubt, „wichtige Banker“ bei den Ivestmentfuzzies halten zu müssen, wo gerade die mit ihrer Zockerei den Milliardenverlust generiert haben. Und die Aktionäre machen sowas mit? Das verstehe wer will.

S-J

… verstehst Du nicht, glaubst Du nicht oder
findest Du widersprüchlich?

Das will ich Dir sagen.
Ich als Außenstehender finde es ein klein bißchen merkwürdig,
dass die Commerzbank glaubt, „wichtige Banker“ bei den
Ivestmentfuzzies halten zu müssen, wo gerade die mit ihrer
Zockerei den Milliardenverlust generiert haben.

Wieso „gerade die“? Gibts bei Dir Sippenhaft für Investmentbanker oder was?

Gruß
Christian

Wieso „gerade die“? Gibts bei Dir Sippenhaft für
Investmentbanker oder was?

Gute Idee, aber soweit möchte ich noch nicht gehen, immerhin hat das ja alles einen volkswirtschaftlichen Sinn, was die Jungs da treiben.

Andrerseits, es gibt doch gerade ein Überangebot an freien Investmentbankern, ich sach mal Lehman und so… Da wird doch der ein oder andre Gute dabei sein?

ps: Du musst mir nicht antworten, war nur so dahin geplappert. Ich hab ja Null Ahnung von den großen Rädern.
S-J

Wieso „gerade die“? Gibts bei Dir Sippenhaft für
Investmentbanker oder was?

Gute Idee, aber soweit möchte ich noch nicht gehen, immerhin
hat das ja alles einen volkswirtschaftlichen Sinn, was die
Jungs da treiben.

Das habe ich nie gesagt.

Davon abgesehen sitzen nicht alle Investmentbanker herum und überlegen sich, bei welchen Wertpapiere sie gerade short gehen oder was sie als nächstes verbriefen könnten. Das Berufsfeld ist doch etwas weiter ausgelegt.

C.