Solfeggio, Solfège

Guten Abend, Wissende:smile:

Ich habe mich kundig gemacht, was „Solfeggio“ bedeutet, aber gibt es dafür einen einzelnen deutschen Fachausdruck? Und im Zusammenhang damit suche ich ebenso ein deutsches Wort für Solmisation - oder kann mir jemand die Etymologie dazu erklären?

Vielen Dank und lieben Gruß aus Wien, jenny

Servus, liebe Jenny

Ich habe mich kundig gemacht, was „Solfeggio“ bedeutet, aber
gibt es dafür einen einzelnen deutschen Fachausdruck?

Also ich würde annäherungsweise „Gehörbildung“ sagen, so lautet die übliche Bezeichnung für dieses ach so beliebte Fach an deutschen Hochschulen. Wobei in Deutschland mehr das Notieren als das solmisierende Nachsingen des Gehörten im Mittelpunkt steht.

Und im Zusammenhang damit suche ich ebenso ein deutsches Wort
für Solmisation - oder kann mir jemand die Etymologie dazu
erklären?

Die Etymologie erklärt sich aus den Tonsilben (–> Guido von Arezzo) ut-re- mi -fa- sol -la bzw. bei den Italienern dann do-re-mi etc.

Die Solmisation gehört zu den Themen, die ich nie komplett verstanden habe , da man nur sechs Silben hat und bei jeder Melodie, die über dieses Hexachord hinausgeht, eben jenes wechseln muß. Aber soweit ich mich erinnere, ist bei diesem Wechsel die dritte Stufe, also mi sehr prominent.

Später erweiterte man dann das Hexachord um die (7.) Silbe si und kann auf diese Weise eine ganze Tonleiter bruchlos darstellen. Diese relative Solmisation, wo man also in jeder Dur-Tonart den Grundton mit do, die Quinte mit sol usw. bezeichnet, muß man von der absoluten Solmisation unterscheiden, wo die Silben als Bezeichnungen der Töne aufgefaßt werden. Dort identifiziert man ut/do mit C, re mit D usw.

Jedoch weiß ich für keine dieser drei Arten, Töne singend mit Namen zu benennen, ein deutscheres* Wort.

Hoffentlich hat das deine Frage etwas beantwortet.

Vielen Dank und lieben Gruß aus Wien, jenny

Einen ganz lieben Gruß zurück!
Michael

*deutscheres: Ein klarer Fall fürs Deutsch-Brett.

Hallo, Jenny,

Ich habe mich kundig gemacht, was „Solfeggio“ bedeutet, aber
gibt es dafür einen einzelnen deutschen Fachausdruck?

anscheinend nicht - es wird nur umschrieben.

Sol|feg|gio _[–fɛdʒo n. –s–feg|gien –fɛdʒɘn] mit den Solmisationssilben gesungenes Übungsstück [ital., zu solfa ”Note, Tonleiter“,
http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUID=40,156,538…

Und im Zusammenhang damit suche ich ebenso ein deutsches Wort
für Solmisation - oder kann mir jemand die Etymologie dazu
erklären?

Auch hier kein fester Begriff zu finden, nur Umschreibungen

Sol|mi|sa|ti|on System für die Bezeichnung der Töne der diatonischen Tonleiter mit den so genannten Solmisationssilben [nach den beiden Solmisationssilben sol und mi]
http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUID=40,156,538…

(Diese Links kanntest du vermutlich eh schon…)

Zur Etymologie hab ich auch in Meyers Konversationslexikon was gefunden:

… Jedes Überschreiten des Tons A nach der Höhe (sei es nach B oder H) bedingte nun aber einen Übergang aus dem Hexachordum naturale entweder in das mit F beginnende (mit B molle [B], daher Hexachordum molle) oder das mit G beginnende (mit B durum [H], daher Hexachordum durum); im erstern Fall erschien der Übergang von G nach A als sol-mi. im andern als sol-re. Vom erstern stammt der Name S…
http://www.gutenberg.org/files/10223/10223-h/m4_15_0…

Gruß
Kreszenz_

Dank:smile:
Vielen Dank, liebe Kreszenz, lieber МихаEl:smile:

Das macht die Sache schon viel klarer - wobei „Gehörbildung“ zwar ein durchaus einleuchtender, sich selbst erklärender Begriff ist, aber halt lang nicht so schön wie Solfeggio:smile:

