Hallo Nani,
zunächst Grundsätzliches: Es ist nach Deutschem Recht nicht möglich, die so genannte „Elterliche Sorge“ (das ist, was gemeinhin unter „Sorgerecht“ verstanden wird) auf andere Personen zu übertragen - sagt ja der Name schon ein wenig.
In Fällen, in denen keine Eltern vorhanden sind oder beide nicht dazu in der Lage sind, die Elterliche Sorge auszuüben, ist es möglich, die Rechte, die mit der Elterlichen Sorge verbunden sind (Aufenthaltsbestimmungsrecht etc.) auf Dritte zu übertragen. Das ist eine so genannte „Vormundschaft“. Diese Übertragung wird durch ein Familiengericht angeordnet.
Und: Es liegt bei den Eltern hier kein „geteiltes“ Sorgerecht vor, sondern - die Begrifflichkeit zeigt schon die Wichtigkeit, zu der ich später noch kommen werde - ein „gemeinsames“ Sorgerecht.
Um aber ersten Jubel gleich zu dämpfen: Der Gesetzgeber hat klar geregelt, dass es nicht möglich ist, die Elterliche Sorge „abzugeben“. Dabei folgt das Recht der Überlegung, dass es zuvorderst die Eltern sind, die sich um das Kind kümmern sollen; der Staat hat im Rahmen der entsprechenden Reformen zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen.
Die Elterliche Sorge wird man deshalb nur los, wenn man gerichtlich festgestellt das Kindeswohl gefährdet. Dann kann das Sorgerecht - ebenfalls gerichtlich - entzogen werden. Bei gemeinsamer Sorge verbleibt dann das Sorgerecht allein bei einem Elternteil.
Das angesprochene „Erziehungsfähigkeitsgutachten“ kommt in diesem Rahmen zum Einsatz: Durch einen „Experten“ wird versucht, zu untersuchen, ob ein Elternteil überhaupt dazu in der Lage ist, seine Erziehungsaufgabe wahrzunehmen.
Außergerichtliche Möglichkeiten, in das Sorgerecht einzugreifen gibt es nicht (wenn man einmal von der Inobhutnahme für kurze Zeit durch das Jugendamt absieht).
Was natürlich möglich wäre: Eine Vereinbarung der Sorgerechtsträger, wer stellvertretend das Sorgerecht ausüben darf. Das hat allerdings keine rechtsverbindliche Wirkung und kann nur mit einer Vollmacht gleichgesetzt werden - bei wirklich wichtigen Fragen (z.B. Operation o.ä.) wird sich niemand auf eine solche Regelung einlassen - zumal derzeit offenbar die Bereitschaft der Kindsmutter nicht vorhanden zu sein scheint.
Generell kann ich nur anraten, eher den Versuch zu unternehmen, die Mutter wieder mehr an der Erziehung zu beteiligen. Ich weiß auch, dass das bisweilen schwer ist, manchmal auch unmöglich. Aber wenn es gelingen würde, wäre es sicherlich der beste Weg für alle.
Es steht jederzeit die Möglichkeit offen, sich an das Jugendamt zu wenden - nicht so sehr mit dem Anliegen, das Sorgerecht entziehen zu lassen, sondern mehr mit der Frage, wie eine gute Regelung für alle aussehen könnte - das Jugendamt hat hier umfangreiche Beratungsangebote (und auch die Pflicht zur Beratung und Hilfe - alles zu finden im 8. Sozialgesetzbuch).
Beide Eltern sollten sich im Klaren darüber sein, dass das „Sorgerecht“ weniger ein Recht, als vielmehr eine Verpflichtung ist: „Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge)“ (§ 1626 BGB) - hier wurde durch die Kindschaftsrechtsreform 1996 durch die Veränderung der Aufzählung klar gemacht: Die Elterliche Sorge ist eine RechtsVERPFLICHTUNG. Dies wurde in § 1631 BGB noch einmal betont: „Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“.
Das Kind hat ein Recht darauf, von den Eltern erzogen, gepflegt, beaufsichtigt zu werden. Darüber sollten sich beide Eltern neu klar werden. Erst wenn dieser Versuch gescheitert ist (und zwar trotz Unterstützungen, Auflagen etc., die möglich sind), kommt überhaupt eine anderweitige Regelung in Betracht.
Sollte es Fragen geben, dann stehe ich gerne zur Verfügung.
Ansonsten wünsche ich dieser wie allen Familien in Krisen, dass jeder sich wieder auf seine Aufgaben besinnt und die Kinder nicht als Waffe gegen den Ex-Partner eingesetzt werden.
Herzliche Grüße,
picard66