Standardwerk

Liebe/-r Experte/-in,

Immer wieder heisst es, das Standardwerk zur griechischen Mythologie sind die Werke von Karl Kerenyi. Da dieser Forscher aber schon seit mehr als 30 jahren tot ist, frage ich mich, ob es nicht vielleicht etwas Moderneres gibt, da sich sicher seit seinem Ableben viel in der Forschung getan hat.

Vielen Dank!

Hallo Herr Papp,

entscheidend ist aus welchem Grund sie sich der Mythologie nähern. Geht es um Zitationsfähigkeit oder um persönliches Interesse oder um einen schnellen kompakten Überblick?
Zitieren: immer noch Paulys Encyclopädie („der große Pauly“, von dem haben so gut wie alle abgeschrieben oder sich distanziert, aber ohne geht es nicht).
Interesse: Ranke-Graves oder die Werke an sich
Überblick: Reclams Lexicon ist der Preis-Leistungstipp, kompakt, gut geschrieben und eben doch weiterführend.
Kerenyi ist sicher eine gute Darstellung. Die Frage ist, ob bzgl. des Kontextes oder der Hintergründe noch entscheidendes zum Kanon hinzukommt, so dass man eine definitiv aktuelle Sammlung beutzen sollte. Hier würde ich vielmehr auf dem Gebiet der Archäologie nachschauen was sich getan hat, die Deutung der griechischen Sagen als solche wird sich inhaltlich kaum ändern.

Viele Grüsse

Henning Schneider

Hallo,

aktuelle Entwicklungen in der mytologischen Forschung sind meines Erachtens nach nur auf einer tiefen Detailebene relevant. Und wenn Sie nach einer „Übersicht“ fragen, dann brauchen Sie sich meinem Dafürhalten nach um die letzten 200 Jahre der aktuellsten Forschungsergebnisse keine allzugroßen Gedanken machen…

Entweder Sie gehen ind Detail bei einigen Geschichten, dann sind die aktuellen Forschungsergebnisse relevant. Aber da Sie ja wohl nach einer „Zusammenfassung“ fragen…

Ich bin Fan von:
http://www.amazon.de/griechischen-r%C3%B6mischen-Myt…

Grüße,

Levin Brunner

Lieber Stefan Papp,

grundsätzlich wird eine Frage nach „dem“ Standardwerk der griechischen Mythologie immer auf die Qualität seiner Deutungsansätze abzielen. Diesbezüglich ist nicht das Alter eines Werkes entscheidend, sondern dessen wissenschaftliche/inhaltliche Gültigkeit.

Ich persönlich habe mich nie auf ein „Werk“ beschränkt, wenngleich meine Neigung stets zu Robert von Ranke-Graves ging. Von Ranke-Graves und Kerenyi haben gleichermaßen auch verschiedene Variationen einzelner Themen (z.B. diverse Schöpfungsmythen) behandelt und damit für einen hinreichenden Überblick gesorgt.
Andere zeitgenössische Betrachtungen hat es indes schon immer gegeben und sind teilweise sogar in vergangene Lyrik und Prosa eingedrungen (z.B. bei Goethe und wissenschaftlich seriöser in den Schriften Schillers; „Briefe an den Herzog von Augustenburg“). Die damit verbundene Deutung der klassischen Vorbilder unterliegt jedoch zwangsläufig ihrer Prägung durch den jeweiligen Zeitgeist, bzw. der beabsichtigten philosophischen Aussage. Von wissenschaftlich nachhaltig relevanten Deutungsansätzen kann also nur bedingt die Rede sein.

Unter dem Stichwort „Standardwerk“ möchte ich die folgenden Empfehlungen einreihen:

  1. Metzler Lexikon, „Literatur- und Kulturtheorie“, Herausgegeben von Ansgar Nünning (Verlag Metzler 1998)
  2. Elisabeth Frenzel, „Stoff-, Motiv- und Symbolforschung“ (Metzlerische Verlagsbuchhandlung 1963)
  3. Hans Kloft, „Mysterienkulte der Antike“ (C.H. Beck Verlag 1999)

In Verbindung mit von Ranke-Graves und Kerenyi bilden diese Publikationen noch heute die Grundlage für die Einführung in die Mythologie der Griechen. Auch „modernere“ Autoren wie Stefan Arens oder Herbert Jennings Rose („Griechische Mythologie - Ein Handbuch“, Beck’sche Reihe, 2. Auflage, 2007) haben sich dieser Quellen hinlänglich bedient.