Nochmal Dank und lieben Gruß aus Wien, jenny

Die Solmisation gehört zu den
Themen, die ich nie komplett verstanden habe
, da man nur sechs Silben hat und bei
jeder Melodie, die über dieses Hexachord hinausgeht, eben
jenes wechseln muß.

da ich die anfänge meiner musikalischen ausbildung noch in ungarn, im lande der kodály-methode, genießen durfte, kann ich das ein wenig präzisieren. erstens hast du 7 silben (auf ungarisch dó-ré-mi-fá-szó-lá-ti), und zweitens gibt es sogar namen für die alterierten stufen (wobei ich nicht mehr alle weiß… aber ein # war tendenziell mit -i hinten dran, also ri für die erhöhte zweite, fi für die erhähte vierte stufe, und die erniedrigte siebte war tá. für den rest gab es sicher auch namen).
damit ist es nicht nur möglich, jedes noch so chromatische stück zu erfassen, man kann auch immer den grundtonbezug und generell stärkere tonalen bezüge innerhalb des stückes sichtbar machen, als es mit den absoluten tonhöhen leicht geht. natürlich hat die methode bestimmte grenzen (enharmonische verwechslung, um nur ein beispiel zu nennen).
einer meiner brüder spielt immer noch nach der methode blockflöte (wobei er leider nur ein lied kann, das er jedes jahr zu weihnachten zum besten gibt).

2 Like

hexachorda mollia aut dura - [lang!]
szervusz Gyurikám,

danke für deine ausführungen. diese geschichte allerdings ist mir durchaus noch vertraut, also SO verkalkt bin ich noch nicht :wink: das ist ja auch ein logisch-methodischer ansatz des 20. jahrhunderts. meine exfreundin, die in Marosvásárhely aufgewachsen ist, kann diese sachen auch heute noch auf beeindruckende weise…

nun, die siebte silbe „si“ ist ja ein späterer zusatz. und daraus (bzw. ihrem fehlen) entsteht eben das problem:

was ich meinte mit nie ganz begriffen, ist die mittelalterliche/frühneuzeitliche hexachord-solmisation, die auch Kreszenz in ihrer antwort zitiert.

zunächst mal ist folgendes ganz klar:

man hat drei hexachorda - naturale, molle und durum. mal ganz unzulässig vereinfacht*: naturale ist C-Dur [ohne h], molle ist F-Dur [ohne e] (aber mit b molle) und durum G-Dur [ohne fis, aber mit b durum oder quadratum].

* OT (zur auflockerung):
Frage in der Tonsatzprüfung: Nennen sie den neapolitanischen Sextakkord von Des-Dur! - Verblüffte Rückfrage: Aber wieso, Des-Dur IST doch der Neapolitaner?!

das ist bis dahin alles EINFACH.

wenn’s also vom hexachordum naturale ins molle geht, dann lautet die tonleiter
do-re-mi-fa- sol-mi -fa-sol
also mit dem wechsel des hexachords oberhalb von sol und deswegen sol-mi-sation und nicht do-re-sation …

wenn’s aber ins hexachordum durum übergeht, dann heißt die tonleiter
do-re-mi-fa-sol- la-mi -fa
oder nicht? - also jetzt fang ich schon wieder an zu zweifeln. aber anders kann es ja gar nicht gehen.

wir haben das damals in einem seminar „tonartenlehre des 16. jahrhunderts“ gemacht [übrigens ein hochinteressantes thema], und mein problem damit ist eben, daß dieser wechsel zwischen den hexachorden für mein empfinden unklar definiert ist: wann schalte ich um auf das neue hexachord, und wie kehre ich zurück? das ist eben nicht so klar und einfach wie die kodály-methode.

denn jetzt kommt erst das problem, das ich habe:

z.b. wenn ich folgende melodie habe:
C- E- G - A- B- A- G- F
dann wäre das ja wohl
do-mi-sol-mi-fa-mi-re-do
oder? ich brauch ja keinen ton unterhalb von F

aber in dem fall:
C- E- G - A- B- A- G- E- C :wink:
wäre das:
do-mi-sol-mi-fa-mi-sol-mi-do
oder:
do-mi-sol-mi-fa-la-sol-mi-do?
denn irgendwie muß ich ja wieder runter kommen…

und wie ist es mit folgendem unvollendeten beispiel (Franzl, verzeih mir die prosaische transposition):
C- E- G - B- A- G- F [o.k., Franzl, dein Original: H-Dis-Fis-A-Gis-Fis-E]
also da könnte man sagen:
do-mi-sol-fa-mi-re-do
aber genausogut oder -schlecht:
do-mi-re -fa-mi-re-do

wenn du mir DAS erklären könntest, wäre ich glücklich…

gruß
michael

PS 1
die dreiklangsmelodik meiner beispiele ist natürlich auch nicht unbedingt hystorisch angemessen :wink:

