Starres Handwerk

Hi!

Kann mir mal jemand erklären, warum es in Deutschland dieses höchst starre Innungssystem im Handwerk gibt?

Wer in D einen Handwerksbetrieb aufmachen will, muß zwingenderweise einen Meisterbrief nachweisen. Im Zeitalter des freien Marktes - gerade jetzt, wo in der EU freie Arbeitsplatzwahl, freie Wirtschaft und eine einheitliche Währung gelten soll - wird es ausländischen Handwerkern unmöglich gemacht, als Selbständige in D Fuß zu fassen.

Es gibt sogar Bestrebungen, bestimmte innungsfreie Berufe, z.B. die technisch ausgerichteten Berufe im Computerbereich, als Handwerk in das Innungssystem zu integrieren. Wer also einen kleinen EDV-Schrauberbetrieb aufmachen will, bräuchte dann einen Meisterbrief.

Wozu braucht man Strukturen, die aus dem Spätmittelalter stammen? Warum wird beim Handwerk nicht auf Qualität und Ruf gesetzt und die Möglichkeit zur Selbständigkeit freigegeben? Pfusch und Beschiß liefern Innungsbetriebe schließlich genauso ab wie Nicht-Innungsbetriebe.

Ist es die Angst vor qualitativ guter Konkurrenz, die nicht den kostspieligen Weg des Meisterbriefes geht?

Grüße
Heinrich

Hi Heinrich,

Kann mir mal jemand erklären, warum es in Deutschland dieses
höchst starre Innungssystem im Handwerk gibt?

das ganze ist wohl noch auf die Gilden des Mittelalters zurückzuführen. Es soll halt nicht jeder daherkommen können, um den alteingesessenen Handwerkern die Kundschaft abzugraben. Und wer weiß, ob nicht bei der Meisterschulung geheime Bünde geschmiedet werden :wink:

Wozu braucht man Strukturen, die aus dem Spätmittelalter
stammen? Warum wird beim Handwerk nicht auf Qualität und Ruf
gesetzt und die Möglichkeit zur Selbständigkeit freigegeben?
Pfusch und Beschiß liefern Innungsbetriebe schließlich genauso
ab wie Nicht-Innungsbetriebe.

Nicht zuletzt wird schon seit Jahren von vielen Organisationen, denen es mehr um Arbeitsplatzsicherung und Wettbewerb geht, als um Traditionen und Besitzstandwahrung, die Beschaffung oder zumindest die Auflockerung der bisherigen Vorschriften gefordert.
Z.B. 1997: http://www2.tagesspiegel.de/archiv/1997/09/04/m_u_05…

Hintergrund sind Gutachten der Monopolkommission. Das neueste aus 2001 ist hier zu finden:
http://www.monopolkommission.de/sg_31/text_s31.doc

Und wen wunderts, die PDS
http://www.pds-im-bundestag.de/index.php?main=/parla…
(2001) ist genauso gegen die Abschaffung, wie die Handwerkskammer
http://www.hwk-muenchen.handwerk.de/aktuell/texte/ne…
(1998) und der Zentralverband des dt. Handwerks
http://www.zdh.de/ak_info/archiv/reden_01/pk310501.htm
(2001)

Ist es die Angst vor qualitativ guter Konkurrenz, die nicht
den kostspieligen Weg des Meisterbriefes geht?

Bizzar dabei ist ja, daß ausländische Handwerker aufgrund des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU in Deutschland ihre Dienstleistungen ohne Meisterbrief anbieten können. D.h. durch das Festhalten an überkommenen Strukturen schaden die deutschen Handwerker sich letztlich nur selber.

Gruß
Christian

Hintergrund sind Gutachten der Monopolkommission. Das neueste
aus 2001 ist hier zu finden:
http://www.monopolkommission.de/sg_31/text_s31.doc

Und wen wunderts, die PDS
http://www.pds-im-bundestag.de/index.php?main=/parla…
(2001) ist genauso gegen die Abschaffung, wie die
Handwerkskammer

Mich wunderts. PDS und Handwerkskammer Hand in Hand? Stimmt auch nur begrenzt, denn in diesem Link kritisiert der PDS-Abgeordnete praktisch ausschließlich die Handwerkskammer. Richtig ist, dass prinzipiell beide den Meisterbrief behalten wollen. Nur die Handwerkskammer sagt: ohne Meisterbrief keine Öffnung eines Handwerkbetriebes. Der PDS-Abgeordnete will, dass man den Meisterbrief auch nachholen kann (mit welchem zeitlichen Abstand sagt er nicht).

