Spielkonsolensucht in der Pubertät

Liebe/-r Experte/-in,
ich habe einen fast 15-jährigen Sohn, der für meinen Geschmack zu viel vor der Glotze bzw. Playstation hängt. Wenn ich mich mit anderen Eltern unterhalte, muss ich feststellen, dass die meisten Kids so drauf sind. Ich finde aber, dass das schon Suchtverhalten ist.

Er lässt sich auch seit längerem für nichts mehr begeistern, geht z.B. nicht mit uns ins Schwimmbad, verabredet sich nur selten mit Freunden und ist nur widerwillig mit uns in den Urlaub gefahren. Noch nicht mal Freizeitparks können ihn begeistern.
Hast Du nen Tipp, wie ich ihn animieren könnte, etwas Spaß zu haben?
Vielleicht noch ne Anmerkung: er ist das älteste von meinen 3 Kindern. Die beiden jüngeren sind aufgeschlossen und sind lebenslustig.

Vielen Dank für Deine Antwort.
Schönes WE und Grüße von der Blonden

Hallo Blonde,

ich habe einen fast 15-jährigen Sohn, der für meinen

Geschmack

zu viel vor der Glotze bzw. Playstation hängt.

Was heißt das, nach deinem Geschmack? Kennst du SEINEN
Geschmack? Weißt du was er spielt? Weißt du, was ihn
daran interessiert bzw. fasziniert? Hast du mal
mitgespielt oder dir zeigen lassen, was er spielt? Hält
er seinen Konsum auch für problematisch? Wenn nicht,
was macht ihn da so sicher, dass er nicht gefährdet
ist, süchtig zu werden? Wo sind deine Ängste? Was
könnte deiner Meinung nach bei seinem Konsumverhalten
schlimmstenfalls passieren? Kennt er deine Ängste?

Hat er noch andere Hobbys? Pflegt er Freundschaften
außerhalb des Netzes? Hat er Anschluss in der Schule?
Fühlt er sich in der Schule, im Verein, der Clique …
wohl? Wo liegen seine Interessen? Wo seine Begabungen
und Talente? Kennt er seine Talente? Ist er in der
Schule notenmäßig abgefallen?

So, das waren nun erstmal ganz viele Fragen.

Wenn ich mich
mit anderen Eltern unterhalte, muss ich feststellen,
dass die meisten Kids so drauf sind.

Sind diese Eltern ähnlich besorgt?

Ich finde aber, dass das schon
Suchtverhalten ist.

Findet er das auch?
Denke daran, dass die Zeit der Erziehung nun vorbei
ist. Jetzt heißt es eine gleichwertige
partnerschaftliche Beziehung aufzubauen. Das fordert
großes Vertrauen. Ich gehe weiter unten nochmals darauf
ein.

Er lässt sich auch seit längerem für nichts mehr
begeistern, geht z.B. nicht mit uns ins Schwimmbad,

Dieses Verhalten ist vollkommen normal!

verabredet sich nur selten mit Freunden

Was heißt selten? Hast du das Gefühl im reichen seine
Kontakte oder hätte er selbst gerne mehr? Hast du
darüber mit ihm schon einmal gesprochen?

und ist nur widerwillig mit uns in den
Urlaub gefahren.

Aber er ist mitgefahren! Hut ab! Ich wäre mit 15 nicht
mehr mit meinen Eltern in Urlaub gefahren und kenne
auch niemanden, der dies gerne getan hätte.

Eine wichtige Entwicklungsaufgabe der Pubertät ist es,
sich emotional vom Elternhaus zu lösen um seine eigene
Identität zu finden. Dazu gehört ausprobieren, mal das
Gegenteil von dem machen, was die Eltern wollen, zu
rebellieren, sich zurück zu ziehen, …

Dies ist vor allem für die Eltern meist sehr schwer,
denn lange Zeit (bei Jungs 12-16 Jahren) waren die
Eltern nahezu die wichtigsten Bezugspersonen. Man hat
deren Regeln und Muster nicht hinterfragt und meistens
war es harmonisch. Und plötzlich ist es anders. Das
kommt dann oft aus heiterem Himmel.

Es ist in der Regel so, dass dies den Eltern noch
verstandesmäßig klar ist, dass die Zeit kommt, in der
die Kinder anfangen MÜSSEN ihren eigenen Weg zu suchen.
Kinder müssen dann erstmal alles in Frage stellen, was
vorher war. All das ist kopfmäßig meistens klar. Und
wenn es dann soweit ist, dann tut es trotzdem weh.

Hast Du nen Tipp, wie ich ihn animieren könnte, etwas
Spaß zu haben?

