Sonnenstand im Tagesverlauf

Hallo zusammen,

ich verstehe nicht, was ich beobachte: morgens um 10:30 Uhr scheint die Sonne genau auf die Vorderseite meines Hauses. Wenn die Sonne scheinbar ca. 15° pro Stunde macht, müßte die Seitenwand gegen 16:30 Uhr genau angeleuchtet werden. Die Seitenwand hat einen rechten Winkel zur Vorderseite. Warum wird die Seitenwand stattdessen bereits um 14:10 Uhr genau angeleuchtet?

Kann mir jemand helfen, das zu begreifen?
Vielen Dank im voraus und viele Grüße,
Chrizz

Das einfachste wäre, Dir eine Sonnenuhr zu basteln und zu beobachten.
Dazu bräuchtest du nur einen fixen Stab, jeweils eine Markierung (z.B. 06:00, 12:00 und 18:00)

Wie misst Du das denn?

Wenn du mit „genau auf“ meinst: Azimuthaler Sonnenstand ist exakt, d.h. auf mindestens 1° genau, orthogonal auf der Hauswand (d.h. die Sonnenstrahlen fallen exakt senkrecht auf die Wand. Ich bezweifle, daß du das vom Kompass so genau abgelesen hast), dann beleuchtet die Sonne bereits 4 Minuten später auch die zu der Wand orthogonale Seitenwand.

Die Sonnenstrahlen fallen nämlich parallel. Und der Helligkeit der Seitenwand ist es egal, ob das Sonnenlicht im Winkel 1° oder im Winkel 90° auf sie auffällt.

Wenn die Seitenwand erst ca. 3 Stunden später im Licht steht, dann hast du um 10:30 den Sonnenstand azimuthal um ca 45° falsch geschätzt: D.h. die Sonnenstrahlen fielen dann noch lange nicht exakt senkrecht auf die Vorderwand.

Gruß
Metapher

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Toller Beitrag. Ich brachte weder die Zeit noch die Geduld auf, um eine solche Antwort zu formulieren.

Gruß
C.

Die Stellung der Sonne zur Hauswand habe ich doch nicht mit einem Kompaß ermittelt, sondern durch den Schattenwurf!

Und wie das? Wenn die Hauswand komplett beleuchtet ist, steht die Sonne genau auf dieser Wand? Hast Du auch kontrolliert, dass die anderen Wände zu diesem Zeitpunkt genau gar nicht beschienen werden?

Vielleicht sich nochmal so:

Ramme einem Stab parallel zur Erdachse in den Boden. D.h. in einem Winkel von etwa 50° zur Erde, und Richtung Norden zeigend.

Die Sonne dreht sich um diesen Stab exakt 15° pro Stunde, und die Sonnenstrahlen fallen jederzeit senkrecht auf den Stab.

Dein Haus steht nun nicht im 50°-Winkel. Die Sonnenstrahlen treffen so gut wie nie senkrecht auf die Wände. Mag sein, dass sie das in der horizontalen Ebene tun, aber da ist immernoch der Winkel über Horizont - die Stahlen kommen immer schräg von oben.

Jedenfalls, diese 15°-Regel gilt NICHT für den horizontalen Winkel.

Es gibt Orte auf der Welt, an denen die Sonne mittags exakt senkrecht steht. Bei einem Haus, dessen Wände genau nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist, kann die Sonne kurz vorher „senkrecht“ auf eine Wand, und kurz nachher „senkrecht“ auf die gegenüber liegende Scheiben. Mit „senkrecht“ meine ich in der horizontalen - die Strahlen kommen immernoch unter einem sehr flachen Winkel von oben.

Das ist der entscheidende Punkt, oder?