Darüber hinaus wird man bei einer Vertiefung des Themas nicht um divergente Einzelbetrachtungen herumkommen. Alleine die Zuordnung von Deutungen der Person „Iphigenie“ bedarf einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Problematik von Rezeptionen klassischer Texte. So könnte eine intensivere Behandlung der „Iphigenie“ leicht über Erika Fischer-Lichte zu Peter Szondi und in das klassische Drama führen.

Wie Sie sehen, ist eine konkrete Beantwortung Ihrer Frage von Intention und Motivation abhängig, mit denen Sie sich der Mythologie widmen wollen.

Die Wege sind schier grenzenlos! Man sollte sie tunlichst nicht auf „überholte“ und „moderne“ Ansätze verkürzen.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Lueg

Sehr geehrter Herr Popp,

leider kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.
Viele Grüße und einen guten Start in den Mai!!

Hallo Stefan,
Karl Kerenyi ist sozusagen eine altehrwürdige Institution und er hat sich das erste mal so ausführlich mit dem Thema bechäftigt. Inzwischen gibt es aber durchaus auch würdige Nachfolger.
Empfehlenswert wären zum Einen Lexikon der antiken Mythen und Gestalten von Michael Grant oder zum Anderen Griechische Mythologie: Quellen und Deutung von Robert von Ranke-Graves. Zudem gibt es auch noch Werke die sich speziell mit Mythen zum Beispiel auf Vasen oder in der pompejanischen Wandmalerei beschäftigen. Wenn Sie Mythen in Zusammenhang mit archäologischen Quellen interessiert so wäre Griechische Mythenbilder
von Klaus Junter ganz lesenwert. Falls Sie gerade zum Herakles-Mythos Literatur suchen, so empfehle ich den Ausstellungskatalog Herakles - Herkules ; Ausstellung, Staatlliche Antikensammlungen München Hrsg. R. Wünsche.
Hoffe ich konnte Ihnen etwas weiter helfen, falls es noch Fragen gibt einfach kurz mailen :smile:
viele Grüße
Katrin

Eventuell ist dieses hier hilfreich !

Robert von Ranke-Graves :
Griechische Mythologie

Erscheinungsjahr: 2008

ISBN-Nummer: 3-86647-211-0 Buch anschauen

Neue ISBN-Nummer: 978-3-86647-211-2 Buch anschauen

mfg !

Hallo Stefan,

naja, Standardwerk bedeutet ja, dass ein Buch ziemlich umfassend ist und eine stabile Basis, auf der man arbeiten kann. Sicher gibt es zu Spezialthemen jedes Jahr haufenweise Einzeluntersuchungen und Artikel, aber eine Gesamtschau müsste trotzdem immer wieder auf den drei oder vier kanonisierten Standardwerken aufbauen.

„Der Neue Pauly“ ist für mythologische Fragen ganz okay und in Detailfragen sicher brauchbarer als die uralte „Realenzyklopädie“, aber trotzdem ziehe ich für den Einstieg in ein Thema letztere vor. (Vor allem, da ich finde, dass der Neue dem Kleinen Pauly in vielen Bereichen nicht das Wasser reichen kann.)

Was genau suchst du denn in einem neueren Standardwerk? Suchst du etwas Aktuelles zu einer bestimmten Gottheit?
Die Verwandtschaftsverhältnisse und Zuständigkeitsbereiche der griechischen Götter werden sich vermutlich innerhalb der letzten 30 Jahre nicht grundlegend verändert haben. Zumal sich in den letzten Jahren kein neuer Homer oder Hesiod gefunden hat.
Allenfalls könnte es zum Beispiel durch Ausgrabungen neue Erkenntnisse zu bestimmten Heiligtümern oder zu Details der Verehrung gegeben haben. Und dafür schreibt man kein neues Standardwerk.

Liebe Grüße

Petra