Ich denke es dir absolut klar, dass es auf keinen Fall
DEINE Aufgabe ist, ihn zum Spaß zu animieren. Du bist
seine Mutter, nicht seine Animateuse oder
Freizeitgestalterin.

Denk daran, er geht immer auf die andere Seite der
Waage von dir. Wie bei einem Esel. Wenn du ziehst, geht
er zurück, wenn du drückst geht er nach vorne. Das sind
die ausgleichenden Kräfte. Ich hoffe du verstehst, was
ich meine, ansonsten nochmals fragen.

Vielleicht noch ne Anmerkung: er ist das älteste von
meinen 3 Kindern. Die beiden jüngeren sind
aufgeschlossen und sind lebenslustig.

Wie war bisher der Charakter deines Sohnes? War er
nicht lebenslustig? Ist er schon immer eher
zurückgezogener gewesen?

Nochmals zu deiner Eingangsfrage mit der Sucht. Das
kann ich natürlich nicht beantworten, weil ich deinen
Sohn nicht kenne. Du kannst sicherlich auch eine
Suchtberatungsstelle aufsuchen. Was klar ist, dass PC-
Games, vor allen Dingen Online-Rollen-Spiele hohes
Suchtpotential haben. Man darf das nicht unterschätzen.

Aber absolut wichtig ist: Bleibe mit deinem Sohn in
Kontakt. Versuche ihn zu verstehen! Vorbehaltslos. Ohne
wenn und aber. Und genieße ihn so, wie er bis jetzt
geworden ist. Kein Mensch ist perfekt. Das ist gar
nicht so einfach.

Ich habe noch einen Buchtipp: „Pubertät“ von Jesper
Juul. Vom gleichen Autor ist auch ein weiteres tolles
kurzweiliges und schnell zu lesendes Buch mit dem
Titel: Grenzen, Nähe, Respekt.

So, ich hoffe ich konnte dir ein paar Denkanstöße geben

Liebe Grüße
Stefan (dunkelhaarig und mit mittlerweile vielen
Grauen)

Hallo Stefan,
erst mal recht herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort.

Was heißt das, nach deinem Geschmack? Kennst du SEINEN
Geschmack?

Mein Geschmack ist, dass ich von dem ausgehe, was wir früher gemacht haben, nämlich uns den ganzen Tag draußen aufgehalten haben.

Weißt du was er spielt?

Ja - Fifa (Fußball). Das finde ich nicht so schlimm. Aber er spielt seit den Sommerferien Call of Duty, häufig online. Den Fehler kreide ich mir auf jeden Fall an. Er hatte im Halbjahreszeugnis 4 Fünfen. Ich hatte mit ihm den Deal gemacht, dass er, wenn er auf dem Versetzungszeugnis keine 5 hat, sich dieses Spiel kaufen darf. (Hab ich natürlich nicht geglaubt, dass er das schafft, von daher: mein Fehler).

Hält er seinen Konsum auch für problematisch?

Nö, er sagt, das sei ganz normal. Seine Kumpels zocken ja schließlich gegen ihn.

Wo sind deine Ängste?

Er war schon immer ein sehr introvertiertes Kind. Ich habe halt Angst, dass er später im Leben nicht zurecht kommt. Er kann auch z.B. schlecht verlieren und schimpft dann wie ein Rohrspatz (nett ausgedrückt).
Vielleicht übertreibe ich ja auch und mache mir zu viele Gedanken. Er kommt halt aus der Schule und schmeißt sich sofort -nach den Hausaufgaben- ins Bett und spielt. Wir kommen erst später von der Arbeit nach Hause und das nutzt er eben aus.

Hat er noch andere Hobbys?

Nö!

Pflegt er Freundschaften außerhalb des Netzes?

Ja, zu seinen Bolzkumpanen.
Wenn er sich allerdings mit Freunden aus der Schule verabredet, wird auch hauptsächlich gezockt.

Hat er Anschluss in der Schule?

Ja.

Fühlt er sich in der Schule, im Verein, der Clique …
wohl?

In der Schule ja. Er hat einige Fußballvereine ausprobiert. Da hat ihn aber nach einiger Zeit die Lust verlassen, weil er keine Erfolgserlebnisse hatte. Meine Bemühungen, dass er in einen anderen Verein geht, also kein Fußball, scheiterten.

Kennt er seine Talente?

Wir waren mal bei einer städtischen Jugendberaterin. Die hat mit ihm ein paar Tests durchgeführt und sagte, er sei sehr intelligent, ist mathematisch begabt. Sie hat nichts auffälliges festgestellt.

Ist er in der Schule notenmäßig abgefallen?

Nö - s.o.

Sind die anderen Eltern ähnlich besorgt?

Nein.

Es ist in der Regel so, dass dies den Eltern noch
verstandesmäßig klar ist, dass die Zeit kommt, in der
die Kinder anfangen MÜSSEN ihren eigenen Weg zu suchen.