PS 2
und jetzt hab ich grad noch den schönen alten spruch wiedergefunden:
una nota super la
semper est canendum fa

dazu muß man aber immer wissen, ob man grad ein la gesungen hat…

2 Like

was ich meinte mit nie ganz begriffen, ist die
mittelalterliche/frühneuzeitliche hexachord-solmisation, die
auch Kreszenz in ihrer antwort zitiert.

nun gut, damit hab ich mich leider nie ernsthaft beschäftigt, daher kann ich dir da auch nicht weiterhelfen. das einzige, was ich noch in erinnerung hab, ist der von dir auch schon zitierte spruch von guido von arezzo:
una nota super la
semper est canendum fa

wenn man diesen allerdings berücksichtigt, muß man einige deiner beispiele wohl überdenken…

z.b. wenn ich folgende melodie habe:
C- E- G - A- B- A- G- F
dann wäre das ja wohl
do-mi-sol-mi-fa-mi-re-do
oder? ich brauch ja keinen ton unterhalb von F

da wäre der wechsel laut guido wohl erst nach dem la, also
do-mi-sol-la-fa-mi-re-do - oder nicht?

aber in dem fall:
C- E- G - A- B- A- G- E- C :wink:
wäre das:
do-mi-sol-mi-fa-mi-sol-mi-do
oder:
do-mi-sol-mi-fa-la-sol-mi-do?
denn irgendwie muß ich ja wieder runter kommen…

so wie ich das verstanden habe, ist in diesem fall nur das B ein fa, der rest bleibt in der ausgangstonart, also
do-mi-sol-la-fa-la-sol-mi-do
(kann aber leicht sein, daß ich mich irre)

wenn du mir DAS erklären könntest, wäre ich glücklich…

ich fürchte das kann ich nicht genauer. vermutlich ist der reiz der sache eben, daß du theoretisch oft zwei möglichkeiten hast, und je nach wahl zeigst du stärker die eine oder eben die andere tonale bindung auf… aber who knows, vielleicht gibt es auch genauere regeln.
wieso hast du das nicht damals im seminar genauer erfragt?

(ich vermute übrigens, daß die antwort zum teil in der tatsache begründet ist, daß das denken in modi mit all ihren beschränkungen solche probleme gar nicht erst aufwirft…)

2 Like

hallo Gyuri

ich fürchte das kann ich nicht genauer. vermutlich ist der
reiz der sache eben, daß du theoretisch oft zwei möglichkeiten
hast, und je nach wahl zeigst du stärker die eine oder eben
die andere tonale bindung auf… aber who knows, vielleicht
gibt es auch genauere regeln.

genau deine varianten, die auf „semper est canendum fa“ aufbauen, hab ich dann nach absenden des postings auch selbst durchgespielt.
letztenendes muß ich meine frage wohl dahingehend ändern:
Gibt es überhaupt eindeutige lösungen für den hexachordwechsel?

wieso hast du das nicht damals im seminar genauer erfragt?

haha. das ist jetzt ca. 20 jahre her. wahrscheinlich hab ich gefragt; ich erinnere mich einfach nicht einmal mehr daran, geschweige denn an die antwort, vielleicht aber gab es auch keine, mit der ich konkret etwas anfangen sollte…

(ich vermute übrigens, daß die antwort zum teil in der
tatsache begründet ist, daß das denken in modi mit all ihren
beschränkungen solche probleme gar nicht erst aufwirft…)

das ist natürlich ein grundlegendes problem der beschäftigung mit vergangenem, daß wir seit der aufklärung, seit der französischen revolution, seit dem ersten weltkrieg, seit der relativitätstheorie, seit der chaosforschung, seit … (was kommt als nächstes) einfach anders, in anderen kategorien denken.
einer meiner detmolder profs in den 80er jahren sagte mal: „Sie müssen immer bedenken: damals war alles anders.“

na gut, hat mal wieder spaß gemacht, sich mit so was zu beschäftigen. deswegen geh ich eigentlich in dieses forum.

aber ich glaube, jetzt wird es zeit.

Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: »Ach, Luise, laß … das ist ein zu weites Feld.«

also alles gute
gruß
michael

1 Like