Bizzar dabei ist ja, daß ausländische Handwerker aufgrund des
freien Dienstleistungsverkehrs in der EU in Deutschland ihre
Dienstleistungen ohne Meisterbrief anbieten können.

Nicht nur die EU-Länder, auch die EU-Kandidaten. Jeder Pole kann praktisch in Berlin eine Bäckerei aufmachen, aber nicht jeder Deutsche.

hallo RalfHeinrich

Nicht nur die EU-Länder, auch die EU-Kandidaten. Jeder Pole
kann praktisch in Berlin eine Bäckerei aufmachen, aber nicht
jeder Deutsche.

Das ist so bizarr, dass es fast schon unglaubwürdig ist.
Warum wird nicht einfach vor Eröffnung eines Betriebes eine „Befähigungsprüfung“ o.ä. verlangt? So könnte die Qualität der Arbeit gesichert werden.
Grüße
Raimund

Nicht nur die EU-Länder, auch die EU-Kandidaten. Jeder Pole
kann praktisch in Berlin eine Bäckerei aufmachen, aber nicht
jeder Deutsche.

Das ist so bizarr, dass es fast schon unglaubwürdig ist.
Warum wird nicht einfach vor Eröffnung eines Betriebes eine
„Befähigungsprüfung“ o.ä. verlangt? So könnte die Qualität der
Arbeit gesichert werden.

Das wird vielleicht gemacht, weiß ich nicht. Insofern mag „jede Pole“ vielleicht übertrieben gewesen sein, weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall einen Meisterbrief brauchen nur Deutsche, kein Franzose und kein Pole.

Starres Handwerk - Starre Gesellschaft
Hi Heinrich,

vor zwanzig Jahren stand ich vor dem gleichen Problem.
Ich war gut, hatte aber keinen Zettel.

Machs wie ich, studiere eine Ingenieurwissenschaft, dann liegt Dir der Arbeitsmarkt zu Füßen und die Zünfte können Dich am A…

Nur manchmal beschleicht mich das Gefühl, ich habe jetzt zwei Ordner voller Zettel, bin aber nicht mehr gut.

Darüber sollten wir nachdenken.

CU
Ralf

Hi!

Nicht nur die EU-Länder, auch die EU-Kandidaten. Jeder Pole
kann praktisch in Berlin eine Bäckerei aufmachen, aber nicht
jeder Deutsche.

Ist das wirklich so? Kann ich kaum glauben (müßte eigentlich zu Gleichstellungsklagen vor dem Europäischen Gerichtshof führen: wenn Ausländer in Deutschland Handwerksbetriebe ohne Meisterbrief eröffnen können, wieso dann nicht auch Deutsche?)

Heute habe ich durch Zufall einen Filmbericht gesehen über eine Frau, die den Bauernhof ihres Großvaters übernommen hat. Damit sie das überhaupt konnte (oder durfte), mußte sie eine Meisterprüfung ablegen (Meisterbrief der Landwirtschaft). Ich dachte, ich hör nicht richtig. Meisterbrief für den Rübenanbau! Irgendwie scheint das typisch deutsch zu sein: Scheine und amtliche Nachweise sind wichtiger als Befähigungen.

Grüße
Heinrich

Vollste Zustimmung!!
Hallo Ralf,

das Zünftewesen ist eben nur ein weiterer Punkt, in welchem wir Deutsche uns mit unserem überholten Dünkel selbst ausbremsen.

