Sinn vom 'Kaffee' nach einer Beerdigung

Was haltet ihr vom ‚Frühstück‘ bzw. ‚Kaffee‘ nach einer Beerdigung? Hat sich die Entwicklung nicht weit davon entfernt, wozu ein ‚Kaffee‘ nach einer Beerdigung eigentlich gedacht war?

Was war der ursprüngliche Gedanke zum ‚Kaffee‘ nach einer Beerdigung?

Danke und Gruß
Uli

Ich kenne den „Kaffee“ unter der Bezeichnung „Leichenschmaus“. Dieser stammt wohl schätzungsweise noch aus den Zeiten, als man bei bzw. Beerdigungen Tiere geopfert hat.
HOFee

Hallo Ulrich,

nachfolgender Text stammt aus einer Sendung des SWF von 1998:

"Nach dem Begräbnis versammelte sich die Trauergemeinde zu einem Totenmahl. Die Funktion des posthumen Festmahls -„Leichenschmaus“ genannt - war nach damaliger Auffassung folgende:

Die Seele des Toten war darauf angewiesen, daß die Lebenden für sie beteten, und die Mahlzeit, die nach dem Begräbnis gereicht wurde, kann als Entgelt für die Gebete gesehen werden. Die Trauergemeinde mußte mit einer vorgeschriebenen Speisefolge bewirtet werden. Der Leichenschmaus hatte darüber hinaus eine soziale Funktion, er festigte den Zusammmenhalt unter den Familienmitgliedern, Nachbarn und Freunden des Toten. Außerdem war er das Zeichen, daß das Erbe angetreten werden konnte."

Gruss
Eve*

Life goes on!!
Einige meiner Verwandten & Bekannten verabscheuen dieses Ritual - erst nehme man gelähmt vor Trauer oder in Tränen aufgelöst an einer Beerdigung teil, um dann anschließend beim Leichenschmaus ordentlich dem Kuchen zuzusprechen oder sogar über Anekdoten & Dönekes zu lachen…

Genau darin liegt aber ein/der Sinn des Rituals - man hat Abschied genommen, der Sarg wurde ins Grab gesenkt und man selbst lebt weiter with all the stuff: Nahrungsaufnahme & Lachen, the symbol of life.

Also wenn man sich nach Dem richten würde, was christliche Lehre eigentlich damit meinte, könnte ich sehr wohl verstehen weshalb Kaffee gereicht wird.

Man geht doch davon aus, dass der verblichene Mensch eine gute Seele ist. War aber zu Lebzeit gut auf der Erde ´war´, der kommt zu Gott in dessen Reich.
Und im Himmel ist die Existenz wohl angenehmer als im Leben auf dieser Erde.

Demnach ist es für den Verstorbenen eine Wohltat, wenn er dieses leidvolle Leben beenden darf und auf fährt zu Gott.

Demzufolge ist der Gang zum Grab, die Beisetzung der sterblichen Überreste von Trauer um den Verlust eines lieben Menschen gezeichnet.
Der Leichenschmaus dahingegen wird in Freude mit dem Verstorbenen begangen, dass er diesen See-der-Tränen hinter sich ließ und in die Ewigkeit, erfüllt von Freude Einzug erhält.

Seid gesegnet
Gerrit

Äh…ich muß da mal was zurechtrücken: Erstens: Der u.a. Rundfunkartikel (ich kenne die Sendung) zielte auf alte (abergläubige) Bräuche in der Vergangenheit (!) ab. Zweitens: Christlicher Glaube an Auferstehung ist weder Vertröstung noch Weltflucht: Christen trachten keineswegs danach, diese Welt so schnell wie nur möglich endlich verlassen zu können - dafür ist sie trotz allem zu schön. Deshalb wäre es auch zynisch, angesichts des Todes eine große Party zu veranstalten und sich mit Kaffee und Kuchen über das „nun bessere Leben des Verstorbenen“ zu freuen.

Das Essen nach der Beerdigung hat einen alte, praktische Hintergründe: Zum einen hat man früher den Toten nicht direkt beerdigt, sondern zunächst aufgebahrt und Totenwache gehalten. Auch gab es in vielen Ländern (und gibt es noch heute) Klagefrauen. Kurzum: Man verbrachte längere Zeit in Haus des Toten und mußte demnach auch versorgt werden. Darüberhinaus waren die Transportmöglichkeiten natpürlich anders als heute und man mußte schlichtweg länger reisen. Da war es logisch, dass man nach der beerdigung (und vor der Rückkehr nach Hause) sich erst einmal gestärkt hat.
Das hat sich natürlich heute geändert. Aber der dritte Grund für das Essen gilt auch heute noch: Eine Beerdigung ist wie Geburtstag, Taufe, Hochzeit etc. auch heute noch ein Anlass, der die ganze Verwandtschaft zusammenbringt. Und da ist es nur logisch, dass man sich hinterher noch zusammensetzt und miteinander austauscht. Das stärkt den Zusammenhalt der Familie und ist oftmals auch noch der einzige Ort, wo man sich überhaupt noch begegnet. Außerdem sollten die Hinterbliebenen hier nochmals die Hilfsbereitschaft der Verwandten erfahren. Nur sollte man daraus keine feucht-fröhliche „Abschiedsparty“ machen.

Gerd

Hallo,

ich habe mit dem Leichenschmausritual auch lange nichts anfangen koennen. Ich schieb das aber mitlerweilen auf mal auf die fehlende Erfahrung. Ich habe auch ziemlich lange nicht verstanden warum man nach einer Beerdigung zum „Spachteln und trinken“ gehen kann und (fast) so tut als ob da nichts gewesen waere.
Aber bei der letzten Beerdigung habe ich (glaube ich zumindestens) verstanden warum man sich danach nocheinmal zusammensetzt. Wenn man in dieser Runde bei Kaffee und Kuchen sitzt und dann mal ein bisschen die Ohren aufmacht, dann hoert man von allen Tischen die verschiedensten Ankedoten aus dem Leben des Verstorbenen und man hoert vorallem geschichten die man vorher noch garnicht gehoert hat. Und da liegt mittlerweilen fuer mich der Sinn des Leichenschmaus. Ich moechte gerne die Geschichten die ich kenne nocheinmal hoeren und auch die neuen Geschichten erfahren. Denn genau die Erzaehlungen erhalten den Verstorbenen in meinen Gedanken und lassen nicht den Mantel des Vergessens ueber die Person fallen.
Mittelrweilen bereue ich fast, dass ich auf den letzten Beerdigungen kein Ohr fuer die Gespraeche hatte, denn ich wuerde gerne noch mehr anhaltspunkte haben bei denen ich ins nachdenken komme und mich gerne an die Personen erinnere und sie dann in Situationen vor augen habe die diese Personen durch ihr verhalten einmalig gemacht haben.

Hobbes