Sport begeistert Massen - woher kommt das

Hallo liebe Experten,

mich treibt diese Frage schon länger um. Was bewegt Menschen, sich als Fan wöchentlich Fussballspiele im Stadion anzuschauen, sich Schals und andere Erkennungszeichen zu kaufen und viel Zeit und Geld zu investieren, um an Massensportveranstaltungen teilzunehmen. Dies gilt wohl insbesondere für Fussball als Massenphänomen, sicher aber auch für andere Sportarten wie Eishockey, Rennsport usw.

Welcher Psychologische Antrieb steckt dahinter? Welches Bedürfnis wird dort befriedigt?

Danke für Eure Ideen
Gruß
Wellenreiter

Hallo Wellenreiter,

das ist aber ein weites Feld, das du dir ausgesucht hast. Darauf gibt es sozusagen massenhaft Antworten. Ich mache mal den Anfang, indem ich dir Elias Canetti: Masse und Macht empfehle. Da reicht vielleicht auch erstmal der Wikipedia-Eintrag. Canetti argumentiert in etwa so, dass der Mensch die Masse sucht, um darin aufzugehen. Die Masse handelt Canetti zufolg im Affekt, was wiederum Menschen die Möglichkeit zur Entladung gibt. Kurz und unwissenschaftlich: Die lassen die Sau raus.

Canetti war allerdings nicht vom Fach. Als Psychologe hat etwa Gustave Le Bon als einer der ersten zum Thema Massenpsychologie geschrieben. Allerdings ging es bei ihm weniger darum, warum jemand Teil einer Masse wird, sondern was dann mit ihm passiert. Kurz und unwissenschaftlich: Die Leute verblöden.

Möglicherweise ist es ja hin und wieder erstrebenswert, mal nicht den Intellektuellen mit gepflegten Umgangsformen raushängen zu lassen, sondern einfach einem wildfremden Menschen hinterherzuschreien: „Lauf, du Sau.“ Ohne dass sich mein Nachbar empört zu mir umdreht. Jedenfalls erscheint mir die Sache mit der Entladung gar nicht so weit hergeholt - jedenfalls wenn ich im Stadion bin.

Andere mögen das anders sehen.

Schönen Tag noch, die Sara

Hallo,

mich treibt diese Frage schon länger um. Was bewegt Menschen,
sich als Fan wöchentlich Fussballspiele im Stadion
anzuschauen, sich Schals und andere Erkennungszeichen zu
kaufen und viel Zeit und Geld zu investieren, um an
Massensportveranstaltungen teilzunehmen.

ich will und kann das nicht tief begründen, aber um viele
unserer Handlungen zu verstehen, muß man wohl bis in die
Frühgeschichte der Menschheit zurück gehen, die aber
evolutionär gesehen eher gerade eben gewesen ist (ein paar
hundert Generationen ändern daran so schnell ja nichts).

Als ausgemachte Rudeltiere habe wir Verhaltensweisen, die
uns geradezu zwingen, uns in Gruppen zu organisieren und
dann natürlich den Verhaltenszwängen der Gruppe und
deren Handlungsdynamik zu unterliegen. Das kann auch heute
bei anderen Säugetieren und vor allem auch bei Primaten
ähnlich beobachtet werden.

Dabei ist es rel. egal, ob das eine Sportverein, eine
Fangruppe, eine Partei oder eine kriminelle Gang ist.
Es kann auch eine Schulklasse, ein Arbeitskollektiv oder
eine Einsatzgruppe (Armee/Polizei) sein, das ausgeprägtes
Gruppenverhalten fördert.

Man kann auch noch erwähnen, dass Religionen bzw.
Religiöse Gemeinschaften auch diesen Gesetzen folgen.

Alle diese Gruppen sind wahrscheinlich ein Ersatz für den
urzeitlichen Stamm/Clan und folgen IMHO den gleichen
Gesetzmäßigkeiten wie zu Urzeiten, nämlich sich innerhalb
der Gruppe zu verbünden und sich gegen andere Gruppen
(und prinzipiell gegen Outsider) abzugrenzen und diese
zu bekämpfen.
In der Urzeit ging es dabei natürlich reinweg um knappe
Ressourcen und ums Überleben.
Gruß Uwi

Dies gilt wohl
insbesondere für Fussball als Massenphänomen, sicher aber auch
für andere Sportarten wie Eishockey, Rennsport usw.

Welcher Psychologische Antrieb steckt dahinter? Welches
Bedürfnis wird dort befriedigt?

