Sozialhilfe bei Pflegefall

Hallo, liebe Experten!

Mein Vater ist Rentner mit einer normalen Rente. Meine Mutter ist seit knapp 2 Jahren im Pflegeheim (Stufe 3) und wurde vorher 3 Jahre daheim gepflegt.

So langsam gehen die Ersparnisse meines Vaters zur Neige (wer kann schon auf Dauer fast 2000 Euro pro Monat für das Pflegeheim aufbringen). Meine Eltern sind als Zugewinngemeinschaft verheiratet und mein Vater lebt nun alleine im gemeinsamen Haus. Beide haben gemeinsam eine kleine vermietete Eigentumswohnung und mein Vater besitzt noch ein kleines Häuschen, auch vermietet. (Klingt jetzt unheimlich „reich“, ist es aber nicht. Miete war als Rentenaufbesserung gedacht.) Einnahmen aus beiden Renten und den beiden Mieten ca. 2100 Euro.

Wenn er nun die Barmittel nicht mehr hat, was muss er nun beleihen, veräußern o.ä., bis die Sozialhilfe die Kosten des Pflegeheimes übernimmt? Wieviel Selbstbehalt bleibt ihm?

Herzlichen Dank für hilfreiche Antworten!

Karin

Hallo Karin,

jetzt folgt ein etwas längerer Text. Hier sind schon mal einige wichtige Eckpunkte angesprochen. Diesen Text und noch weitere Infos erhälst Du hier:
http://www.sozialhilfe.org/

Hausbesitz als Vermögen
Ihr Eigenheim bzw. Ihre Eigentumswohnung ist für das Sozialamt Vermögen. Geschützt ist nur ein „angemessenes Hausgrundstück“, wenn es „vom Hilfesuchenden oder einer anderen in den §§ 11, 28 BSHG genannten Person (d.h. seinem Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kindern) allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach seinem Tod bewohnt werden soll“ (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG).
Ein Hausgrundstück ist also nur dann geschützt, wenn Sie es selbst bewohnen.
Seit Oktober 1991 kann es auch von Familienangehörigen bewohnt werden, um geschützt zu sein. Das bedeutet z.B., daß das Haus nicht mehr verwertet werden muß, wenn Sie in ein Pflegeheim kommen, Ihr Ehepartner oder Ihre minderjährigen Kinder aber noch im Haus leben.
Leben aber nicht mehr Sie, sondern „nur“ Ihr volljähriges Kind mit oder seinem Ehepartner in Ihrem Haus, so ist es nicht geschützt. Ebensowenig wenn Brüder, Schwestern, Enkel oder Tanten drin wohnen.
Nicht geschützt sind Zweitwohnungen und Ferienhäuser. Das trifft insbesondere ausländische Familien hart, wenn sie angeben, in ihrer Heimat ein Haus zu besitzen. Besondere Lebensverhältnisse von ausländischen Familien können allenfalls als Härtefall berücksichtigt werden (§ 88 Abs. 3 BSHG).
Zweifamilienhäuser sind geschützt, wenn der von Ihnen bewohnte Teil angemessen ist. Die Mieteinnahmen werden als Einkommen gerechnet. Größere Mehrfamilienhäuser sind dann geschützt, wenn der Eigentumsanteil dem angemessenen Hausgrundstück gleichkommt (OVG Hamburg FEVS 35, 229; OVG NW ZfF 1988, 34; OVG Koblenz FEVS 14, 432).

Was ist ein „angemessenes Hausgrundstück“?
Als Hausgrundstück werden merkwürdigerweise auch ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung bezeichnet.
„Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Familienheime und Eigentumswohnungen im Sinne der §§ 7 und 12 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sind in der Regel nicht unangemessen groß, wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs.1 S.1 Nr.1 und 3 in Verbindung mit dem Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, bei der häuslichen Pflege (§ 69 BSHG) die Grenzen des § 39 Abs.1 S.1 Nr.1 und 3 in Verbindung mit § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht übersteigt“ (§ 88 Abs.2 Nr.7, S.2f. in der Fassung vom 1.1.1991).

