Stalins Volksfrontstrategie

Hallo!
Ich bin gerade dabei den Stalinismus zu lernen und in meinen Unterlagen steht hierzu der Begriff „Volksfrontstrategie“ ohne weitere Erklärung.
Ich habe schon ein wenig gegoogelt und dabei das hier gefunden:
Nachdem der Faschismus in Deutschland gesiegt hatte, drohte der UdSSR ein Angriff Hitler-Deutschlands. Die Volksfrontpolitik war ursprünglich als Verteidigungsstrategie konzipiert, um die UdSSR vor Nazi-Deutschland zu schützen. Sie sollte außerhalb der UdSSR Bündnisse mit den “demokratischen antifaschistischen Fraktionen” der imperialistischen Weltbourgeoisie - konkret mit den herrschenden Klassen des bürgerlich-demokratischen Frankreichs und Großbritanniens - sichern.

Kann mir jemand sagen, ob diese Aussage richtig ist oder was die stalinistische Volksfrontstrategie noch kennzeichnet.

Danke schonmal!!

Hallo Petra,

die Definition ist bis in die Wortwahl hinein selbst stalinistisch.

Mit klassenkämpferischen Grüßen :wink:
Andreas

Hallo Petra,

Die
Volksfrontpolitik war ursprünglich als Verteidigungsstrategie
konzipiert, um die UdSSR vor Nazi-Deutschland zu schützen. Sie
sollte außerhalb der UdSSR Bündnisse mit den “demokratischen
antifaschistischen Fraktionen” der imperialistischen
Weltbourgeoisie - konkret mit den herrschenden Klassen des
bürgerlich-demokratischen Frankreichs und Großbritanniens -
sichern.

das stimmt soweit - bedarf aber zumindest einer näheren Erläuterung: unter „imperialistischer Weltbourgeoisie“ sind hier nicht „konkret“ die „herrschenden Klassen des bürgerlich-demokratischen Frankreichs und Großbritanniens“ zu verstehen, sondern deren Handlanger und nützliche Idioten (die man nach Möglichkeit zu den eigenen Handlangern und nützlichen Idioten machen wollte). Sprich: sozialistische und sozialdemokratische Parteien. Noch konkreter: in Frankreich die Parti radical und die Section française de l’Internationale ouvrière. Großbritannien kann man da vergessen - die Communist Party of Great Britain war zu bedeutungslos, um für die Labour Party ernsthaft als Partner in Frage zu kommen. Auch in Italien wollte die Partito Socialista Italiano nicht einmal im Untergrund mit der Partito Comunista zusammengehen. Von historischer Bedeutung war hingegen neben Frankreichs Front Populaire Spaniens Frente Popular.

Formal handelte es sich nicht um " Stalins Volksfrontstrategie", sondern um eine Strategie der Komintern (Dritte Internationale), die freilich von der KPdSU dominiert wurde - und wer da wiederum das Sagen hatte, ist ja klar. Die Komintern hatte seit dem 10. Plenum des Exekutivkomitees ihre Bündnispolitik an der Sozialfaschismustheorie Sinowjews ausgerichtet - was bedeutete, dass es praktisch keine Bündnispolitik gab. Wohin das führte, konnte man dann 1933 in Deutschland sehen. Die offizielle Wende kam 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern, die Sozialfaschismustheorie wurde aufgegeben was den Weg für Bündnisse frei machte. Die nächste Kehrtwendung kam dann schon 1939 mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt - da wurden die der Komintern angeschlossenen kommunistischen Parteien plötzlich zu Pazifisten - und nach dem Überfall auf die Sowjetunion gab es für Stalin nichts (überlebens-)wichtigeres als gute Beziehungen zu den Westalliierten - da konnte man bei denen keine Kommunisten unterstützen und so die eigenen Verbündeten verärgern oder schwächen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Ich denke man sollte schon etwas tiefer in die damalige Situation einsteigen um den Sinn und Zweck dieser Strategie zu verstehen.

Anfang der 30er (wo die Volksfrontstrategie anfing umgesetzt zu werden) hatte zwar Stalin und Co seine Herrschaft stark gefestigt, aber die „Großen Säuberungen“ standen noch BEVOR (1938).
Dh Stalin hatte sich zwar auf dem Chefsessel breit gemacht, aber dieser wackelte gewaltig.
Es brodelte gewaltig sowohl innerhalb der Sowjetunion als auch an der Basis der Komintern.
27/28 war Trotzki, nach Lenin wohl einer der angesehensten Persönlichkeiten, erst ausgeschlossen und ausgebürgert wurden.
Die Oppoisition war trotz aller Repression am wachsen und eine Bedrohung für die Bürokraten um Stalin. Sieh auch:
http://www.mehring-verlag.de/gesamtkatalog/gab-es-ei…

Die Volksfrontstrategie muss man auch als Beruhigungsmittel verstehen.
Die Volksfrontpolitik bedeutete ja nicht nur taktische Bündnisse mit „bürgerlich-demokratischen“ Kräften gegen den Faschismus, sondern eine strategische Unterordnung der KPs unter diese Kräfte.
Die revolutionäre Perspektive wurde auf die mittelfristige Zukunft verschoben.
Ganz besonders sieht man dies bei den genannte Bsp. in Spanien und Frankreich, anstatt die revolutionäre Situation, vorallem in Spanien, ausnutzen und sich an die Spitze der Massen zustellen, brachen die KPs diesen die Spitze. Anstatt den Kampf gegen den Faschismus mit dem Aufbau des Sozialismus zu verknüpfen, beschränkten sie sich auf die Verteidigung der „bürgerlichen“ Republiken und unterstützen „reformistische“ Politik.
Stalin hatte eine nicht unbegründete Angst davor, dass erfolgreiche Revolutionen in Spanien oder anderswo, auch zu einer politischen Revolutionen gegen sein Regime führen würden.
Gleichzeitig biederte er sich dabei der „imperialistischen Weltbourgeoisie“ als verlässlicher Partner an.
Während in den 20er eigentlich alle Regierungen der SU noch mher oder weniger feindlich gesinnt waren, gelang es in den 30er immer mehr Abkommen oder gar freundliche-partnerschaftliche Beziehungen herzustellen (zB Militärbündnis mit Frankreich, später dann der Hitler-Stalin Pakt…).
Für einen „Arbeiterstaat“ der konsequent die Weltrevolution verfolgt unvorstellbar.

Die Volksfrontstrategie war somit auch die Abkehr von revolutionären Bestrebungen und so auch der Beginn der rein natioanlistischen, also auf die SU beschränkten, Außenpolitik.
KPs wurden zu außenpolitischer Apparaten der SU degradiert und letztlich Auflösung der Komintern - vom Internationalismus zum sowjetruss. Chauvinismus…so könnte man den außenpolitischen Wandel unter Stalin beschreiben.

Die grundsätzlich richtige Intension taktische Bündnisse mit „linken“ Parteien einzugehen, war nur das Feigenblatt für diese Politik.