Standardabweichung, Standardfehler - Was nun?

Hi

Ich hab von meinem tollen Physik-Prof ein Übungsblatt bekommen. Es wird die Fallzeit einer Kugel aus 3m Höhe 12 mal gemessen. Nun soll zuerst der Mittelwert der Fallzeit berechnet werden. Dann kommt folgende Frage:
"Wie groß ist der mittlere Messfehler der Einzelmessung (klein Sigma) (Standardabweichung)?

Blöderweise hat er in den vorhergegangenen Vorlesungen kein einziges mal erläutert, was er damit meint. Genauso wenig weiß ich wie man damit rechnet.

Würde mir schon genügen, wenn jemand eine Vermutung äußert, was ich da jetzt zu berechnen habe, mit Formel vielleicht?

Danke und Grüße

Laralinda

P.S. und ot: Da ist man als Neustudent hochmotoviert, die Sachen zu lernen, klemmt sich hinter seinen PC um die Sachen aus dem Netz zu holen, die es in der Vorlesung nicht gegeben hat und stößt dann auf so ein blödes Problem mit der Formulierung.
Ich werde demnächst den Rat eines anderen Profs beherzigen: „Ihr zahlt Studiengebühren, da kann man auch was für verlangen!“…

Hallo Es wird die Fallzeit einer Kugel aus 3m Höhe 12 mal

gemessen. Nun soll zuerst der Mittelwert der Fallzeit
berechnet werden. Dann kommt folgende Frage:
"Wie groß ist der mittlere Messfehler der Einzelmessung (klein
Sigma) (Standardabweichung)?

Mittelwert: die 12 Einzelzeiten addieren und durch 12 teilen
Std. abw.: Wurzel aus 1/11 * (Summe (Mittelwert - Einzelzeit(1…12))^2)
Vgl. auch mit http://de.wikipedia.org/wiki/Standardabweichung (Allgemeiner Fall)

„Ihr zahlt Studiengebühren, da kann man auch was für
verlangen!“…

Dazu muss man die Qualität der Lehre (auch im Hinblick auf später) erstmal beurteilen können…

mfg M.L.

Hallo,

als Ergänzung zu Markus’ Antwort:

Standardabweichung und Standardfehler sind zwar verwandt, aber nicht das gleiche.

die Standardabweichung (üblicherweise mit σ oder s bezeichnet) ist ein Mass für die Streuung von Werten um ihren gemeinsamen Mittelwert.

der Standardfehler (meist mit SE oder SEM von engl. Standard Error [of the Mean] bezeichnet) ist ein Mass für die Streuung von Mittelwerten.

Wenn Du *ein* Experiment machst mit n Messwiederholungen, dann streuen die Messergebnisse. Nun ist keiner der Werte „richtiger“ als ein anderer - also welchen Wert nimmt man nun? - Klar: den Mittelwert. Um diesen Wert streuen alle Einzelwerte. Oft ist auch wichtig zu wissen, wie stark die Werte streuen. Um das zu quantifizieren, gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten:

Ganz simpel kann man die Extremwerte nennen und sagen, dass die Werte in diesem Bereich streuen. Das hat den Nachteil, dass Ausreißer nun mal gerade immer Extremwerte sind und dass genau die dann den Streubereich definieren, was einem dann nicht unbedingt sagen wird, wie sehr „normale“ Werte denn nun streuen.

Besser, man nimmt die Informationen aus allen Messwerten zusammen. So kann man einen mittleren Differenzen der Werte zum Mittelwert berechnen. Addiert man nun alle Differenzen, kommt dummerweise genau Null raus (genau so ist ja der Mittelwert definiert). Ist also 'ne blöde Idee. Zumindest mit den Differenzen. Wenn man die Abstände nimmt (also die Beträge der Differenzen), dann muss eine endliche, positive Zahl rauskommen, wenn man alles summiert. Teilt man diese Summe dann noch durch die anzahl der Werte, erhält man einen Mittelwert der Abstände = mittleren Abstand der Werte von ihrem gemeinsamen Mittelwert. Das ist schon fein, allerdings ist die Verwendung von Beträgen mathematisch sehr ungünstig, wenn man später statistische Analysen damit machen will.

Noch besser wäre es, auf die Beträge zu verzichten. Aber wie bekommt man dann immer positive Abstände aus den Differenzen? Ganz einfach: man nimmt die Quadrate. Damit macht man das altbekannte Spiel: Alle quadrierten Differenzen summieren und durch die Anzahl der Werte teilen, um einen mittleren quadratischen Abstand zu bekommen. Dieses Ungetüm nennt sich Varianz und ist ein Streu-Mass mit sehr angenehmen mathematischen Eigenschaften. Blöd nur, dass die Einheit der Varianz das Quadrat der Einheit der Werte ist. Das ist für Menschen schwer zu verstehen, wenn man zB. Fallzeiten in Sekunden misst und dann sagt, dass die Streuung (Varianz) xy Quadratsekunden sind. Ist zwar korrekt - kann sich aber keiner was drunter vorstellen. Daher gibt man statt der Varianz die Wurzel der Varianz an, denn die hat wieder die korrekte Einheit. Die Wurzel aus der Varianz nennt man Standardabweichung.

