Hi,
mal als Vielosoff an die Sache rangehend:
wer kann mir eine knackige, lexikonfähige Definition von
„sozialer Gerechtigkeit“ geben? Und nein, ich habe keine
entsprechende Hausaufgabe.
Du hast bisher erfahren:
-
„Soziale Gerechtigkeit“ lässt sich wie jeder andere Begriff auch definieren, z.B. so wie der Wiki ihr Peter das tut
-
solche Definitionen sind aber grundsätzlich subjektiv;
eine objektive Definition, also DIE Definition ist entweder a) notwendig hochabstrakt und damit nichtssagend (z.B. „vollständige soziale Gerechtigkeit herrscht, wenn alle Menschen maximal glücklich sind“; klar da würde keiner widersprechen) oder b) sie wird eben postwendend von anderen bestritten, und ist damit die längste Zeit objektiv gewesen.
c) könnte man das Problem aber vielleicht dem Grundgedanken nach ungefähr wie Mr. Rawls angehen, der diesen auf 600 Seiten ausführte („A theory of justice“):
Man stelle sich gedankenexperimentell vor, alle Menschen bzw. ihre Repräsentunten würden darüber verhandeln, wie die Welt ausschauen müsste, damit man objektiv diese als sozial gerecht empfinden würde, also als gerecht für alle;
um dabei der hansgress’schen Machtpolitik, welche die Objektivität zerstört, aus dem Weg zu gehen, vereinbart man, dass man zuerst die allgemeine Vorstellung einer gerechten Welt verhandelt und dann auslost, wer welche Position darin einzunehmen hätte …
Grundidee: keiner würde mehr sagen, dass die Anwälte achso wichtig wären und deshalb eben grundsätzlich viel mehr verdienen müssten als die Bauarbeiter, weil zu dem Zeitpunkt eben keiner sicher sein kann, dass er nicht als Bauarbeiter ausgelost wird;
oder QuartzIV wäre wohl deutlich höher, weil keiner wüsste, ob er nicht als genau solcher gezogen werden würde, deshalb wäre dieser Satz aber noch lange nicht genauso hoch wie der durchschnittliche Arbeitslohn, weil ja die allermeisten zustimmen würden, dass allgemein gedacht, die arbeitenden Menschen mehr erhalten sollten als die arbeitslosen, damit insgesamt der Kuchen größer wird …
nach Rawls käme es so übrigens zu einer Minimax-Lösung: die Welt würde als gerecht gelten, in der der gesamte Kuchen maximal wird und zugleich das Risiko jedes einzelnen, beim Auslosen gar kein oder nur ein Ministück davon zu kriegen, minimal wird.
Die erfragte mögliche knackige Definition wäre folglich: „Soziale Gerechtigkeit ist das, was alle Beteiligten als solche festlegen würden, würden sie dabei nicht wissen, welche Position in der Welt sie danach einnehmen müssten“
Rawls nennt diese Situation übrigens: Verhandlung hinter dem Schleier des Nichtwissens.
M.E. ist das übrigens nicht nur eine reine Gedankenspielerei oder eine rein ethische Problematik, sondern ich glaube durchaus (ernsthaft, kein Witz), dass der Zufall in der Politik viel zu wenig genutzt wird, denn über Verfahrensregeln zur Verteilung kann man sich halt grundsätzlich viel schneller und leichter einigen als über konkrete Verteilungsfragen selbst.
Viele Grüße
Ben