Das ist mir auch klar, aber ich fühle mich natürlich für ihn verantwortlich! Wenn ich sehe, was in der Welt so los ist, weiß ich nicht, wie er mal zurechtkommen will. Also, sein Hauptproblem ist halt auch, dass er nicht frei sprechen kann. Daher auch die Fünfer im Zeugnis. Er hatte sich nicht am Unterricht beteiligt. Anscheinend hat er sich dann dazu gezwungen, weil er so scharf auf das Spiel war. Aber er kann sich nicht gut unterhalten, weder mit Fremden noch mit uns oder Verwandtschaft oder so.

So, ich hoffe ich konnte dir ein paar Denkanstöße geben

Auf jeden Fall!!! Ich glaube, ich drehe ganz schön am Rad, was? Ich werde mir aber mal die Bücher kaufen, die Du empfohlen hast.

Nochmals danke von der (mittlerweile gefärbten) Blonden

Hallo Stefan,
erst mal recht herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort.

Gerngeschehen.

Mein Geschmack ist, dass ich von dem ausgehe, was wir früher
gemacht haben, nämlich uns den ganzen Tag draußen aufgehalten
haben.

Ja, aber erstens warst du ein Mädchen und zweitens gab es noch nicht die Möglichkeit, so viele solcher PC-Spiele zu spielen. Es liegt ein extrem hoher Reiz in diesen Spielen.

Weißt du was er spielt?

Ja - Fifa (Fußball). Das finde ich nicht so schlimm. Aber er
spielt seit den Sommerferien Call of Duty,

Kenn ich nicht.

hat, sich dieses Spiel kaufen darf. (Hab ich natürlich nicht
geglaubt, dass er das schafft, von daher: mein Fehler).

Nein, kein Fehler. Du hast ihm gezeigt, dass er es kann, wenn er will.

Hält er seinen Konsum auch für problematisch?

Nö, er sagt, das sei ganz normal.

Dann rennst du gegen Windmühlen.

Er war schon immer ein sehr introvertiertes Kind. Ich habe
halt Angst, dass er später im Leben nicht zurecht kommt.

Da solltest du anfangen Vertrauen in deinen Sohn zu haben. Er schafft das schon.

kann auch z.B. schlecht verlieren und schimpft dann wie ein
Rohrspatz (nett ausgedrückt).

Da kann man jetzt viel reinpsychologisieren, welche Frustrationen er noch lernen muss, bzw. früher nie hatte, … aber letztendlich kann ich dazu nix aus der Ferne sagen.

Vielleicht übertreibe ich ja auch und mache mir zu viele
Gedanken. Er kommt halt aus der Schule und schmeißt sich
sofort -nach den Hausaufgaben- ins Bett und spielt. Wir kommen
erst später von der Arbeit nach Hause und das nutzt er eben
aus.

Ja klar, leider auch ein normales Verhalten in dem Alter.

Hat er noch andere Hobbys?

Nö!

Pflegt er Freundschaften außerhalb des Netzes?

Ja, zu seinen Bolzkumpanen.

Also bolzt auch noch gerne? Ist er noch draußen?

Wenn er sich allerdings mit Freunden aus der Schule
verabredet, wird auch hauptsächlich gezockt.

Der Unterschied ist trotzdem das MITEINANDER! Das sind nun mal (leider) die Spiele dieser Generation.

Das ist mir auch klar, aber ich fühle mich natürlich für ihn
verantwortlich!

Diese Verantwortung trägt nun er. Oder sollte dies zumindest. Er wird diese Verantwortung in dem Maße nicht annehmen, in dem du sie ihm abnimmst.

Wenn ich sehe, was in der Welt so los ist,
weiß ich nicht, wie er mal zurechtkommen will.

Hab da ruhig mehr vertrauen in ihn.

Also, sein
Hauptproblem ist halt auch, dass er nicht frei sprechen kann.

Auch das können viele Jungs in dem Alter schlecht.

Unterricht beteiligt. Anscheinend hat er sich dann dazu
gezwungen, weil er so scharf auf das Spiel war. Aber er kann
sich nicht gut unterhalten, weder mit Fremden noch mit uns

Bleib da mit ihm im Gespräch, beschreibe, was du siehst aber zeige ihm nicht deine Lösung auf.

Muss nun dringend weg. Wenn du noch was auf dem Herzen hast, schieß los.

Liebe Grüße

Stefan

Hallo Blonde,

konnte dir leider in der Zwischenzeit noch nicht antworten. Ich hoffe, die anderen WWWler konnten dir schon weiterhelfen. Sollte euer Problem immer noch akut sein, melde dich gerne nochmal.

LG

iq13