"sollen" als Modalverb statt des Modalverbs "dürfen

Hallo!

kann ich oder darf ich in diesem Satz das Modalverb „drüfen“ durch „sollen“ ersetzen?

Sie sollen auf keinen Fall verraten, was der Chef gesagt hat.

Oder es kommt auf die Bedeutung und Interpretation an?
Jemand beauftragt jemanden nicht zu verraten.

Danke

Hi Nadja,

etwas nicht zu dürfen, ist ein unbedingtes Verbot (muss), von dem erwartet wird, dass es eingehalten wird.

etwas nicht zu sollen, ist ein schwaches Verbot, von dem zwar erwartet wird, dass es eingehalten wird, bei dem es aber nicht tragisch wäre, wenn darüber hinweggegangen wird.

Deswegen kann man es je nach Gesamtzusammenhang eben nicht austauschen.

Gruß h.

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Es gibt eine Situation, in der hier auch sollen ginge: Imperativ in der indirekten Rede.

„Verraten Sie auf keinen Fall, was der Chef gesagt hat!“ -> ‚Sie sollen auf keinen Fall verraten, was der Chef gesagt hat.‘

LG

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Liebe Nadja,
wenn ich dich richtig verstehe, ist für deinen Fall genau „sollen“ richtig:

„sollen“ bedeutet:
Der Sprecher sagt, dass eine andere Instanz will, dass der Hörer etwas tut.

(Kind A zu Kind B: Mama sagt, du sollst kommen!

entsprechend:
„nicht sollen“:
Der Sprecher sagt, dass eine andere Instanz will, dass der Hörer etwas nicht tut.

Nebenbei: Man kann sich sehr schön als Sprecher hinter dem „sollen“ verstecken, indem man die Instanz nicht nennt, sie bleibt dann unbestimmt, aber man selber ist scheinbar unbeteiligt, nur der Weitergebende („Hier sollte man nicht barfuß laufen!“ …sagt wer?)

" nicht dürfen" bedeutet:
Der Sprecher sagt, dass dem Hörer etwas verboten ist. Das kann entweder vom Sprecher selbst verboten sein („Du darfst das nicht“ = Ich verbiete das)

oder auch durch einen anderen (Kind A zu Kind B: Du darfst das nicht, hat Mama gesagt!).
Von daher kann man in deinem Fall auch „dürfen“ einsetzen. Man weiß dann ohne Zusammenhang nur nicht, ob der Sprecher das selber verbieten will oder nur das Verbot eines anderen weitergibt!

Karl

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Hallo Karl,

Der Satz ist im Konjunktiv II. Trifft es auch auf (KInd A zu Kind B: Mama sagt, du sollst kommen)?

Vielen Dank und Grüße

Servus

Wenn man ‚sollen‘ im Konjunktiv II verwendet, kann man auch die eigene Meinung ausdrücken. Die Aussage wird aber etwas abgeschwächt und hat mehr den Charakter einer Empfehlung. Im Indikativ wiederholt man aber in der Regel die Aussage eines anderen.

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Hallo Nadja,

Die Modalverben haben allesamt sehr unterschiedliche semantische Valenz, abhängig vom Kontext. Insbesondere unterscheidet sich bei einigen die Negation von der positiven Form, und ihre Verwendung im Konjunktiv II unterscheidet sich von der im Indikativ.

hier findest du alles im Überblick. Insbesondere bzgl. „sollen“:, wenn es sich um einen → Auftrag handelt:

Wenn sollen verneint wird, bezieht die Verneinung sich oft nicht auf sollen , sondern auf das Vollverb. Die Wendung nicht sollen drückt aus, dass ein Auftrag besteht, etwas nicht zu tun. Sie hat eine ähnliche Bedeutung wie nicht dürfen

Bezogen auf deinen Beispielsatz bedeutet das:
Sie haben den Auftrag […] nicht zu verraten
Ubd daher ist in diesem Fall
„Sie sollen auf keinen Fall“ gleichbedeutend mit
Sie dürfen auf keinen Fall“.

Gruß
Metapher

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addendum @Nadja

Und daher ist in diesem Fall
Sie sollen auf keinen Fall“ gleichbedeutend mit
"Sie dürfen auf keinen Fall “.

Vielleicht noch dies: Ein Unterschied besteht dennoch. Und zwar im Gespröchsszenarium:

Bei „Sie sollen …“ wird der Angesprochene („Sie“) über den Auftrag eines anderen informiert.
Bei „Sie dürfen …“ wird der Auftrag in direkter Form ausgesprochen (bzw. wiederholt, falls es der eines anderen ist).

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