Hallo Hannes!
Gerade von der ‚Wiege der Europäischen Kultur‘ zurückgekehrt, habe ich mir gleich mal deine Antworten zu Gemüte geführt …
Mal abgesehen davon, dass „Lies erstmal dies und jenes“ weder
ein gutes Argument, noch besonders diskussionsfördernd ist,
Wieso?
Eindrucksvoll vorgeführt habe ich diesen Lies-erst-mal-dies-und-jenes-Effekt mal von einem Bundeswehr-Offizier bekommen, der durch die Schulen gezogen ist, um Podiumsdiskussionen zur Rechtfertigung des Verteidigungsauftrages zu ‚gewinnen‘:
Auf jedes gute Argument gegen die Bedrohungspolitik des kalten Krieges, hat er auf Schriften und Historische Ereignisse verwiesen, von denen niemand genaueres wusste. So brauchte er durchaus begründete, allgemeingültige Argumente nicht entkräften, sondern schickte seinen Diskussionsgegner quasi nach hause, erstmal nachlesen.
Wenn man sich also in einer Diskussion durchsetzen will, dann ist das vielleicht ein wirkungsvolles Mittel.
Wenn man eine Diskussion führt, um dabei im Denken weiterzukommen, dann muss man mit Inhalten kommen, nicht mit ganzen Büchern, ohne auf deren Kernaussagen näher einzugehen.
Kannst Du mir einen Staat nennen, der wegen seines Strebens
nach Gerechtigkeit untergegangen ist? Mir scheint, eher das
Gegenteil ist der Fall.
Tut mir leid, wenn ich dermassen schlecht informiert bin, dass
ich weder sagen kann, wie lange das Chinesische Kaiserreich
existiert hat, noch, ob da das Streben nach Gerechtigkeit eher
als Neben- denn als Hauptzweck, wenn überhaupt irgendetwas,
galt.
Ich behaupte doch nur, dass ich keinen Staat kenne, der WEGEN
seines Strebens nach Gerechtigkeit untergegangen ist.
Woher weißt du das?
Das Streben nach Gerechtigkeit spielt in der BRD eine herausragende Rolle, und viele würden zustimmen, dass wir mehr Gerechtigkeit genießen, als alle Menschen zuvor, von einschließlich der Antike bis heute. Wie lange gibt es die BRD jetzt schon, und wie lange wird es sie wohl noch geben? Schaffen wir noch 2.077 Jahre soziale Marktwirtschaft?
Vergleich:http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Kaiserreich
Ich füge an: Aber das Fehlen des inneren gerechten Ausgleichs
(nicht nur von Wohlstand, auch von Chancen, Rechten usw.) ist
es doch, der die Staaten in Krisen stürzt,…
Laut Geschichts- und Ethik-Lehrern von mir ist es eher Druck von Außen, oder der Wandel der Zeit, dem unelastische, nicht anpassungsfähige Systeme zum Opfer fallen.
… in Revolutionen …
Diese werden seltenst bis gar nie von den Ärmsten und den Unterdrücktesten angeführt, bzw. erfolgreich durchgezogen.
und, wenn nichts geschieht, in den Untergang. Wenn äußere
Umstände - z. B. Bedrohung von Außen, die von Dir angeführte
Globalisierung vielleicht auch noch, wer weiß schon - den
gerechten inneren Ausgleich unmöglich macht, dann staut sich
doch eine Flut von innenpolitischen Problemen an.
wenn du eine Definition von ‚gerechten inneren Ausgleich‘ liefern kannst, die allgemeingültig wäre, und allgemein akzeptiert werden würde, dann hättest du ein echtes Gegenargument geliefert.
Hier erwähne ich auch noch einen These, die meiner Frage zugrunde liegt:
Ich vermute, dass das starke Propagieren einer Gerechtigkeit, über die in den genannten Beispielen kein allgemeiner Konsens erzielt wird, ob er nun möglich wäre oder nicht, das Gefühl der Ungerechtigkeit noch verstärkt.
Stellte man dagegen einen solidarischen Ansatz, der darauf zielt, die Lebensqualität jedes einzelnen zu erhalten, stärker in den Vordergrund, und würde man bewusst darauf hinweisen, dass Gerechtigkeit an sich nicht den Erfolg bringt, sondern die optimale Kooperation von Starken und Schwachen, so würde M.E. nach das subjektive Empfinden von sozialer Ungerechtigkeit eher abnehmen.
So starben bislang auch die Gerechtesten durch die Hand der
Stärkeren.
Außerdem war und ist das Streben nach Gerechtigkeit in jedem
Staat das Privileg der Starken.
Genau dies wird von Cicero (in de re publica Buch III) in zwei
Reden (eine für, eine gegen die Gerechtigkeit) eindrucksvoll
vorgebracht und diskutiert.
Dann also auch noch Cicero lesen … danke, am besten ich sage nix mehr, bevor ich nicht mindestens einen Magister in Philosophie habe, oder?
so waren z.B. schon in Antiken
Demokratien z.B. Frauen nicht wahlberechtigt
Warum wurde denn ab 1919 sukessive das Frauenwahlrecht
eingeführt? Doch wohl, weil wegen der eigenständigen
Berufstätigkeit der Frauen …
ach so, und ich dachte, der nikomachischen Ethik wegen 
Zeit ist der gnadenloseste Prüfstein einer jeden Idee.
Ja, sicher, aber eben ein Prüfstein, ob die Idee etwas taugt.
Das Ergebnis einer Prüfung steht doch nicht schon vorher fest.
Manche Ideen sind eben einfach uralt, so wie die des gerechten Staates.
Wenn es etwas besseres gibt, wird früher oder später jemand damit erfolgreicher sein, als diejenigen, die daran festklammern.
In unserer modern-friedlich-globalisierten Welt(*g*) endet es dann bestenfalls mit einer ‚feindliche Übernahme‘.
Also liegt das Problem, dass niemand sich auf eine ‚soziale
Gerechtigkeit‘ einigen kann, wohl darin, dass erstmal alle die
Nikomachische Ethik lesen und begreifen müssten.
Ich bin sicher, dass diese Lektüre weiterhelfen würde.
Ich bin sicher, das mehr offenherzige Diskussionen, und das loslassen von altbackenen Denkstrukturen sehr weiterhelfen würden.
Gruß,
Peter