Dieses akademische Kauderwelsch bedeutet:
Angemessene Fläche
Angemessen ist ein Familienheim, wenn ein Haushalt mit bis zu vier Personen bis zu 130 m2, bei Eigentumswohnungen bis zu 120 m2 Wohnfläche hat (§ 39 Abs. 1, II. WoBauG). Bei pflegebedürftigen Sozialhilfeberechtigten kommen 20% der Wohnfläche hinzu (§ 39 Abs. 1 und § 82 II. WoBauG). RollstuhlfahrerInnen haben einen zusätzlichen Flächenbedarf von 15 m2 (BVerwG 01.10. 1992, NDV 1993, 238).
Die Grenzen von 120 bzw. 130 m2 sind Obergrenzen, die nur für Vier-Personen-Haushalte gelten.
Wenn mehr Personen im Haushalt leben oder besondere persönliche (z.B. Behinderung) oder berufliche Bedürfnisse vorliegen, kann die Wohnfläche für jede weitere Person um 20 m2 überschritten werden (§ 83 Abs.3 II. WoBauG). Ebenso bei einer wirtschaftlich notwendigen Grundrißgestaltung (§ 39 Abs.2 Nr.3 II. WoBauG).
Wenn weniger Personen im Haushalt leben, kann die angemessene Fläche um 20 m2 pro Person verringert werden, also bei drei Personen auf 110 m2 (OVG Lüneburg 12.06.1995, FEVS 1996, 196).
Das Bundesverwaltungsgericht weiß es besser als der Gesetzgeber. Es erklärt gegen den Wortlaut des BSHG, daß im Regelfall die Wohnungsgrößen im Sozialen Wohnungsbau maßgeblich seien (BVerwG 01.10. 1992, NDV 1993, 237). Im Sozialen Wohnungsbau jedoch stehen vier Personen 90 m2 zu, nicht 130 bzw. 120 m2.

Angemessene Grundstücksfläche
Der Deutsche Verein hält bei einem Reihenhaus bis zu 250 m2, bei einer Doppelhaushälfte bis zu 350 m2 und bei einem freistehenden Haus bis zu 500 m2 für angemessen (NDV 1992, 144-6).

Angemessener Verkehrswert
Wenn ein Hausgrundstück (auch Eigentumswohung) von der Größe und Ausstattung angemessen ist, heißt das nicht, daß damit automatisch auch der Verkehrswert geschützt ist. Er kann trotzdem unangemessen hoch, also teilweise ungeschützt sein. Als Maßstab für die Angemessenheit des Verkehrswerts müssen die Verhältnisse am Wohnort genommen werden. „Der Hilfesuchende, der Sozialhilfe für sein Leben am Wohnort begehrt, darf nicht deshalb abgewiesen werden, weil er an einem anderen Ort billiger leben könnte“ (BVerwG 17.01.1991, FEVS 41, 269). Der Verkehrswert muß sich im unteren Bereich der Verkehrswerte vergleichbarer Häuser am Wohnort halten, nicht im Landesdurchschnitt (BVerwG 17.01.1991 und 01.10.1992, NDV 1993, 237). Das kann z.B. über das jeweilige Katasteramt erfragt werden, das die Grundstücksverkäufe registriert.
„Als Anhalt können pro qm anzuerkennende Wohn- und Grundstücksfläche die im Bereich des örtlichen Trägers der Sozialhilfe üblichen Baukosten je qm Wohnfläche im Sozialen Wohnungsbau (Gesamtkosten ohne Baugrundstück) und die aus der einschlägigen Kaufpreissammlung ersichtlichen Bodenrichtwerte … herangezogen werden“ (Empfehlungen des Deutschen Vereins für den Einsatz des Vermögens … Rd. Nr.7, NDV 1992, 145). Die üblichen Baukosten können beim Bauamt erfragt werden.
Hypotheken werden nicht vom Verkehrswert abgezogen (BVerwG 26.10.1989, FEVS 1989, 1), damit das Sozialamt mehr aus Ihnen rausholen kann.
Der Deutsche Verein dagegen:" Beim Einsatz des Vermögens ist vom Verkehrswert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Belastungen auszugehen" (NDV 1992, 144-146, Rd.Nr. 74).