Danke für Eure Ideen
Gruß
Wellenreiter

Hallo,
deine Antwort geht IMHO etwas am Thema vorbei.
Er hat ja nicht gefragt, warum sich Menschen in der
anonymen Masse anders verhalten, sondern warum sie
sich bestimmten Gruppen anschließen und sich dann der
Gruppendynamik unterordnen.
Gruß Uwi

das ist aber ein weites Feld, das du dir ausgesucht hast.
Darauf gibt es sozusagen massenhaft Antworten. Ich mache mal
den Anfang, indem ich dir Elias Canetti: Masse und Macht
empfehle. Da reicht vielleicht auch erstmal der
Wikipedia-Eintrag. Canetti argumentiert in etwa so, dass der
Mensch die Masse sucht, um darin aufzugehen. Die Masse handelt
Canetti zufolg im Affekt, was wiederum Menschen die
Möglichkeit zur Entladung gibt. Kurz und unwissenschaftlich:
Die lassen die Sau raus.
Canetti war allerdings nicht vom Fach. Als Psychologe hat etwa
Gustave Le Bon als einer der ersten zum Thema
Massenpsychologie geschrieben. Allerdings ging es bei ihm
weniger darum, warum jemand Teil einer Masse wird, sondern was
dann mit ihm passiert. Kurz und unwissenschaftlich: Die Leute
verblöden.

Möglicherweise ist es ja hin und wieder erstrebenswert, mal
nicht den Intellektuellen mit gepflegten Umgangsformen
raushängen zu lassen, sondern einfach einem wildfremden
Menschen hinterherzuschreien: „Lauf, du Sau.“ Ohne dass sich
mein Nachbar empört zu mir umdreht. Jedenfalls erscheint mir
die Sache mit der Entladung gar nicht so weit hergeholt -
jedenfalls wenn ich im Stadion bin.

Andere mögen das anders sehen.

Schönen Tag noch, die Sara

Hi

auch wenn der nachfolgende Beitrag darauf hinaus läuft , das diese Antwort am Thema vorbei ginge , so vertrete ich genau diese jetzt hier geschriebene Meinung und sehe diese Antwort als „Nagel auf den Kopf getroffen“ .

Was mir zusätzlich noch auffällt , das es kurioserweise eigentlich fast nur Fussball betrifft .

Ich schreibe jetzt einmal etwas aus meiner persönlicher Erfahrung auf , es ist keineswegs wissenschaftlich belegt , aber ich denke man sollte trotztdem es mal zur Anregung und zum Nachdenken nehmen.

Fussball ist meines Erachtens ein durch die Presse und anderen Medien gepuschter Sport , denn dieses übertriebene Fan -verhalten bis hin zu Houligans ist mir nur vom Fussball bekannt.
ich kenne es nicht von Formel 1 , welches auch weitverbreitet ist , ich kenne es nicht von Tennis , das ja auch Medenbeworben ist und auch nicht von anderen Sportarten die ansonsten durch die Medien bekannt gemacht wurden.
Wenn die Medien nicht breit streuen , kann es sogar sein ,wie z.b. im Herbst 2011 geschehen , das eine Sport- Europameisterschaft in Trier stattfindet und es völlig an der Allgemeinheit vorbei geht.

Ich wohne in einer ländlichen Gegend wo die nächsten 2te Liga Fussball Vereine rund 80 - 90 km entfernt liegen , die Dörfer kleine Kinder und Jugend - Kickervereine unterhalten , die sich dann aber im alter von 17 - 19 Jahre völlig verlieren.

TV - Sky Abo’s mit Bundesliga liegen hier wie Blei in den Verkaufsregalen usw usw

Wo kein Leithammel ist , ist auch keine Herde .
Da liegt die Vorrednerin auch aus meiner Sicht und meinen Erfahrungen mit ihrer Erörterung ziemlich richtig und die letzte Aussage ist wie ein Volltreffer , ich meine die Aussage : man verblödet .

Ich schüttele immer den Kopf , welchen IQ einer haben muss , der hysterich und Gewaltbereit auf einen anderen Zuschauer losgeht , nur weil er bei der anderen Mannschafft „Tor“ gerufen hat .

gruss

Toni

Hi,

das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.

die Franzi

Hi,

dieses Gruppengefühl vermittelt bei weitem nicht nur Fussball. Handball, Volleyball, Formel 1 (da pilgern Scharen mit dem Zelt zur Rennstrecke, bilden dort Grüppchen, grillen, und kurz kommen mal autos vorbeigerast), Skispringen (hab ich selber mitgemacht. Leider hat mir die KReativität für Sven-Hannawald-Poster gefehlt. *schwelg*

welchen IQ einer haben muss , der hysterich und Gewaltbereit auf einen anderen Zuschauer losgeht

Das sind keine Fussbalfans, das sind Hooligans. Die gehen nicht des Fussballs wegen hin, sondern weil da genug Leute sind. (extrem verkürzt). Ich hab ja schließlich auch nciht die Fans der österreichischen Springer an den Haaren gezogen…

die Franzi

denn dieses übertriebene Fan
-verhalten bis hin zu Houligans ist mir nur vom Fussball
bekannt.

mir nicht:

http://www.focus.de/sport/mehrsport/angst-vor-aussch…

http://www.shortnews.de/id/321168/Phoenix-Schwere-Au…

http://www.spox.com/de/sport/ussport/nhl/1106/News/a…

http://www.bild.de/sport/mehr-sport/randale/fan-rand…

und noch etwas über die Ursprünge von Randale beim Fußball:

http://nikolaus-roehrer.suite101.de/hooligans-die-ur…

und noch „ein wenig“ früher berichteten „die Medien“ über folgendes Ereignis:

Im Jahre 59 n. Chr. kam es nach einem Bericht des Historikers Tacitus[4] im bis zu 20.000 Zuschauer fassenden Amphitheater während eines Gladiatorenkampfes zu blutigen Krawallen mit Besuchern aus der Nachbarstadt Nuceria. Darauf verbot Kaiser Nero für zehn Jahre jegliche Spiele in Pompeji.