Ich empfehle auch, die Schattenlänge über die Jahreszeiten zu beobachten und ggf. zu markieren.
Sonnenwenden beachten, Tag/Nachtgleiche.
Muss ja nicht gleich Stonehenge vorm Haus sein …

Ja. Als Maß habe ich zum Morgen und zum Abend die senkrechten Fensterkanten genommen. Der Lichteinfall bzw. der Schattenwurf zeichnet sich dann parallel zu den rechtwinklig verlegten Bodenkacheln ab. Der Schatten ist mindestens drei Meter lang, weshalb man auf die Minute genau den Punkt bestimmen kann, an dem die SOnne genau auf der Hauswand steht.
Den Mittagspunkt habe ich aus dem Schattenwurf des Hauses, wenn der Schatten auf der Rückwand sich gerade mit der Mauer vereienigt, bzw. der Schatten des Fallrohres genau parallel zur Hausrückwand verläuft. Dort kann ich es ebenfalls über mehr als drei Meter beobachten, so daß die Beobachtung recht genau ist.
Vorderwand: 11:30 Uhr
Seitenwand 14:10 Uhr
Rückwand 19:50 Uhr
Irgendwo muß ein Denkfehler sein. Aber die Hauswände stehen im rechten Winkel zueinander.
Hol’s der Kuckuck! :smiley:

Die Höhe des Sonnenstandes kann ich bei meinen Beobachten (leider) ausschließen.

Spannend! Auf welcher geografischen Breite lebst du denn?

Ein Rätsel?

Wenn die Sonne gegen Mittag von Süden scheint und irgendwann genau vom Norden, lebst du nördlich des Polarkreises. Nirgendwo sonst kann die Sonne mittags von Süd nach abends Nord wechseln.

Ich würde erwarten dass 12 Stunden dazwischen liegen. Ist mit deiner Uhr auch noch was seltsam?

Hallo!

Wie schon oben geschrieben, die 15° / Stunde beziehen sich NICHT auf den horizontalen Winkel, der hier beobachtet wird.

Um das mal mit Daten zu untermauern:

Hier kann man sich für jeden Ort der Welt den Sonnenstand als Tabelle ausgeben lassen.

Ich habe die Spalten mal für heute in Berlin geplottet.

„Elevation“ ist die Höhe der Sonne über dem Horizont, „Azimut“ ist die Kompassrichtung, also der Winkel in der Horizontalen bezogen auf Norden. Also genau das, was hier gefragt ist:

Der Azimut ist keine lineare Funktion und hat wie gesagt nix mit 15° / Stunde am Hut.

Schaut man sich die eingangs erwähnten Zeiten an, ändert sich der Azimut tatsächlich von 10:30 bis 14:10 um 90°. Um 20:20 ist er um weitere 90° gewandert, und bescheint dann die Rückseite des Hauses.

Zeit Elevation Azimuth
10:30 48,28 118,71
14:10 58,61 208,05
20:20 8,24 298,13
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Deine Beobachtung ist jetzt im Sommer richtig. Im Winter wird sie anders sein.
Wenn du dir das Sonnenstandsdiagramm für deine geographische Breite anschaust, siehst du, dass die Sonne bei uns zu einer bestimmten Uhrzeit je nach Jahreszeit in einer etwas anderen Himmelsrichtung steht.
image
Um 12:00 Uhr wahrer Ortszeit steht sie immer genau im Süden und im Mitternacht (unter dem Horizont natürlich) im Norden. Zu den Tag- und Nachtgleichen steht sie außerdem um 6:00 Uhr genau im Osten und um 18:00 genau im Westen.
Zur Sommersonnenwende steht sie aber deutlich später im Osten und früher im Westen. Deswegen dauert es im Sommer weniger als 12 Stunden, bis sie die gegenüberliegende Wand bescheint.

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Und falls es wer noch nicht auf dem Schirm hat:
morgen ist Sonnenwende.

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Dann stelle ich die Frage aber jetzt noch einmal so: wieso verläuft der Azimuth nicht stetig? 365° geteilt durch 24 Stunden machen 15° pro Stunde. Und die Erdrotation ist zweifellos stetig. Was fehlt mir da, um den Knick in der Azimuthfunktion zu verstehen?

Viele Grüße,
Chrizz

Guck dir diese Diagramme an. Die Stunden sind äquidistant auf der eingezeichneten Sonnenbahn, aber je näher die Bahn am Zenit verläuft, desto mehr Winkelgrade werden in der gleichen Zeit durchlaufen.

http://www.volksschule-windach.de/wetterstation/Seiten/sonnen.diagramm.htm

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Ich habe nie darüber nachgedacht (geschweige denn am Haus geschaut, wie lange die Sonne von vorne nach hinten braucht), aber eigentlich ist es ja logisch. Wie ein Flugzeug von Madrid nach San Francisco auch nicht den 40. Breitegrad entlang fliegt, sondern (nahezu) auf direktem Wege.

Danke.