Ich konnte in den letzten Jahren bei verschiedenen Bau- und Renovierungsprojekten in meiner Familie sowie im Freundeskreis eindeutig folgende Tendenz feststellen: im Vergleich zu italienischen und v.a. österreichischen Handwerkern sind die deutschen Handwerker in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsqualität und Preis weit abgeschlagen. Ein Meisterbrief steht also nicht automatisch für herausragende Leistung. Ich persönlich arbeite nur noch mit Italienern zusammen. DFeutsche Handwerker sind für mich nicht mehr tragbar. Wo kommen wir denn hin, wenn man einerseits 6 Wochen auf einen Termin warten muß, andererseits dann aber zweimal nachgebessert werden muß, um ein nicht mehr als durchschnittliches Ergebnis zu einem horrenden Preis zu erzielen?

Hier kann sich der deutsche Meister ruhig mal eine Scheibe bei seinen ausländischen Kollegen abschneiden.
Aber vermutlich ist der einzige Weg den Jungs wieder Manieren beizubringen derjenige der konsequenten Umgehung deutscher Handwerker durch andere EU-Anbieter. Es gibt genug davon. Traut Euch ruhig mal…

Grüße,

Mathias

Nicht nur die EU-Länder, auch die EU-Kandidaten. Jeder Pole
kann praktisch in Berlin eine Bäckerei aufmachen, aber nicht
jeder Deutsche.

Ist das wirklich so?

Meines Wissens: ja. Sonst hätte ich es ja nicht geschrieben.

Kann ich kaum glauben (müßte eigentlich
zu Gleichstellungsklagen vor dem Europäischen Gerichtshof
führen: wenn Ausländer in Deutschland Handwerksbetriebe ohne
Meisterbrief eröffnen können, wieso dann nicht auch Deutsche?)

Nur: wer klagt? Müsste man mal versuchen. Hätte aber wohl keine Chance. Meines Wissens dürfen EU-Ausländer nicht schlechter (negativ diskriminiert) werden. Gegen eine Besserstellung (positive Diskriminierung) dürfte der EU-Gerichtshof nichts haben. Wenn wir so blöd sind…

Heute habe ich durch Zufall einen Filmbericht gesehen über
eine Frau, die den Bauernhof ihres Großvaters übernommen hat.
Damit sie das überhaupt konnte (oder durfte), mußte sie eine
Meisterprüfung ablegen (Meisterbrief der Landwirtschaft). Ich
dachte, ich hör nicht richtig. Meisterbrief für den
Rübenanbau! Irgendwie scheint das typisch deutsch zu sein:
Scheine und amtliche Nachweise sind wichtiger als
Befähigungen.

Ich glaube nicht, dass das typisch deutsch ist. Meines Wissens ist das in einigen anderen Ländern auch nicht anders.

Andere Berufspfuscher / Europäische Handwerker
Hallo Mathias,

das Zünftewesen ist eben nur ein weiterer Punkt, in welchem
wir Deutsche uns mit unserem überholten Dünkel selbst
ausbremsen.

Ja, gilt meiner Meinung nach auch für viele Dienstleistungsberufe. Meine besonderen Lieblinge zur Zeit: Deutsche Ärzte.
Da ich zur Zeit krank bin und nicht richtig weiss, was ich habe, habe ich schon eine vierwöchige Odysee hinter mir.
Inkompetenz, Denkfaulheit, verkrustete Strukturen und HighTech.
Sagenhaft und für einen Naturwissenschaftler eigentlich untragbar. Wären die Jungs Handwerker an meinem Haus gewesen, hätten Sie keinen Pfennig bekommen.
Es gibt Ausnahmen, die sind aber selten gesät.

Es gibt noch andere Spezialisten z.B. Lehrer, was mich aber persönlich nicht so betrifft.

Aber vermutlich ist der einzige Weg den Jungs wieder Manieren
beizubringen derjenige der konsequenten Umgehung deutscher
Handwerker durch andere EU-Anbieter. Es gibt genug davon.
Traut Euch ruhig mal…

Danke für den Tip, aber wie kommt man an so einen Handwerker?
Vielleicht bei Euch in München, aber in Nordbayern in der Fläche?

Ich muss ja manchmal schon froh sein, wenn ein Ortsansässiger was für mich macht. Daher mache ich viel selbst und das führt wieder oft zu kleineren Gewerken, die für die Handwerker nicht mehr interessant ist.

