Staat <> Kirche

Hallo,

ich wollte euch mal fragen was ihr davon haltet.

Vor einiger Zeit, als ich noch zur Schule ging, haben wir im Religionsunterricht eine kleine Debatte geführt die mir heute wieder ins Gedächtnis schoss, welche zur einer großen Meinungsverschiedenheit ausuferte. Die einen waren zum Schluss pro Kirche, aber IMHO contra Ethik.

Die Aufgabenstellung war folgende:
Diskutieren Sie inwiefern sich die Kirche in staatliche angelegenheiten einmischen sollte!
Vertreten Sie argumentativ eine der beiden folgenden Positionen:

-> Die Kirche soll sich als Kirche parteilich in die Politik einmischen und z.B. eine mit militärischen Mitteln agierende Befreiungsbewegung unterstützen.

oder

-> Die Kirche soll um des Evangeliums willen, das sie allen Parteien und Machtblöcken zu sagen hat, zwischen den Fronten stehen und gerade deshalb nicht Partei ergreifen.

Gegeben sie eine Extremsituation, z.B. eine vom Staat gewaltsam unterdrückte Minderheit.

Wie kann man sich für eine dieser Seiten entscheiden? Entweder man guckt zu wie die Minderheit weiterhin massiv unterdrückt wird oder man versucht was dagegen zu machen. Laut Luthers Zwei-Reiche-Lehre sollte die Kirche sich aus den Angelegenheiten des Staates raus halten.

Wir sind in der Diskussion zu keinem wirklich zufriedenstellenden Ergebnis gekommen.

lg

-> Die Kirche soll sich als Kirche parteilich in die Politik
einmischen und z.B. eine mit militärischen Mitteln agierende
Befreiungsbewegung unterstützen.

oder

-> Die Kirche soll um des Evangeliums willen, das sie allen
Parteien und Machtblöcken zu sagen hat, zwischen den Fronten
stehen und gerade deshalb nicht Partei ergreifen.

Gegeben sie eine Extremsituation, z.B. eine vom Staat
gewaltsam unterdrückte Minderheit.

Wie kann man sich für eine dieser Seiten entscheiden? Entweder
man guckt zu wie die Minderheit weiterhin massiv unterdrückt
wird oder man versucht was dagegen zu machen. Laut Luthers
Zwei-Reiche-Lehre sollte die Kirche sich aus den
Angelegenheiten des Staates raus halten.

Wir sind in der Diskussion zu keinem wirklich
zufriedenstellenden Ergebnis gekommen.

Moin PaleMan,

nur ein paar Gedanken; so früh am Morgen will ich wirklich noch keine langen Abhandlungen schreiben.
Die Alternativen, die Du genannt hast, sind schon sehr verengt.
Ein weitere Möglichkeit wäre beispielsweise, dass die Kirche, gerade um des Evangeliumns willen, Partei für die Benachteiligten, Unterdrückten, Ausgebeuteten ergreift. Dass die Kirche sich aus der Politik herauszuhalten habe, ist üblicherweise die Behauptung und Argumentation derjenigen, die die Kirche instrumentalisieren und sich zunutze machen als Garantin ihrer Herrschaft. Sie haben nämlich Angst (und zu Recht!) davor, dass die Kirche, wenn sie sich auf das Evangelium besinnt, sich sehr kritisch äußern würde.

Der Satz „Die Kirche ist für alle da“ ist richtig; aber nicht für alle in gleicher Weise! Di einen muss sie trösten, die anderen aufbauen, wieder andere kritisieren und manchen gar den Zorn Gottes predigen!

Die Zwei-Reiche-Lehre hat Luther übrigens im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Sünders entwickelt; sie war nie ein eigenständiger theologischer Begriff bei ihm. Erst die lutherische Orthodoxie hat daraus eine obrigkeitsfromme Herrschftsethik gemacht.
Die Calvinisten waren immer und von Anfang an herrschftskritischer.

