Vergleich USA vs. Deutschland
Hallo Hannes!
in einer neuen breit angelegten Untersuchung beschreibt der
US-Ökonom Peter Lindert, das der europäische Wohlfahrtsstaat
nicht einer liberalern US-Wirtschaftspolitik unterlegen ist
(Wachstum und Arbeitsplatzschaffung relativ gleich).
Stellt sich nur die Frage, welche Vokswirtschaften da miteinander verglichen werden. Schauen wir uns einmal Deutschland und USA im Vergleich an:
Bezogen auf 2003 gab es in Deutschland eine Arbeitslosenquote von über 10 % gegenüber den USA mit nur 6 %. Das Wachstum lag in Deutschland bei MINUS 0,1 % gegenüber PLUS 3,1 % in den USA.
Demnach wäre Deutschland nur bezogen auf Wachstum und Arbeitsplatzbeschaffung der US-Wirtschaft deutlich unterlegen.
Betrachten wir noch die Inflationsrate: Deutschland 1,1 % vs. USA 2,2
Der wichtigtse Punkt beim Vergleich erscheint mir der Anteil der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die liegt in den USA bei 12 %, während in Deutschland der unterste Sozialhilfesatz noch über der Armutsgrenze liegt.
Jetzt noch die Verteilung des Einkommens: In Deutschland entspricht der Anteil der untersten 10 % der Haushaltseinkommen einem wertmäßigen Anteil von 3.6% am Gesamteinkommen, während die oberen 10 % der Hasuhaltseinkommen wertmäßig 25.1% ausmachen. In den USA geht der Vermögensaufbau deutlich weiter auseinander. Hier haben die unteren 10 % einen Anteil von 1.8%, während die oberen 10 % einen von 30.5 % aufweisen.
Bewertet man die nackten Zahlen, dann kann man die Deutsche Volkswirtschaft als die sozialere bezeichnen, weil es den unteren Schichten deutlich besser geht. Die US-amerikanische Vokswirtschaft ist jedoch die dynamischere, hat mehr Wachstum und mehr (bedarfsgerechte) Beschäftigung. Das liegt in der Natur der Sache. Ein nicht bewerteter Punkt bleibt die Frage nach der Gerechtigkeit. Oder anders: Haben die 12 % unterhalb der Armutsgrenze auch wirklich die gleichen Chancen, wenn es an die Verteilung des Kuchens geht?
Weiter stellt er die These auf, dass der Kündigungsschutz,
Frühverrentung und Marktbeschränkungen die wahre Bremse für
Wachstum und Wohlstand in Deutschland sind.
Ist die Deutsche Diskussion um Senkung der Lohnnebenkosten und
Kürzung des Sozialstaates total fehlgeleitet?
Nein, ist sie nicht. Wenn Deutschland mehr Beschäftigung will, dann brauchen wir ein wirtschaftliches Wachstum. Dafür müssen die Produktionskosten gesenkt werden und die Lohnnebenkosten sind der wichtigste Punkt. Die Lohnhöhe und die Steuern sind weitere Punkte. Ziel ist eine Nettoentlastung, idealweiser mit Vorteilen für die Unternehmen.
Ist der Wohlfahrtsstaat in Wirklichkeit das Erfolgsmodell
(geringere Arbeitszeit, höhere Produktion, besserer soziale
Absicherung bei gleichem Wachstum)?
Sicher ist er das Erfolgsmodell. Aber für die Dynamik gibt es Grenzen, die politisch diskutiert werden. Man kann nicht immer weniger arbeiten. Hier ist die Lücke zwischen den USA, Japan und Deutschland bereits heute zu hoch.
An einer höheren Produktivität arbeiten die Unternehmen mit Nachdruck. Allerdings können auch Entlassungen zur höheren Produktivität führen. Das ist aber gesellschaftlicher Selbstmord. Im Vergleich USA vs. Deutschland stellt sich die Farge nicht, weil beide Volkswirtschaften nach höherer Produktivität streben. Allerdings braucht Deutschland sie dringender, weil der Sozialstaat mehr kostet.
Dann kommen wir zum letzten Satz: „bessere soziale Absicherung bei gleichem Wachstum“. Das hat dann mit den Realitäten nichts mehr zu tun, weil das Wachstum nicht gleich ist. Die Länder mit dem höchsten Wachstum (China, Indien, Ex-UDSSR) haben eine vergleichsweise schlechte soziale Absicherung. Das Wachstum und eine hohe Beschäftigung sind immer nur Voraussetzungen, um eine soziale Absicherung zu schaffen. Deutschland hat seit Kriegsende ein enormes Wachstum, eine enorme Produktivität und eine hohe Beschäftigung gehabt. Derzeit ist der Sozialstaat hier aber kaum mehr finanzierbar. Daher muss sich in Deutschland etwas ändern und das wird zu LAsten der sozialen Absicherung gehen. Eine Alternative dazu gibt es leider nicht.
In den USA ist die Situation anders. Die soziale Absicherung ist dort zu gering. Das Wachstum würde den Aufbau besserer sozialer Sicherungssysteme erlauben. Weniger Arme bedeutet auch mehr Nachfrager. Für die USA ist die Binnennachfrage ohnehin bedeutsamer. Weitere gesellschaftliche Verbesserungen, wie geringere Kriminalität sind zudem zu erwarten.
Konklusion:
Für die USA ist die Orientierung am europäischen Sozialstaat im Sinne einer Zubewegung sinnvoll. Für Deutschland ist ein Festhalten am Sozialstaat im Sinne weiterer Absicherung oder Beibehaltung der Systeme kritisch. Wie weit sich die Volkswirtschaften aufeinander zubewegen können oder sollten, bleibt dann Thema der tagespolitischen Diskussion. Wenn sich also ein amerikanischer VWLer für das europ. Sozialsystemn ausspricht, macht es dort Sinn. Wenn die europ. Verantwortlichen für die Wirtschaft daraufhin selbstzufrieden die Hände in den Schoß legen, wird es dauerhaft keine Sozialstaaten europ. Prägung mehr geben.
Gruß,
Klaus