Wo kein Leithammel ist , ist auch keine Herde .

Na prima, wie einfach sich die Welt doch erklären lässt.

Gruß
Roland

Hallo,

was mir zusätzlich noch auffällt , das es kurioserweise
eigentlich fast nur Fussball betrifft .

dass dies eine sehr selektive Wahrnehmung sein muß,
wurde ja schon eingängig dargelegt.

Ich wohne in einer ländlichen Gegend wo die nächsten 2te Liga
Fussball Vereine rund 80 - 90 km entfernt liegen ,

Ich komme auch aus solchem Kaff und kann darüber berichten,
wie bei gegebenen Anlässen selbst von Großvätern mit
Stolz darüber berichtet wird, dass man als junger Bursche
bei Tanzveranstaltungen in der Dorfkneipe die Jugendgruppe
aus dem Nachbardorf verdroschen hat, weil die es gewagt
hatten überhaupt zu erscheinen und dann so ein braver
Bursche sich erlaubt hat irgend einer Dorfschönheit
zu umwerben.

Diese Geschichten kann man aus jeder Generation hören,
genauso wie die heldenhaften Taten, wo man erst alle
andere unter den Tisch gesoffen hat und dann sturtz besoffen
mit irgend eine Fahrzeug durch den Busch nach Hause
gedöddelt ist.

kleine Kinder und Jugend - Kickervereine unterhalten , die
sich dann aber im alter von 17 - 19 Jahre völlig verlieren.

Ja, weil die dann andere Interessen haben wie
Mädels, Saufen, Moped, gemeinsam anhängen usw.
Ist aber in der Stadt nicht anders, nur bringen die paar
Prozent, die weiter in irgend einem Verein bleiben
einfach mehr Masse.

TV - Sky Abo’s mit Bundesliga liegen hier wie Blei in den
Verkaufsregalen usw usw

Wen wunderst? Fußball fördert extrem Lokalpatriotismus
genau dort, wo die Vereine sind -> eben in der größeren Stadt

Wo kein Leithammel ist , ist auch keine Herde.

Leithammel sind überall!!!
Nur die Herden sind nicht überall so groß.
Wo nur 5 Strauchdiebe wohnen, brauchst es keine
Hundertschaften um Ordnung zu halten.

Ich schüttele immer den Kopf , welchen IQ einer haben muss ,
der hysterich und Gewaltbereit auf einen anderen Zuschauer
losgeht , nur weil er bei der anderen Mannschafft „Tor“
gerufen hat .

Das reduziert die große Masse der Fans auf die geringe
Anzahl der „Unfans“, die eh nur wegen der Randale hin gehen.
Gruß Uwi

Hallo,

ich denke es ist nicht nur der Sport, es ist auch das übertriebene „Fan-sein“ bei Musikern, Schauspielern, die Begeisterung für mediengehypte Casting- und Containershows, … durch die Menschen die es im eigenen Leben nicht dahin gebracht haben, wo sie ihrer Meinung nach sein müssten, zumindest etwas an diesem erstrebten Leben teilhaben können.

Das ganze gewürzt dann noch mit etwas inzwischen regelmäßig eher theoretischem Gemeinschaftsgefühl auf unterschiedlichen Ebenen (die Mannschaft meiner Stadt/meines Landes), einem überbordenden Angebot an Devotionalien, mit klarem „me too“-Anspruch von Menschen die nicht das Standing für einen wirklich eigenen Stil haben, und durch Identifizierung mit der eigenen Gruppe Zugehörigkeit und Sicherheit spüren.

Und dann wäre da natürlich noch die Gruppe der „Edelfans“ die schicht und ergreifend vollkommen unabhängig vom konkreten Ereignis einfach jedes Wochenende ihre Bühne brauchen, auf der sie gesellschaftlich und wirtschaftlich agieren. Vollkommen egal, ob das jetzt die VIP-Lounge im Fußballstadion, auf der Pferderennbahn oder beim Opernfestival ist.

Gruß vom Wiz, der sich immer wieder am Kopf kratzt, wie man heute noch einem Verein ewige Treue schwören kann, der jede Saison seine Mannschaft kreuz und quer auf der Welt zusammenkauft, seinen Trainer zweimal die Saison wechselt, und dessen Management aus ebenso auswechselbaren abgehalftertern Exspielern besteht.

Vielen Dank allen für die interessanten Beiträge. Wer natürlich noch weiteres schreiben will, ist gerne eingeladen, ich wollte nur den Dank aussprechen, bevor der Artikel ins Archiv gesunken ist :smile:

Lieben Gruß
wellenreiter