Gibt es ein Handwerkerverzeichnis dafür z.B. im Web?
Beispiele wären bei mir Heizungsrenovierung, Dach neu decken und isolieren, Vollwärmeschutz anbringen und verputzen.

Danke
CU
Ralf

Hi Ralf!

Gutes Neues erst mal!

Danke für den Tip, aber wie kommt man an so einen Handwerker?
Vielleicht bei Euch in München, aber in Nordbayern in der
Fläche?

Ich habe in Hof studiert. Dort gab es in den Wochenblättern immer Angebote aus CZ.
Ansonsten bieten auch im Rest des Landes Handwerker aus verschiedensten Nationen, auch Deutsche unter Umgehung der Zünfte, ihre Dienste an.
Ich hatte gute Erfahrungen damit gemacht, meinen „Stammitaliener“ zu fragen.
Er hatte sein Lokal von Sizilianern ausbauen lassen. Sie haben bei mir Top-Leistung abgeliefert. Wohncontainer in den Garten und fertig.

Ich muss ja manchmal schon froh sein, wenn ein Ortsansässiger
was für mich macht. Daher mache ich viel selbst und das führt
wieder oft zu kleineren Gewerken, die für die Handwerker nicht
mehr interessant ist.

Das liegt aber in der Natur der Sache.
Die Jungs wollen natürlich auch ihr Geld verdienen.

Gibt es ein Handwerkerverzeichnis dafür z.B. im Web?
Beispiele wären bei mir Heizungsrenovierung, Dach neu decken
und isolieren, Vollwärmeschutz anbringen und verputzen.

Ich kenne kein Vrzeichnis im Web Wer suchet (und fraget), der findet…

Grüße,

Mathias

Du bist wahrscheinlich Angestellter oder Beamter,oder ?

Hi Ralf!

Gutes Neues erst mal!

Danke für den Tip, aber wie kommt man an so einen Handwerker?
Vielleicht bei Euch in München, aber in Nordbayern in der
Fläche?

Ich habe in Hof studiert. Dort gab es in den Wochenblättern
immer Angebote aus CZ.

Im Lübecker Hafen haben mehrere Firmen aus CZ und PL beim Aufbau einer neuen Papierlagerhalle mitgearbeitet.
Mit dem Ergebnis das mehrfach von deutschen "Pfusch"betrieben teuer nachgebessert werden musste. Euer Problem ist das ihr Topoarbeit für kleines Geld wollt das kann nun mal nicht funktionieren. Ausbildung und modernes Werkzeug kosten Geld.

Ansonsten bieten auch im Rest des Landes Handwerker aus
verschiedensten Nationen, auch Deutsche unter Umgehung der
Zünfte, ihre Dienste an.
Ich hatte gute Erfahrungen damit gemacht, meinen
„Stammitaliener“ zu fragen.
Er hatte sein Lokal von Sizilianern ausbauen lassen. Sie haben
bei mir Top-Leistung abgeliefert. Wohncontainer in den Garten
und fertig.

Prima und dann laut darüber lamentieren das kein Geld mehr in den Sozialkassen ist. Kein Wunder wenn niemand einzahlt. Hoffentlich kommst du nicht in die Verlegenheit mal Geld vom Staat zu benötigen.

Ich muss ja manchmal schon froh sein, wenn ein Ortsansässiger
was für mich macht. Daher mache ich viel selbst und das führt
wieder oft zu kleineren Gewerken, die für die Handwerker nicht
mehr interessant ist.

Hierbei gilt wie für so vieles:smiley:er Ton macht die Musik.ich kenne das aus meiner KFZ-Werkstatt , die Leute wollen alles sofort und am besten noch Geld dafür kriegen.

Das liegt aber in der Natur der Sache.
Die Jungs wollen natürlich auch ihr Geld verdienen.

Gibt es ein Handwerkerverzeichnis dafür z.B. im Web?
Beispiele wären bei mir Heizungsrenovierung, Dach neu decken
und isolieren, Vollwärmeschutz anbringen und verputzen.

Ich kenne kein Vrzeichnis im Web Wer suchet (und fraget), der
findet…

Grüße,

Mathias