Nicht geschützte Verkehrswerte nach der bisherigen Rechtssprechung:
200.000 DM (BVerwG 26.10.1989, s.o.)
180.200 DM (OVG Lüneburg 1991, 453)
238.000 DM (OVG NRW FEVS 1981, 341)
275.000 DM (OVG Koblenz 13.9.1990)
260.000 DM (OVG Lüneburg 12.11.1992)
285.000 DM (OVG Lüneburg FEVS 1996, 192)
300.000 DM (OVG Bremen FEVS 1997, 440)
200.000 DM (OVG Bremen 13.10.1992)
(alle Angaben aus OVG Bremen 17.10.1996, FEVS 1997, 443).

Miteigentümer
Sind Sie nur Miteigentümer eines Hauses, dann ist bei der Prüfung der Angemessenheit „nur auf den aufgrund des Miteigentumsanteils als Wohnstatt genutzten Teil des Grundstücks abzustellen“ (BVerwG 25.06.1992, ZfSH/SGB 1993, 78).

Verwertung des unangemessenen Teils
Wenn Ihr Eigenheim oder Ihre Eigentumswohnung die Grenze der Angemessenheit übersteigt, muß nur der unangemessene Teil verwertet werden. Der angemessene Teil bleibt geschützt. Wenn z.B. 14 m2 nicht geschützt sind, müssen diese in Geld bewertet werden. Da es nicht zumutbar ist, ein Eigenheim wegen 14 ungeschützten Quadratmetern zu verkaufen, soll die Sozialhilfe auf ->Darlehensbasis gegeben werden (§ 89 BSHG).
Das Darlehen kann davon abhängig gemacht werden, daß es durch eine Hypothek oder eine Sicherungsübereignung „dinglich gesichert“ wird. Wenn Sie darauf nicht eingehen, kann das Sozialamt das Darlehen verweigern (§ 89 Abs. 2 BSHG). Die Darlehen sind zinslos.

Viele Grüße,
hostrunner

Hallo hostrunner,

wenn ich das richtig lese, muss also mein Vater auch sein „Vermögen“ aufbrauchen, bevor meine Mutter Sozialhilfe beziehen könnte. Und das beiden gehörende Einfamilienhaus mit ca. 130 qm Wohnfläche müsste er beleihen oder verkaufen?! Ist das so richtig?

Liebe Grüße

Karin

Hallo,

das ist richtig mit Ausnahme des Schonbetrages (früher 4500,-- DM).

Da kann vor Wut Heulen und Zähneklappern herrschen - ein Betroffener kann relativ schnell arm werden.

Viele anschen haben in dieser Situation nach legaler Abhilfe gesucht, aber der geht nichts mehr, selbst das Ding mit der Schenkung nicht.

Ich führe schon mehrere Jahre Betreuungen und habe erlebt, wie schnell das lebenslang ersparte Geld weg war.

Würde gern etwas positiveres schreiben, aber geht nicht.

Gruss

Andreas

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Hallo Karin,

wie Andreas schon ausgeführt hat, ist es leider richtig so.
Grundlagen hierfür sind für das Sozialamt die Vorschriften der §§ 1360 und 1360a BGB (Verpflichtung zum Familienunterhalt und Umfang der Unterhaltspflicht in der Ehe).

Ein kleiner Ermessensspielraum ist den Sozialämtern allerdings gegeben. Grundsätzlich ist immer der individuelle Einzelfall zu prüfen und nach den persönlichen Umständen zu entscheiden.
Wenn Deinem Vater aus Alters- und Gesundheitsgründen bestimmte Dinge nicht zuzumuten sind (z.B. der Verkauf des selbstbewohnten Hauses oder die Beleihung des Grundstückes), kann von diesen Vorgaben abgesehen werden.

Ich würde Dir raten, Dich mit dem zuständigen Sachbearbeiter und seinem Vorgesetzten (möglichst persönlich und mit einem Zeugen) in Verbindung zu setzen und die Sachlage zu erörtern.
Diese Leute haben nach dem Sozialgesetzbuch auch eine Beratungspflicht. Hier können Dir schon wichtige Dinge genannt werden.
Wenn aber -wie fast zu befürchten ist- seitens des Sozialamtes nur Forderungen aufgemacht werden, solltest Du auch ein Beratungsgespräch mit einem Fachanwalt für Sozialrecht führen.

Ich wünsche Dir und Deinem Vater viel Glück,
hostrunner

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schau bitte oben unter …
geht vielleicht doch was, hatte ausversehen „NEuen Artikel“ Angeklickt
Susanne