Gruß - Rolf

Hallo,

Ein weitere Möglichkeit wäre beispielsweise, dass die Kirche,
gerade um des Evangeliumns willen, Partei für die
Benachteiligten, Unterdrückten, Ausgebeuteten ergreift. Dass
die Kirche sich aus der Politik herauszuhalten habe, ist
üblicherweise die Behauptung und Argumentation derjenigen, die
die Kirche instrumentalisieren und sich zunutze machen als
Garantin ihrer Herrschaft. Sie haben nämlich Angst (und zu
Recht!) davor, dass die Kirche, wenn sie sich auf das
Evangelium besinnt, sich sehr kritisch äußern würde.

vielen Dank für die Antwort, mit dieser kann ich mich auch abfinden, da kommt der mir wichtige ethische Grundsatz dann auch nicht zu kurz.

lg

Hallo,

ich wollte euch mal fragen was ihr davon haltet.

Vor einiger Zeit, als ich noch zur Schule ging, haben wir im
Religionsunterricht eine kleine Debatte geführt die mir heute
wieder ins Gedächtnis schoss, welche zur einer großen
Meinungsverschiedenheit ausuferte. Die einen waren zum Schluss
pro Kirche, aber IMHO contra Ethik.

Die Aufgabenstellung war folgende:
Diskutieren Sie inwiefern sich die Kirche in staatliche
angelegenheiten einmischen sollte!
Vertreten Sie argumentativ eine der beiden folgenden
Positionen:

-> Die Kirche soll sich als Kirche parteilich in die Politik
einmischen und z.B. eine mit militärischen Mitteln agierende
Befreiungsbewegung unterstützen.

oder

-> Die Kirche soll um des Evangeliums willen, das sie allen
Parteien und Machtblöcken zu sagen hat, zwischen den Fronten
stehen und gerade deshalb nicht Partei ergreifen.

Gegeben sie eine Extremsituation, z.B. eine vom Staat
gewaltsam unterdrückte Minderheit.

Wie kann man sich für eine dieser Seiten entscheiden? Entweder
man guckt zu wie die Minderheit weiterhin massiv unterdrückt
wird oder man versucht was dagegen zu machen. Laut Luthers
Zwei-Reiche-Lehre sollte die Kirche sich aus den
Angelegenheiten des Staates raus halten.

Wir sind in der Diskussion zu keinem wirklich
zufriedenstellenden Ergebnis gekommen.

Hallo PaleMan,
man macht heute Papst Pius XII immer noch den Vorwurf, dass er sich nicht eingemischt hat. Es hat also, für viele, die warnende bzw. mahnende Stimme gefehlt. In einem diktatorischen System, ohne Meinungsfreiheit und Opposition, wäre die Kirche vor allem zur Einmischung aufgerufen gewesen, da sie Macht hatte gegen das Unrecht aufzutreten. In einer demokratischen Ordnung dagegen sollte sie vorsichtiger auftreten. Sofern hier Unrecht geschieht, sind dafür ordentliche Instanzen vorgesehen um solches zuverhindern, die Kirche sollte da eher als Warner oder Kritiker (wie jede andere Institution, Partei oder Bürger auch)auftreten; ihre Macht braucht sie hier nicht ausspielen.

Wolfgang D.

Hallo,

man macht heute Papst Pius XII immer noch den Vorwurf, dass er
sich nicht eingemischt hat. Es hat also, für viele, die
warnende bzw. mahnende Stimme gefehlt. In einem diktatorischen
System, ohne Meinungsfreiheit und Opposition, wäre die Kirche
vor allem zur Einmischung aufgerufen gewesen, da sie Macht
hatte gegen das Unrecht aufzutreten.

je genau das meine ich, wäre es besser gewesen wenn sich die Kirche in die Angelegegenheiten des Staates einmischt und somit in die Opposition zu gehen?
Wenn sie das aber nur täte, würde sie damit nicht die Autorität des Staates untergraben?
Ich meine in der NS-Zeit wäre es bestimmt nicht schlimm gewesen, aber im Prinzip, ich weiß nicht ob ich mich jetzt korrekt ausdrücke, wäre es auch so, dass sich die Kirche als höher gestellt sieht und demnach den Staat überwacht, oder?

