Standesämter in der Antike?

Hallo zusammen,

es gab ja schon in der Antike Vorgänge privatrechtlicher Art, die zu wichtig waren, als dass man sich auf Treu und Glauben und auf das Gedächtnis verlassen konnte:
Geburten und Anerkennung des Kindes, Erreichen der Geschäftsfähigkeit, Antritt eines Erbes, Vollmachten, Eheverträge, Freisetzung aus dem Sklavenstand, Todeserklärung zwecks Abwicklung der Erbschaft, etc.

Es kann doch nicht alles nur durch private Verträge abgewickelt worden sein.

Daher die Frage:
Gab es z. B. in griechischen Stadtstaaten Institutionen in der Art von Standesämtern oder Notariaten, die so etwas dokumentierten?
Oder gar noch früher, z. B. bei den Ägyptern?

Neugierigen Gruß

Günter

Hallo,

Günter!
Gab es z. B. in griechischen Stadtstaaten Institutionen in der
Art von Standesämtern oder Notariaten, die so etwas
dokumentierten?

Von Athen ist es mir Einiges bekannt:
Eine frühe Form scheinen die Phratrien zu sein, Zusammenschlüsse, entstanden entweder aus Adelsgefolgschaft oder wahrscheinlicher zur Nachbarschaftshilfe. Sie hatten familienrechtliche Befugnisse (unter dem Schutz des Zeus Phrátrios): Aufnahme in eine Phratrie garantierte das volle Bürgerrecht (Einschreibung in das phraterikón grammateion), der Abschluss der Zeremonien bei der Eheschließung findet vor der Phratrie statt.
Inwieweit auch die Phylen vor Kleisthenes standesamtsmäßige Befugnisse hatten, weiß ich nicht. (Vielleicht findest du ja durch Googeln was dazu.) Kleisthenes hat sie jedenfalls aus politischen Gründen zerschlagen und neue geschaffen. Aber durch seine Reformen kam die Führung der Personenstandsangelegenheiten an die neuen Demen: Sie waren zuständig für die Bürgerlisten und alles, was dazugehörte.
Z. B. ist von Lysias eine Rede („Für Euphiletos“) erhalten, in der dieser gegen den Demos Erchia vor Gericht klagte, weil man ihn dort aus der Bürgerliste gestrichen hatte.
Wenn du dich über die Reden von Lysias, Demosthenes und den anderen sog. attischen Rednern informierst, findest du zu deiner Frage viel Interessantes, Kurioses und z. T. Komisches.*
Wenn du im Netz nach den genannten Begriffen Phratrie, Phyle und Demos suchst, wirst du wohl auch noch Genaueres finden.
Gruß!
Hannes
*Ich kann es nicht verschweigen, obwohl es nicht zum Thema Standesamt gehört: Ein Glanzstück ist die Rede „Über den Mord an Eratosthenes“ von Lysias zur Verteidigung des Euphiletos: Der Gatte einer Ehebrecherin wurde von ihr während ihres Treibens in seine Kammer weggesperrt und dachte sich raffiniert seine Rache aus.

Hallo, Hannes,

Danke für die Antwort. Sie liefert mir wertvolle Anregungen zum Weitersuchen.
Aber sag, Hannes, gab’s damals auch schon Bürgermeister?
:smile:
Okay, den konnte ich mir jetzt auch nicht verkneifen …! *
:smile:

Lieben Gruß

Günter

* Ich hoffe doch, Du kennst das Regionalprogramm des Wilden Südwestens …

Hi, Günter!

Aber sag, Hannes, gab’s damals auch schon Bürgermeister?

Aber freilich: „démarchos“ ist die Bezeichnung.
Okay, den konnte ich mir jetzt auch nicht verkneifen …! *

* Ich hoffe doch, Du kennst das Regionalprogramm des Wilden
Südwestens …

Man müsste in den Komödien des Aristophanes nachschaun, ob es Vergleichbares gab.