So, wenn du das Experiment wiederholst, bekommst du natürlich wieder andere Werte, die einen etwas anderen Mittelwert haben und auch eine etwas andere Standardabweichung. Also auch die Mittelwerte und die Standardabweichungen haben ihrerseits eine Streuung (von Experiment zu Experiment). Die Grundannahme ist, dass es einen „wahren Mittelwert“ gibt, den wir nicht kennen, aber um den herum immer alle Werte (und somit auch alle Mittelwerte) streuen. Eigentlich ist man ja daran interessiert, diesen wahren Wert herauszubekommen.

Man kann sich nun Gedanken machen, wie nahe der Mittelwert eines Experiments dem unbekannten wahren Wert wahrscheinlich liegen wird. Dazu kann man mit Hilfe der Streuung der Werte die Streuung der Mittelwerte berechnen, die man zwischen *wiederholten Experimenten* finden würde. Man kann mathematisch zeigen, dass die Varianz der Mittelwerte gerade der n-te Teil der Varianz der Einzelwerte ist (wobei n die Anzahl der Einzelwerte im Experiment ist). Die Wurzel daraus ist die Standardabweichung der Mittelwerte selbst, und die wird Standardfehler genannt.

Zum Klarmachen noch zwei Extrembetrachtungen:

Wenn dein Experiment nur eine einzige Messung umfassen würde, dann wären Messwert und Mittelwert identisch und tatsächlich bekäme man für die den Standardfehler den selben Wert wie für die Standardabweichung.

Je mehr Messwiederholungen man macht, desto kleiner wird der Standardfehler, während die Standardabweichung theoretisch gleich bleibt.

Wenn man unendlich viele Messungen machen würde, ginge der Standardfehler auf Null, d.h., damit würde man den wahren Wert exakt bestimmen.

Also, willst Du eine Aussage darüber, wie gut deine Einzelmessungen sind, dann brauchst du die Standardabweichungen. Willst du angeben, wie gut du mit dem Experiment den wahren Wert bestimmt hast, dann brauchst du den Standardfehler.

Noch eine wichtige Sache: So, wie es den „wahren Mittelwert“ (Fachwort: Erwartungswert) gibt, gibt es auch ein „wahre Standardabweichung“ (Erwartungswert der Stabw.). Anhand von experimentellen Daten kann man diese wahren Werte immer nur schätzen. Um die Erwartungswerte und die Schätzwerte dafür symbolisch zu unterscheiden, verwendet man meist griechische Buchstaben für die Erwartungswerte und lateinische für die Schätzwerte (also zB. μ und m (oder x mit einem Querbalken drüber) sowie σ und s).

Während m im Mittel symmetrisch um μ streut (man sagt, die Schätzung von μ ist erwartungstreu), gilt das nicht für s. Wenn man s aus den Messdaten berechnet, dann ist dieser Wert im Mittel systematisch kleiner als σ. Wie sehr, hängt wieder von der Anzahl der Werte ab, die zur Berechnung von s benutzt wurden. Man kann allerdings ausrechnen, wie groß diese systematische Abweichung ist und so kann man den Schätzwert korrigieren. Man muss das Ergebnis noch mit einem Korrekturfaktor multiplizieren, und zwar mit n/(n-1). Dieser Faktor ist für sehr große n praktisch gleich 1, für kleine n wird er aber größer als 1 - womit die Unterschätzung von σ korrigiert wird. Wenn man diesen Korrekturfaktor gleich in die Formel zu Berechnung der Varianz mit rein nimmt, dann steht da, dass die Summe der quadrierten Differenzen eben durch (n-1) geteilt wird (und nicht durch n, wie oben geschrieben).

Ich hoffe, das hilft dem Neustudent, die Statistik-Bücher besser zu verstehen, die er noch lesen werden muss :smile:

LG
Jochen

Hi

Danke für diese sehr ausführliche Antwort.

So ganz durchgedrungen ist die Idee noch nicht, ich werd das glaub ich mal alles mit meinen Mitstudenten in der Übungsgruppe durchrechnen.

Bis dahin hoffe ich, dass das Übungsblatt nicht verpflichtend ist.

Und Statistikbücher werd ich wohl noch im nächsten Semester genug durchlesen, wenn ich im Optionalbereich Statistik für Biologen nehme.

Grüße

Laralinda