In einer demokratischen
Ordnung dagegen sollte sie vorsichtiger auftreten. Sofern hier
Unrecht geschieht, sind dafür ordentliche Instanzen vorgesehen
um solches zuverhindern, die Kirche sollte da eher als Warner
oder Kritiker (wie jede andere Institution, Partei oder Bürger
auch)auftreten; ihre Macht braucht sie hier nicht ausspielen.

Wenn jetzt aber die Kirche als Warner oder Kritiker des Staates fungiert, wäre es ja genauso, sie wäre eine Instanz höher als der Staat, und das soll doch nicht. Es soll ja genauso wenig sein, dass der Staat sich in die Angelegenheit der Kirche einmischt.

Oder verstehe ich da was falsch?

lg

Hallo,

man macht heute Papst Pius XII immer noch den Vorwurf, dass er
sich nicht eingemischt hat. Es hat also, für viele, die
warnende bzw. mahnende Stimme gefehlt. In einem diktatorischen
System, ohne Meinungsfreiheit und Opposition, wäre die Kirche
vor allem zur Einmischung aufgerufen gewesen, da sie Macht
hatte gegen das Unrecht aufzutreten.

je genau das meine ich, wäre es besser gewesen wenn sich die
Kirche in die Angelegegenheiten des Staates einmischt und
somit in die Opposition zu gehen?

Ob es besser gewesen wäre?Vielleicht wären Priester und Bischöffe im NS-Bereich mundtot gemacht worden. Die Einmischung hätte wohl die gleiche Qualität wie die eines Widerstandskämpfers.

Wenn sie das aber nur täte, würde sie damit nicht die
Autorität des Staates untergraben? Ja, sie wäre eine Opposition.

Ich meine in der NS-Zeit wäre es bestimmt nicht schlimm
gewesen, aber im Prinzip, ich weiß nicht ob ich mich jetzt
korrekt ausdrücke, wäre es auch so, dass sich die Kirche als
höher gestellt sieht und demnach den Staat überwacht, oder?

Im NS-Staat hatte die Kirhe keine staatsrechtliche Funktion, sie war ein Verein und hatte zu kuschen. Den Staat überwachen? Wie sollte das gehen? Sie konnte nur die Rechtsbrüche offenlegen und hoffen,dass man dem Staat in einer Notwehrreaktion den Gehorsam verweigert.

In einer demokratischen
Ordnung dagegen sollte sie vorsichtiger auftreten. Sofern hier
Unrecht geschieht, sind dafür ordentliche Instanzen vorgesehen
um solches zuverhindern, die Kirche sollte da eher als Warner
oder Kritiker (wie jede andere Institution, Partei oder Bürger
auch)auftreten; ihre Macht braucht sie hier nicht ausspielen.

Wenn jetzt aber die Kirche als Warner oder Kritiker des
Staates fungiert, wäre es ja genauso, sie wäre eine Instanz
höher als der Staat, und das soll doch nicht.

Die Kirhe ist kein verfassungsmäßiges Organ und hat demnach keine politische Funktion. Sie ist ein Verein, und wie jeder Verein kann sie auf Missstände oder Verstöße gegen die Vereinsinteressen protestieren, kritisieren etc; wie z.B. der Bund der Steuerzahler gegen zu hohe Steuern wettert. Kirche und andere Interessengruppen können nur versuchen,die öffentlihe Meinung zu beeinflussen in der Hoffnung, dass Abgeordnete und Parteien sich vor dem Zorn des Wählers fürchten und daher umschwenken.

Es soll ja genauso wenig sein, dass der Staat sich in die Angelegenheit der Kirche einmischt. Wie man es nimmt. Der Staat hat Gesetze erlassen, die der Lehre der Kirche widersprachen (z.B. Abtreibung in bestimmten Grenzen erlaubt). Die Kirche hat dagegen schwer opponiert, konnte aber höchstens den Einbau von Hindernissen erzielen (Fristenlösung) und mußte sich aber im übrigen fügen. Sie kann natürlich gegen Kirchenmitglieder Strafen verhängen - das ist dem Staat egal solange diese Strafen nicht gegen die Gesetze verstoßen (Hölle und Verdammnis: ja - Auspeitschen, Gefängnis: nein)

Oder verstehe ich da was falsch?

Ich kann nicht erkennen, wo Du Probleme hast. Im demokratischen Staatswesen machen die Bürger die Gesetze, die Kirche bezieht sich dagegen auf göttliche Gebote. Wenn weltliche Gesetze gegen Kirchenrecht verstoßen, dann kann die Kirche zwar protestieren, aber im Zusammenleben der Bürger gelten die weltlichen Gesetze. Ebenso gilt innerhalb der Kirche das Kirchenrecht, bloß - Kirchenrecht bricht nicht weltliches Gesetz.
Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

In einem diktatorischen
System, ohne Meinungsfreiheit und Opposition, wäre die Kirche
vor allem zur Einmischung aufgerufen gewesen, da sie Macht
hatte gegen das Unrecht aufzutreten.

wie denn das ? Und auch die Macht etwas zu bewirken ?
Glaubst Du dies wirklich ?

In einer demokratischen
Ordnung dagegen sollte sie vorsichtiger auftreten.

Warum?

Sofern hier
Unrecht geschieht, sind dafür ordentliche Instanzen vorgesehen
um solches zuverhindern, die Kirche sollte da eher als Warner
oder Kritiker (wie jede andere Institution, Partei oder Bürger
auch)auftreten.

Was macht sie denn sonst ?

ihre Macht braucht sie hier nicht ausspielen.

Wie sieht das aus ?

Gruß VIKTOR

Hallo,

Die

Einmischung hätte wohl die gleiche Qualität wie die eines
Widerstandskämpfers.

Ich kann nicht erkennen, wo Du Probleme hast.

hatte das ganze ein wenig enger gesehen und nicht bezogen auf eine Demokratie, sondern wie geschildert auf eine Extremsituation unter berücksichtigung der Zwei-Reiche-Lehre, in welcher Kirche und Staat ja komplett von einander getrennt sein sollten, also die Kirche dem Staat nicht auf die Finger schaut sowie umgekehrt, völlig unabhängig!
Es ist ja so, die Unterscheidungs-Leher interpretiert man doch Sinngemäß in „Innerlichkeit des Glaubens“ und „Äußrlichkeit der weltlichen Gegebenheiten“ die zur strikten Trennung von Glaube und Politik führen.
Wäre es demnach legitim von der Kirche, dass sie sagt, du regierts falsch oder ähnliches, in Bezug auf Ethik und Moral oder sollte sie lieber auf ihr Evangelium achten und nichts machen, also völlig Parteilos sein?

Gegeben sie eine Extremsituation, z.B. eine vom Staat gewaltsam unterdrückte :::Minderheit.

Im
demokratischen Staatswesen machen die Bürger die Gesetze, die
Kirche bezieht sich dagegen auf göttliche Gebote. Wenn
weltliche Gesetze gegen Kirchenrecht verstoßen, dann kann die
Kirche zwar protestieren, aber im Zusammenleben der Bürger
gelten die weltlichen Gesetze. Ebenso gilt innerhalb der
Kirche das Kirchenrecht, bloß - Kirchenrecht bricht nicht
weltliches Gesetz.

Hier stimme ich dir zu, es ging mir aber eigentlich mehr um die Problematische Wirkungsgeschichte der „Zwei-Reiche-Lehre“

Ich will hoffen das es jetzt einigermaßen klar geworden ist?!?

lg

Im NS-Staat hatte die Kirhe keine staatsrechtliche Funktion,
sie war ein Verein und hatte zu kuschen.

Hallo Wolfgang,
in der DDR hatte die Kirche auch keine staatliche Funktion und hatte anfangs zu kuschen.
In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat die Kirche in der DDR zunehmend Position bezogen. Auch wenn die Luft nicht so bleihaltig wie zwischen 1933 und 1939 gewesen ist, war schon das Zusammenstellen von Informationen ein erhebliches persönliches Risiko. Unter dem Schutz der Kirche konnten sich erste Keimzellen der friedlichen Revolution entwickeln. Die Kirche hat bewiesen, dass sie in einem Unrechtsstaat handeln kann. Leider nicht zu der Zeit des Nationalsozialismus. Letzteres sollte kein Tabu sein.
Grüße
Ulf